Meral Zieg­ler

Meral Zieg­ler ist Autorin, Mode­ra­to­rin und Kunst­wis­sen­schaft­le­rin. Sie schloss ihren B.A. der Lite­ra­tur-, Kunst- und Medi­en­wis­sen­schaft in Kon­stanz und Wien ab und been­det der­zeit ihren M.A. der Kunst­ver­mitt­lung und des Kul­tur­ma­nage­ments in Düs­sel­dorf. Zieg­ler schreibt u. a. für die Bühne, für TV-Sen­dun­gen und Spiel­filme sowie für sich selbst. Seit 2009 steht sie auf Spo­ken-Word-Büh­nen im gesam­ten deutsch­spra­chi­gen Raum. Zudem ist sie als Kunst­wis­sen­schaft­le­rin für unter­schied­li­che renom­mierte Insti­tu­tio­nen tätig.

Nach der Ver­öf­fent­li­chung der Jugend­buch-Nou­velle „Feier dich!“ stand sie 2022 mit ihrem zwei­ten Buch „CON TEXT“ auf der Short­list des NRW Lite­ra­tur För­der­prei­ses, erhielt die VG-Wort Autoren-Son­der­för­de­rung und zum drit­ten Mal das Sti­pen­dium für Kunst und Wis­sen­schaft des Lan­des Nordrhein-Westfalen.

Vie­len Dank, Meral Zieg­ler, für deine viel­sei­ti­ges künst­le­ri­sches Engagement!

Im Alter von 16 Jah­ren hat­test du dei­nen ers­ten Auf­tritt auf einer Poetry-Slam-Bühne. Die Spo­ken-Word-Per­for­mance war der Beginn dei­nes lite­ra­ri­schen Wer­de­gangs. Aktu­ell bist du dar­über hin­aus als Autorin, Redak­teu­rin und Kunst­wis­sen­schaft­le­rin tätig. Wie hast du dein Inter­esse für die Lite­ra­tur- und Kunst­welt entdeckt?
Ich war schon früh begeis­tert von jeder Art krea­ti­ver Beschäf­ti­gung. Sobald ich schrei­ben gelernt hatte, ver­kün­dete ich, dass ich spä­ter ein­mal Schrift­stel­le­rin wer­den möchte und beschrieb meine gesamte Kind­heit und Jugend in Tage­bü­chern. Dank mei­ner Eltern spiel­ten aber auch Tanz, Thea­ter, Kunst­aus­stel­lun­gen, Kon­zerte, Fes­ti­vals eine große Rolle wäh­rend mei­nes Auf­wach­sens. Außer­dem Rei­sen. Ich bin in Ber­lin gebo­ren, auf der Nord­see­insel Amrum, in Indien und Ham­burg auf­ge­wach­sen. Da ich Fami­lie in Deutsch­land, der Schweiz, Tür­kei und Saudi-Ara­bien habe, war das Pen­deln zwi­schen Spra­chen und Kul­tu­ren Nor­ma­li­tät für mich. Lite­ra­tur und Kunst hal­fen mir dabei, Per­spek­ti­ven und ihre Ursprünge zu begrei­fen. Künst­le­risch tätig sein, aber auch die Beschäf­ti­gung mit Kunst, war und ist immer noch Ven­til, Ent­span­nung und Lei­den­schaft für mich. Nach wie vor fällt es mir leich­ter, Dis­kurse, Sys­te­ma­ti­ken, aber auch das feine, manch­mal schwer zu fas­sende Zwi­schen­mensch­li­che durch eine künst­le­ri­sche Brille wahr­zu­neh­men und bes­ser zu verstehen.

„Lite­ra­tur und Kunst hal­fen mir dabei, Per­spek­ti­ven und ihre Ursprünge zu begreifen.“

Wel­che The­men greifst du in dei­ner Tätig­keit als Autorin und Redak­teu­rin auf? Was dient dir als Inspiration?
Aktu­ell setzte ich mich viel mit dem däni­schen Dich­ter Yahya Hassan aus­ein­an­der, schreibe von ihm und sei­nem Lebens­weg inspi­rierte Gedichte. Die Per­son Hassan ist für mich hoch­in­ter­es­sant, da sein Auf­wach­sen und sein Habi­tus ver­meint­lich in star­rem Kon­trast zum Milieu stand, in dem er sich beruf­lich bewegte – der Lite­ra­tur­welt. Sein Leben vol­ler Wider­sprü­che, Schmerz und Erfolg ist exem­pla­risch für die Fall­stel­len des Sys­tems, in dem wir uns alle ver­su­chen zurecht zu fin­den und das eben nicht alle Lebens­rea­li­tä­ten inklu­diert. Sozia­li­sa­tion und finan­zi­elle Ungleich­heit, Klas­sen­un­ter­schiede und Her­kunft divi­die­ren uns, wes­halb ich mich mit den dar­aus resul­tie­ren­den Miss­stän­den, aber auch Poten­zia­len beschäf­tige. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit künst­le­ri­schen und links-poli­ti­schen Dis­kur­sen spielt für mich eine große Rolle.

Dein Buch „CON TEXT“ (2021), wel­ches im ver­gan­ge­nen Jahr auf der Short­list des NRW Lite­ra­tur Förder­prei­ses stand, ist ein Kon­glo­me­rat aus ver­schie­de­nen Text­frag­men­ten und Sprach­in­stal­la­tio­nen. Wel­che Rolle kann dei­ner Mei­nung nach die gespro­chene und geschrie­bene Spra­che für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt spielen?
Spra­che ist nicht sta­tisch, son­dern fle­xi­bel und formt sich unter­schied­lich je nach Klasse, Her­kunft, Sozia­li­sa­tion und Kon­text. So kann sie Akti­ons­raum sein, indem sie Zusam­men­hänge und Wahr­hei­ten ver­ständ­lich macht, aber eben auch exkludieren.

„Spra­che offen­bart, ist eben ein Spie­gel unse­rer Umwelt.“

Mein Buch „CON TEXT“ the­ma­ti­siert in und zwi­schen den Zei­len all das, aber auch das fluide Moment von gespro­che­ner Spra­che, die noch viel mehr Kom­po­nen­ten hat, wie Mimik, Beto­nung, Dauer. Mit „CON TEXT“ habe ich mir den Luxus gegönnt, mich mit mei­nem eige­nen Spre­chen und Schrei­ben aus­ein­an­der­zu­set­zen, um deut­lich zu machen: Es geht eben nicht bloß, um das „Was gesagt wird“, son­dern auch um das „Wie“ und „Warum“ und „Wer wird eigent­lich adressiert“.
Lite­ra­tur weist nicht bloß auf Inhalte hin, oder formt Aus­sa­gen und Argu­mente, son­dern stellt auch Zeit­geist, Stil und Ent­wick­lungs­stand dar. Spra­che offen­bart, ist eben ein Spie­gel unse­rer Umwelt.

„Die Mög­lich­kei­ten künst­le­ri­schen Aus­drucks sind unend­lich viel­fäl­tig – wie wich­tig für unser Zusammenleben!“

Die 15 The­sen der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion tra­gen den Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt. Was bedeu­tet für dich „Zusam­men­halt in Viel­falt“ und wel­che der 15 The­sen ist deine „Lieb­lings­these?
Das wir „Zusam­men­halt in Viel­falt“ leben, ist Fakt und dem­nach wün­sche ich mir als Basis glo­bale Aner­ken­nung für diese Wahr­heit. Ich habe zwei Lieb­lings­the­sen: die These 11 „Bil­dung schafft den Zugang zur Gesell­schaft“ und die These 5 „Die Kunst ist frei“. Frei zugäng­li­che Lehre ist ein Grund­pfei­ler für die Mög­lich­keit zur selbst­er­mäch­tig­ten Mei­nungs­bil­dung und dem­nach essen­ti­ell, um gesell­schaft­li­ches Mit­ein­an­der mit­zu­ge­stal­ten. Die Mög­lich­keit einer künst­le­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung nehme ich dem­nach als Pri­vi­leg wahr. Kunst muss in ers­ter Linie gar nichts und kann dadurch unge­wohnt, außer­ge­wöhn­lich und über­ra­schend sein, ist emo­tio­nal, komisch oder lehr­reich. Die Mög­lich­kei­ten künst­le­ri­schen Aus­drucks sind unend­lich viel­fäl­tig – wie wich­tig für unser Zusammenleben!

Vie­len Dank!

Von |2023-05-03T12:18:26+02:00März 1st, 2023|Menschen|Kommentare deaktiviert für Meral Zieg­ler