Christian Springer ist Kabarettist und Autor. Über den Kinderchor der Bayerischen Staatsoper kam er zur Liebe für die Bühne und zur Satire. Seit Anfang 2013 ist er an der Seite von Michael Altinger Gastgeber der monatlichen Kabarett-Sendung „schlachthof“ des Bayerischen Rundfunks. Nach Beginn des Bürgerkrieges in Syrien gründete er 2012 den Verein Orienthelfer e. V., um die zahlreichen zivilen Opfer des syrischen Bürgerkriegs zu unterstützen. Neben Hilfslieferungen nach Syrien, Jordanien und vor allem in den Libanon organisiert der Verein diverse Projekte in Kooperation mit Initiativen vor Ort mit dem Ziel, möglichst flexibel und nachhaltig auf die sich stetig verändernden Verhältnisse, Notlagen und Bedürfnisse der betroffenen Menschen einzugehen. Seine künstlerische wie ehrenamtliche Tätigkeit wurde mit diversen Preisen wie dem Bayerischen Kabarettpreis 2013, dem Waldemar-von-Knoeringen-Preis 2014 und der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber 2019 ausgezeichnet.
Sie stehen seit den 1990ern als Kabarettist auf diversen Bühnen und in den vergangenen Jahren wird Ihnen eine zunehmende politische Positionierung zugeschrieben. Im Mittelpunkt Ihres zuletzt herausgegebenen Buchs „Der Bayerische Mob“ steht beispielsweise die Frage, wie die Gewalt in die Politik einzog. Wie hat sich Ihre Arbeit auf und neben der Bühne verändert und welche Verantwortung kommt Ihrer Meinung nach aktuell dem Deutschen Kabarett zu?
Wenn ich zurückblicke, hat mein politisches und soziales Engagement sein Fundament in der Familie. Meine Eltern waren parteipolitisch nicht engagiert und hatten ein Obst- und Gemüsegeschäft, das die Familie ernährt und geprägt hat. Es wurde aber immer versucht, die Werte von Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Toleranz zu leben. Demokratische Prozesse, Rechte und Pflichten – all das war stets präsent.
Als ich mit siebzehn Jahren anfing in der Schule Kabarett zu machen, war klar, dass ich nicht von oben herab predigen, sondern meine Ideen und Grundsätze auch im Leben neben der Bühne umsetzen wollte. Denn dem Kabarett darf keine Macht der Veränderung zugeschrieben werden – dieser Berufszweig ist vor allem eines: Ein Teil der Unterhaltungsindustrie.
Neben Ihrer Tätigkeit als Kabarettist haben Sie 2012 den Verein Orienthelfer e. V. gegründet: Was war der Ursprungsgedanke des Vereins und welche Herausforderungen wie Erfolgserlebnisse haben Sie bisher in der Umsetzung erlebt?
Meine Leidenschaft für den Nahen Osten besteht seit der Kindheit, die Ursprünge liegen sicherlich in Karl Mays Reiseromanen, wie „Durch die Wüste“. Sogar das Kamelreiten lernte ich in Syrien.
Das heißt, über viele Jahre sind intensive Freundschaften in arabischen Regionen entstanden und daraus folgte ein tiefer Einblick in die Krisen und Nöte vor Ort. Als 2011 dem Arabischen Frühling an vielen Orten ein Blutbad folgte, war es für mich klar: Ich muss den Opfern helfen.
Ein Großteil der Projekte, die von Orienthelfer unterstützt werden, sind breit aufgestellte Bildungsprojekte, die sich beispielsweise an Kinder mit und ohne Behinderungen, Schülerinnen und Schüler und Studierende wenden. Was sind die Voraussetzungen, die ein Projekt erfüllen muss und wie wählen Sie Ihre Kooperationspartner vor Ort aus?
Der Bedarf an allem ist riesig, und es wird nicht weniger, sondern mehr Hilfe benötigt. Die Katastrophe, die Assad ausgelöst hat, ist die größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, das wird oft vergessen. Dazu kam dann noch das verheerende Erdbeben im Februar 2023. Alles in allem sind viele Scharlatane und Abzocker unterwegs. Da müssen wir genau prüfen, mit wem man langfristig zusammenarbeiten kann. Mein Orienthelfer e. V. ist dafür bekannt, dass wir keine Korruption unterstützen und jede Rechnung, die an uns geschickt wird, dreimal umdrehen. Das ist mühselig, aber letztlich kommt damit mehr bei den Bedürftigen an.
Einige Projekte von Orienthelfer finden im Libanon statt, damit befanden sich Ihre Projektpartner im direkten Umfeld der Auseinandersetzungen nach dem 7. Oktober 2023 zwischen der Hisbollah, Hamas und der israelischen Regierung – wie sieht die Unterstützung ihrer Organisation im Libanon derzeit aus?
Derzeit ist es eine große Herausforderung, alle bisherigen Projekte weiterzuführen. Dazu kommt noch die Flüchtlingsbewegung aus dem Süden des Landes. Mit den Fliehenden werden teilweise enorme Bargeldsummen geschmuggelt, ebenso Waffen, und natürlich Terroristen. Unsere Leute vor Ort sind auch Bedrohungen ausgesetzt. Aber es gibt auch Unzählige, die einfach arm, schutz- und wohnsitzlos sind, und denen helfen wir.
Auch der politische Diskurs in Deutschland hat sich seit dem 7. Oktober noch weiter polarisiert. Wie bewerten Sie als „Orienthelfer“ den zunehmenden Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus in Deutschland?
Die Propagandaabteilung der Hamas hat es geschafft, weltweit den Judenhass zu befeuern. Das ist grauenhaft. Gleichzeitig herrscht in den muslimischen Gemeinden Angst, sich öffentlich gegen die Hamas oder Hisbollah zu stellen. Parallel steigt die Anzahl der rassistischen Angriffe auf Muslime. Hier müssen unsere Zivilgesellschaft und die Politik schnellstens einschreiten, um das Ziel der Terroristen zu bekämpfen: Die Verbreitung von Angst und Chaos.
Die 15 Thesen mit dem Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“ bilden die Arbeitsgrundlage der Initiative kulturelle Integration und stellen den Konsens unserer Mitglieder dar. Was bedeutet für Sie „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen halten Sie für besonders wichtig?
Alle 15 Thesen sind unverzichtbare Säulen unserer freien Gesellschaft. Persönlich greife ich hier folgendes heraus: Debattenkultur statt Hate Speech, Geschlechtergerechtigkeit und die Tatsache, dass wir ein Einwanderungsland sind. Jetzt müssen ALLE ran.
Vielen Dank!