Berlin, den 12.02.2025. Gestern Abend fand in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Serpil Temiz Unvar, der Gründerin der „Bildungsinitiative Ferhat Unvar“, das Begegnungskonzert „Ohren auf für Hanau!“ im voll besetzten Krönungskutschensaal der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin statt.
Das Konzert war dem Gedenken an die neun Todesopfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020 gewidmet: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Sechs weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt. Um die Opfer des Anschlags nicht zu vergessen und ein deutliches Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung zu setzen, wurde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Initiative kulturelle Integration der bundesweite Aktionstag Hanau ins Leben gerufen. Den Auftakt bildete im Februar 2023 ein Schultheaterprojekt am Deutschen Theater Berlin unter dem Titel „HANAU – Schultheater für Zusammenhalt in Vielfalt“. Mit „Junge Kunst für Hanau“ folgte im vergangenen Jahr eine Kunstausstellung im Kulturforum der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Für den diesjährigen Aktionstag hatte die Initiative kulturelle Integration in Kooperation mit dem Bundesverband Musikunterricht e.V. (BMU) im April 2024 den Schulwettbewerb „Ohren auf für Hanau!“ ausgeschrieben. Deutschlandweit waren alle Musiklehrkräfte und ihre Schülerinnen und Schüler dazu eingeladen, sich zum Gedenken an das Attentat in Hanau mit einem musikalischen Beitrag zu den Themenbereichen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus oder anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beschäftigen. Die ausgewählten rund 100 Schülerinnen und Schüler aller Schulformen kamen bereits am Montag, den 10. Februar 2025 mit ihren Lehrkräften aus acht verschiedenen Bundesländern nach Berlin, um sich mit ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft auszutauschen. Den Höhepunkt ihres Aufenthaltes bis zum 12. Februar bildete das gestrige Begegnungskonzert, in dessen Rahmen neun von den Schülerinnen und Schülern selbstkomponierte und -inszenierte musikalische Live- und Video-Aufführungen zu sehen und zu hören waren.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Opfer des grausamen rechtsextremistischen Anschlags von Hanau vor nunmehr fünf Jahren sind unvergessen. Wir erinnern voller Trauer an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kalojan Velkov. Mein Mitgefühl und meine Solidarität gelten ihren Angehörigen, Freundinnen und Freunden. Dieses hasserfüllte Attentat erschüttert uns noch immer zutiefst. Mit dem Aktionstag Hanau setzen wir dieser menschenverachtenden Gewalttat die Kraft der Kunst und Kultur entgegen, um das gemeinsame Erinnern an die Opfer lebendig werden zu lassen. Und wir setzen damit ein Zeichen für eine wehrhafte Demokratie, in der die Würde eines jeden Menschen zu achten und zu schützen ist. Ich danke allen Schülerinnen und Schülern für ihre Kompositionen. Sie rufen uns dazu auf, dem Hass und der Ausgrenzung in unserer Gesellschaft entgegenzutreten, der Opfer zu gedenken und Haltung zu zeigen für ein friedliches Leben in Vielfalt und Zusammenhalt.“
Dr. Georg Biegholdt, Präsident des Bundesverbandes Musikunterricht: „Politische und musikalische Bildung ergänzen in den vorgestellten Projekten einander, ohne dass die eine Mittel zum Zweck der anderen wird. Dieser tiefe emotionale Zugang, den die musikalische Auseinandersetzung mit einem hochsensiblen Problem darstellt, ist einzigartig und kann möglicherweise viel mehr oder ganz anderes bewirken als viele wohlgeordnete Worte.”
Prof. Dr. Jürgen Oberschmidt, Präsident des Bundesverbandes Musikunterricht: „Im Musikunterricht geht es um die Ermöglichung von freiem ästhetisch-künstlerischen Denken und Handeln. Wo, wenn nicht hier, können sich Kinder und Jugendliche mit ihren eigenen Verzweiflungen und Hoffnungen auseinandersetzen. Sie tauschen sich aus, verständigen sich im gemeinsamen Musizieren, in ihrer selbst geschaffenen Musik. So finden sie in der ihren persönlichen Ausdruck zu politischem Handeln!“
Prof. Andrea Tober, Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin: „Das gemeinsame Erinnern ist ein wichtiger Teil von Gesellschaft und Kultur. Wir müssen Erinnerungen über die Grenzen der Generationen und über individuellen Erfahrungen hinaus lebendig halten und deren Relevanz heute erlebbar machen, denn das Bekenntnis zu ‚Nie wieder‘ ist jetzt gefragt. Leider müssen wir feststellen, dass das kollektive Gedächtnis und vermeintliche Gewissheiten labiler und flüchtiger sind, als wir es meinen. Menschenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus sind real. Darum freue ich mich sehr über dieses Begegnungskonzert, in dem hör- und sichtbar wird, wie sich die zahlreichen Schülerinnen und Schülern mit diesen Themen musikalisch kreativ auseinandergesetzt haben. Schon der Entstehungsprozess der einzelnen Projekte selbst ist, was diesen Wettbewerb so wertvoll macht und ich danke allen Beteiligten, die dies ermöglicht haben!“
Olaf Zimmermann, Sprecher der Initiative kulturelle Integration und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates: „Ob Theater, bildende Kunst oder – wie in diesem Jahr – Musik: Die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen von Schülerinnen und Schülern zeugen auf eindrucksvolle Weise von der Kreativität junger Menschen wie ihrem großen Engagement gegen Rassismus und jegliche Formen der Ausgrenzung. Dieses Engagement zu unterstützen und sichtbar zu machen – in Gedenken an die Opfer von Hanau und als wichtigen Beitrag für ein friedliches Miteinander in unserer zunehmend unter Druck stehenden pluralen Demokratie – das ist unser Anliegen. Die Schülerinnen und Schüler zeigten uns gestern Abend, wie es geht: Respekt!“