Stana Schenck

Stana Schenck ist Akteu­rin für inklu­sive Erin­ne­rungs­kul­tur und Bil­dung. Sie ist in der Slo­wa­kei auf­ge­wach­sen und stu­dierte Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten an der Fern­Uni­ver­si­tät Hagen. Nach dem Stu­dium arbei­tete sie als externe Mit­ar­bei­te­rin am Lehr­stuhl für Dienst­leis­tungs­ma­nage­ment. 2019 absol­vierte sie einen Lehr­gang am Deut­schen Insti­tut für Men­schen­rechte zur Men­schen­rechts­bil­dung. Seit 2010 ent­wi­ckelt Stana Schenck Pro­jekte im Bereich inklu­sive Bil­dung und Gleich­stel­lung von benach­tei­lig­ten Men­schen und war an der Kon­zep­tion und Durch­füh­rung von zwölf EU-Pro­jek­ten im Bil­dungs­be­reich beteiligt.

Im Jahr 2018 haben Sie das gemein­nüt­zige Pro­jekt „inclu­tion“ gegrün­det. Ori­en­tiert an der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­tion soll die­ses dazu bei­tra­gen, Lösun­gen zum Auf­bau einer inklu­si­ven Gesell­schaft zu ent­wi­ckeln. Was sind die zen­tra­len Arbeits­fel­der von „inclu­tion“ und was bewegt Sie per­sön­lich sich für die­ses Thema einzusetzen?

Mit der gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tion „inclution.org“ wol­len wir unse­ren Bei­trag für eine offene, demo­kra­ti­sche und all­um­fas­send inklu­sive Gesell­schaft leisten.

Als Mensch mit Migra­ti­ons­ge­schichte und Mut­ter von Kin­dern mit diver­sen Lebens­ent­wür­fen, liegt es mir per­sön­lich sehr am Her­zen, in einer Gesell­schaft zu leben, in der alle Men­schen gleich­be­rech­tigt und will­kom­men sind. Men­schen mit Behin­de­rung, que­ere Men­schen, Men­schen unter­schied­li­cher Reli­gio­nen und geo­gra­fi­scher und eth­ni­scher Her­künfte – alle brau­chen einen siche­ren und för­dern­den Lebens­ort. Das erfor­dert akti­ves pro­de­mo­kra­ti­sches Han­deln von jedem ein­zel­nen Mit­glied der Gesell­schaft. Und es braucht inklu­sive Struk­tu­ren, die nie­man­den benachteiligen.

Mit mei­nem Mann Ste­fan Schenck grün­dete ich „inclution.org“, wo wir beide an die­sem  Hebel anset­zen. Wir machen uns stark für inklu­sive Struk­tu­ren im Über­gang von der Schule in den Beruf für Men­schen mit Behin­de­rung. Dazu bil­den wir Netz­werke vor Ort in Ber­lin und mit Orga­ni­sa­tio­nen aus ande­ren EU-Län­dern. Über­re­gio­nal stär­ken wir auch inklu­sive poli­ti­sche Bil­dung mit Selbstvertreter*innen (Men­schen mit Behin­de­rung, die sich für ihre Rechte und Inter­es­sen ein­set­zen). Bun­des­weit schaf­fen wir Ange­bote für Schu­len in den Berei­chen der inklu­si­ven Erin­ne­rungs­kul­tur und Demokratiebildung.

Sie sind an ver­schie­de­nen Pro­jek­ten betei­ligt, unter ande­rem feder­füh­rend beim Auf­bau der Bil­dungs­platt­form „Wir­für­Viel­falt“, deren Ziel es ist, diverse Bil­dungs­an­ge­bote der Zivil­ge­sell­schaft zu allen The­men der Viel­falt zu sam­meln. An wen rich­tet sich die­ser Kata­log von Bil­dungs­an­ge­bo­ten und anhand wel­cher Rah­men­be­din­gun­gen wer­den die Pro­jekte ausgewählt?

Die Idee zu „WirfürVielfalt.de“ ent­stand im Jahr 2020 im „Hacka­thon #wir­für­schule“ und rich­tet sich an Schu­len. Schule ist ein Ort hoher Diver­si­tät, trotz der seg­re­gie­ren­den Bil­dungs­struk­tu­ren. Viele Lehr­kräfte sind enga­giert und wol­len dis­kri­mi­nie­rungs­sen­si­bles Han­deln als Kern­kom­pe­tenz bei ihren Schüler*innen stär­ken. Auf der Platt­form „WirfürVielfalt.de“ fin­den sie Mate­ria­lien und Pro­jekte, die nach Viel­falts­the­men und For­ma­ten sor­tiert sind. Die Pro­jekte, die wir auf der Platt­form lis­ten, sind gemein­nüt­zig. Ihre Qua­li­tät ist durch För­de­rung von rele­van­ten Stif­tun­gen oder der öffent­li­chen Hand anerkannt.

Im Zuge der Bun­des­tags­wahl wurde erneut deut­lich, dass nicht alle Men­schen den glei­chen Zugang zu Infor­ma­tio­nen und damit Mög­lich­kei­ten poli­ti­scher Betei­li­gung haben. Dar­auf geht der von Ihnen im Dezem­ber mit­ge­grün­dete poli­ti­sche Stamm­tisch in leich­ter Spra­che „Poli­Tisch leicht“ ein. Warum sind sol­che nied­rig­schwel­li­gen Ange­bote wich­tig und wel­che The­men beschäf­ti­gen die Teil­neh­men­den seit den Wah­len besonders?

Poli­tik muss für alle zugäng­lich sein. Alle sind von poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen betrof­fen. Bis 2019 wur­den in Deutsch­land viele Men­schen mit Behin­de­rung vom Wahl­recht aus­ge­schlos­sen. Mein Sohn Oskar lebt mit Tri­so­mie 21 und wurde kurz davor voll­jäh­rig. Er wäre einer von den Aus­ge­schlos­se­nen gewe­sen. Wahl­recht ist ein Men­schen­recht. Men­schen mit Lern­schwie­rig­kei­ten brau­chen dar­über hin­aus Zugang zu poli­ti­schem Wis­sen über Leichte Spra­che. Inklu­sive poli­ti­sche Bil­dung stärkt Teil­habe und Selbst­ver­tre­tung von Men­schen mit Behinderung.

In unse­rem Pro­jekt „Poli­Tisch leicht“ erar­bei­ten wir unter der Lei­tung von zwei Selbstvertreter*innen Sina Groth und Arthur Hacken­thal For­de­run­gen an die Poli­tik. Zum Bei­spiel for­dern wir Min­dest­lohn für Men­schen mit Behin­de­rung und gleich­be­rech­tigte Beschäf­ti­gung auf dem all­ge­mei­nen Arbeits­markt. Und wir spre­chen mit der Poli­tik. Kürz­lich war die Sena­to­rin für Arbeit und Sozia­les des Lan­des Ber­lin Can­sel Kizil­tepe zu Besuch. Im Mai 2025 fah­ren wir nach Brüs­sel und spre­chen dort mit eini­gen Mit­glie­dern des EU-Par­la­ments. Wir wer­den uns auch mit Selbstvertreter*innen aus ande­ren EU-Län­dern vernetzen.

Aktu­ell geht der von Ihnen koor­di­nierte bun­des­weite Thea­ter-Wett­be­werb „anders­ar­tig geden­ken on stage“ in die vierte Runde. Bis zum 15. Januar 2026 kön­nen Schul­thea­ter und inklu­sive Erwach­se­nen-Thea­ter Stü­cke zu Bio­gra­fien von Opfern der NS-„Euthanasie“-Verbrechen ein­rei­chen. Woher stammt die Idee für einen Thea­ter­wett­be­werb und wel­che Poten­tiale sehen Sie in der Ver­knüp­fung von inklu­si­ver Thea­ter­päd­ago­gik und Erinnerungskultur?

Men­schen mit Behin­de­rung und psy­chi­schen Beein­träch­ti­gun­gen wur­den von den Nazis sys­te­ma­tisch ver­folgt und ermor­det. Über die­sen Teil der NS-Ver­bre­chen wurde lange geschwie­gen. Die par­ti­zi­pa­tive Erar­bei­tung von Bio­gra­fien von Opfern für ein Thea­ter­stück schafft einen nach­hal­ti­gen Zugang zum his­to­ri­schen Wis­sen und zum Geden­ken. Thea­ter­grup­pen kön­nen über Geschichte und ihre Wir­kung bis in die Gegen­wart reflektieren.

Sie gehen den Fra­gen nach: Wie wol­len wir mit­ein­an­der leben? Was tun, damit sich die Geschichte nicht wie­der­holt? Das Pro­jekt „anders­ar­tig geden­ken“ haben wir 2012 als Ange­bot der Platt­form „gedenkort-T4.eu“ für junge Men­schen ent­wi­ckelt, Geden­ken mit­zu­ge­stal­ten. Seit 2016 wird der Wett­be­werb vom För­der­kreis Gedenk­ort T4 e.V. getra­gen. Thea­ter ist ein wun­der­ba­res Medium dafür.

Die 15 The­sen mit dem Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt“ bil­den die Arbeits­grund­lage der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion und stel­len den Kon­sens unse­rer Mit­glie­der dar. Was bedeu­tet für Sie „Zusam­men­halt in Viel­falt“ und wel­che der 15 The­sen hal­ten Sie für beson­ders wichtig?

Zusam­men­halt in Viel­falt bedeu­tet für mich aktiv für­ein­an­der ein­tre­ten. Dis­kri­mi­nie­rung ist ein Hand­lungs­mus­ter, das wir nur bewusst durch Bil­dung auf­bre­chen kön­nen (These 11). Ich glaube fest daran, dass Spra­che mehr ist als ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel (These 12). Leichte Spra­che schafft Zugang und Teil­habe von Men­schen mit Lern­schwie­rig­kei­ten. Aber nicht nur. Ich gehe stark mit der For­de­rung der These 14 mit: „Die gesell­schaft­li­che Viel­falt muss sich in der Beschäf­tig­ten­struk­tur widerspiegeln“.

Wohin Aus­gren­zung füh­ren kann, hat uns die Geschichte gezeigt. Daher darf die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschichte nie abge­schlos­sen wer­den (These 13). Diese These halte ich für eine der wichtigsten.

Vie­len Dank!

Von |2025-05-13T10:13:09+02:00Mai 1st, 2025|Menschen|Kommentare deaktiviert für Stana Schenck