Kul­tu­relle Teil­habe durch inno­va­tive Preis­kon­zepte steigern

For­schungs­pro­jekt an der Uni­ver­si­tät Paderborn

Kul­tu­relle Teil­habe ist die zen­trale poli­ti­sche Wäh­rung unse­rer Zeit, einer Zeit, in der sich immer grö­ßere Grup­pen von Men­schen öko­no­misch, sozial und kul­tu­rell „abge­hängt“ füh­len, Popu­lis­men zuneh­mend das poli­ti­sche Gesche­hen prä­gen und mit Ängs­ten Poli­tik gemacht wird. Pierre Rosan­vallons Pro­jekt „Das Par­la­ment der Unsicht­ba­ren“, das inter­kul­tu­relle, inter­re­li­giöse und inter­dis­zi­pli­näre Musik­pro­jekt „TRIMUM“ des Kom­po­nis­ten Bern­hard König und viele wei­tere Initia­ti­ven und Pro­jekte, sie alle ver­fol­gen mit unter­schied­li­chen For­ma­ten das Ziel, kul­tu­relle Teil­habe zu för­dern. Denn ein leben­di­ges, freies und viel­fäl­ti­ges Kunst- und Kul­tur­le­ben sowie die unein­ge­schränkte kul­tu­relle Teil­habe aller Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sind kon­sti­tu­tiv für ein gelun­ge­nes gesell­schaft­li­ches Zusam­men­le­ben. Mehr noch, kul­tu­relle Teil­habe ist ein Men­schen­recht und zielt als kul­tur- und gesell­schafts­po­li­ti­sches Anlie­gen auf die Par­ti­zi­pa­tion an kos­ten­pflich­ti­gen und kos­ten­lo­sen, for­mel­len und infor­mel­len kul­tu­rel­len Ange­bo­ten. So heißt es in Arti­kel 27 der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rechte: „Jeder Mensch hat das Recht, am kul­tu­rel­len Leben der Gemein­schaft frei teil­zu­neh­men, sich an den Küns­ten zu erfreuen und am wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritt und des­sen Errun­gen­schaf­ten teilzuhaben.“

Dass den­noch nicht alle Men­schen in vol­lem Umfang am kul­tu­rel­len Leben teil­neh­men kön­nen, kann unter­schied­li­che Gründe haben. Unter­su­chun­gen zei­gen, dass, neben man­geln­dem Inter­esse, man­geln­der Mobi­li­tät oder feh­len­der Zeit, ein zu hoher Ticket­preis ein zen­tra­les Hemm­nis dar­stellt. In Abhän­gig­keit vom jewei­li­gen kul­tu­rel­len Ange­bot adres­sie­ren Maß­nah­men zur Stei­ge­rung der kul­tu­rel­len Teil­habe daher direkt oder indi­rekt diese Ein­fluss­größe. Preis­kon­zep­ten kommt dabei inso­fern eine beson­dere Bedeu­tung zu, da sie als wich­tigs­tes absatz­po­li­ti­sches Instru­ment von Kul­tur­be­trie­ben unmit­tel­bar kul­tu­relle Teil­habe beein­flus­sen können.

Genau die­sem Zusam­men­hang wid­met sich ein vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Bil­dung und For­schung geför­der­tes, trans­dis­zi­pli­nä­res For­schungs­pro­jekt an der Uni­ver­si­tät Pader­born. Seit Novem­ber 2019 erfor­schen Nancy Wün­der­lich, Pro­fes­so­rin für Dienst­leis­tungs­ma­nage­ment und Tech­no­lo­gie­mar­ke­ting, Beate Flath, Juni­or­pro­fes­so­rin für Event­ma­nage­ment, und Den­nis Kun­disch, Pro­fes­sor für Wirt­schafts­in­for­ma­tik, gemein­sam mit Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern den Ein­fluss von inno­va­ti­ven und öko­no­misch nach­hal­ti­gen Preis­kon­zep­ten auf die kul­tu­relle Teil­habe. Neben dem Cari­tas­ver­band Pader­born sind Kul­tur­be­triebe im Kreis Pader­born mit unter­schied­li­chem recht­li­chen Sta­tus, unter­schied­li­cher Größe sowie unter­schied­li­chem Ange­bot Koope­ra­ti­ons­part­ner des Pro­jek­tes. Dazu gehö­ren das Thea­ter Pader­born – West­fä­li­sche Kam­mer­spiele, das Kino Pol­lux by Cine­plex, das Heinz Nix­dorf Muse­ums­Fo­rum, der Musik­club Wohl­sein sowie das Kul­tur­amt der Stadt Pader­born und der Kreis Paderborn.

Der Fokus des For­schungs­pro­jek­tes liegt dabei auf der Stei­ge­rung kul­tu­rel­ler Teil­habe von soge­nann­ten „ver­letz­li­chen Ver­brau­chern“ bzw. „ver­letz­li­chen Ver­brau­che­rin­nen“, also Men­schen mit gerin­gem öko­no­mi­schen, sozia­len, kul­tu­rel­len und sym­bo­li­schen Kapi­tal, die nicht oder nur in einem sehr gerin­gen Aus­maß am kul­tu­rel­len Leben teil­neh­men kön­nen. Obwohl Kul­tur­be­triebe über eine ent­spre­chende Preis­po­li­tik, wie bei­spiels­weise Rabat­tie­run­gen, ihrem kul­tur­po­li­ti­schen Auf­trag nach­kom­men, zeigt sich, dass dies nicht immer die kul­tu­relle Teil­habe stei­gert. „Gründe dafür sind bei­spiels­weise die trotz Rabat­tie­rung als zu hoch emp­fun­de­nen Preise, eine man­gelnde Mit­ein­be­zie­hung der Adres­sa­ten und Adres­sa­tin­nen in die Preis­ge­stal­tung oder die Stig­ma­ti­sie­rung der sozial Benach­tei­lig­ten im Bezahl­pro­zess“, so Pro­jekt­lei­te­rin Nancy Wünderlich.

Vor die­sem Hin­ter­grund wer­den in der ers­ten Phase des Pro­jek­tes über Inter­views mit ver­letz­li­chen Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­chern sowie mit Ver­ant­wort­li­chen der koope­rie­ren­den Kul­tur­be­triebe preis­be­zo­gene Hemm­nisse kul­tu­rel­ler Teil­habe sowie die Ein­stel­lung zu bzw. die Akzep­tanz von unter ande­rem par­ti­zi­pa­ti­ven Preis­mo­del­len, Spen­den oder kos­ten­los zur Ver­fü­gung gestell­ten Tickets erho­ben und Para­me­ter ihrer mög­li­chen Umset­zung erar­bei­tet. Gemein­sam mit Daten zur Spen­den­be­reit­schaft sowie Par­ti­zi­pa­ti­ons­be­reit­schaft von Per­so­nen, die nicht zur Gruppe der ver­letz­li­chen Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher gehö­ren, sind diese Ergeb­nisse Aus­gangs­punkt für die Erar­bei­tung von Preis­kon­zep­ten. Dabei ist das pri­märe Kri­te­rium, dass diese sowohl die kul­tu­relle Teil­habe erhö­hen als auch für Kul­tur­be­triebe wirt­schaft­lich umsetz­bar sein sol­len. Die Eva­lu­ie­rung und Adap­tie­rung die­ser Preis­kon­zepte im lau­fen­den Betrieb erfolgt in einer 21-mona­ti­gen Pilo­tie­rungs­phase. So wer­den die Preis­kon­zepte gemein­sam mit kul­tur­wirt­schaft­li­chen und kul­tur­po­li­ti­schen Insti­tu­tio­nen sowie mit den unter­schied­li­chen Grup­pen der Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen entwickelt.

Ziel des Pro­jek­tes ist es, die Ergeb­nisse auch für nicht am Pro­jekt teil­neh­mende Kul­tur­be­triebe zugäng­lich zu machen und sie ent­spre­chend auf­be­rei­tet im Rah­men von deutsch­land­wei­ten Work­shops sowie auf einer inter­ak­ti­ven Web­site zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die­ses For­schungs­pro­jekt soll nicht nur dazu bei­tra­gen, dass mehr Men­schen am kul­tu­rel­len Leben teil­ha­ben kön­nen, son­dern auch, dass Ergeb­nisse wis­sen­schaft­li­cher For­schung dem gesell­schaft­li­chen Mit­ein­an­der zugutekommen.

Wei­tere Infor­ma­tio­nen zum Pro­jekt „kul­tur­Preis. Stei­ge­rung der kul­tu­rel­len Teil­habe mit­tels inno­va­ti­ver und öko­no­misch nach­hal­ti­ger Preis­kon­zepte“ unter blogs.uni-paderborn.de/kulturpreis/

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 05/2020.

Von |2020-05-05T17:37:23+02:00Mai 5th, 2020|Bürgerschaftliches Engagement, Einwanderungsgesellschaft|Kommentare deaktiviert für

Kul­tu­relle Teil­habe durch inno­va­tive Preis­kon­zepte steigern

For­schungs­pro­jekt an der Uni­ver­si­tät Paderborn

Beate Flath ist Juniorprofessorin für Eventmanagement mit den Schwerpunkten Populäre Musik, Medien und Sport am Fach Musik der Universität Paderborn.