Beate Flath 5. Mai 2020 Logo_Initiative_print.png

Kul­tu­relle Teil­habe durch inno­va­tive Preis­kon­zepte steigern

For­schungs­pro­jekt an der Uni­ver­si­tät Paderborn

Kulturelle Teilhabe ist die zentrale politische Währung unserer Zeit, einer Zeit, in der sich immer größere Gruppen von Menschen ökonomisch, sozial und kulturell „abgehängt“ fühlen, Populismen zunehmend das politische Geschehen prägen und mit Ängsten Politik gemacht wird. Pierre Rosanvallons Projekt „Das Parlament der Unsichtbaren“, das interkulturelle, interreligiöse und interdisziplinäre Musikprojekt „TRIMUM“ des Komponisten Bernhard König und viele weitere Initiativen und Projekte, sie alle verfolgen mit unterschiedlichen Formaten das Ziel, kulturelle Teilhabe zu fördern. Denn ein lebendiges, freies und vielfältiges Kunst- und Kulturleben sowie die uneingeschränkte kulturelle Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger sind konstitutiv für ein gelungenes gesellschaftliches Zusammenleben. Mehr noch, kulturelle Teilhabe ist ein Menschenrecht und zielt als kultur- und gesellschaftspolitisches Anliegen auf die Partizipation an kostenpflichtigen und kostenlosen, formellen und informellen kulturellen Angeboten. So heißt es in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.“

Dass dennoch nicht alle Menschen in vollem Umfang am kulturellen Leben teilnehmen können, kann unterschiedliche Gründe haben. Untersuchungen zeigen, dass, neben mangelndem Interesse, mangelnder Mobilität oder fehlender Zeit, ein zu hoher Ticketpreis ein zentrales Hemmnis darstellt. In Abhängigkeit vom jeweiligen kulturellen Angebot adressieren Maßnahmen zur Steigerung der kulturellen Teilhabe daher direkt oder indirekt diese Einflussgröße. Preiskonzepten kommt dabei insofern eine besondere Bedeutung zu, da sie als wichtigstes absatzpolitisches Instrument von Kulturbetrieben unmittelbar kulturelle Teilhabe beeinflussen können.

Genau diesem Zusammenhang widmet sich ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes, transdisziplinäres Forschungsprojekt an der Universität Paderborn. Seit November 2019 erforschen Nancy Wünderlich, Professorin für Dienstleistungsmanagement und Technologiemarketing, Beate Flath, Juniorprofessorin für Eventmanagement, und Dennis Kundisch, Professor für Wirtschaftsinformatik, gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Einfluss von innovativen und ökonomisch nachhaltigen Preiskonzepten auf die kulturelle Teilhabe. Neben dem Caritasverband Paderborn sind Kulturbetriebe im Kreis Paderborn mit unterschiedlichem rechtlichen Status, unterschiedlicher Größe sowie unterschiedlichem Angebot Kooperationspartner des Projektes. Dazu gehören das Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele, das Kino Pollux by Cineplex, das Heinz Nixdorf MuseumsForum, der Musikclub Wohlsein sowie das Kulturamt der Stadt Paderborn und der Kreis Paderborn.

Der Fokus des Forschungsprojektes liegt dabei auf der Steigerung kultureller Teilhabe von sogenannten „verletzlichen Verbrauchern“ bzw. „verletzlichen Verbraucherinnen“, also Menschen mit geringem ökonomischen, sozialen, kulturellen und symbolischen Kapital, die nicht oder nur in einem sehr geringen Ausmaß am kulturellen Leben teilnehmen können. Obwohl Kulturbetriebe über eine entsprechende Preispolitik, wie beispielsweise Rabattierungen, ihrem kulturpolitischen Auftrag nachkommen, zeigt sich, dass dies nicht immer die kulturelle Teilhabe steigert. „Gründe dafür sind beispielsweise die trotz Rabattierung als zu hoch empfundenen Preise, eine mangelnde Miteinbeziehung der Adressaten und Adressatinnen in die Preisgestaltung oder die Stigmatisierung der sozial Benachteiligten im Bezahlprozess“, so Projektleiterin Nancy Wünderlich.

Vor diesem Hintergrund werden in der ersten Phase des Projektes über Interviews mit verletzlichen Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie mit Verantwortlichen der kooperierenden Kulturbetriebe preisbezogene Hemmnisse kultureller Teilhabe sowie die Einstellung zu bzw. die Akzeptanz von unter anderem partizipativen Preismodellen, Spenden oder kostenlos zur Verfügung gestellten Tickets erhoben und Parameter ihrer möglichen Umsetzung erarbeitet. Gemeinsam mit Daten zur Spendenbereitschaft sowie Partizipationsbereitschaft von Personen, die nicht zur Gruppe der verletzlichen Verbraucherinnen und Verbraucher gehören, sind diese Ergebnisse Ausgangspunkt für die Erarbeitung von Preiskonzepten. Dabei ist das primäre Kriterium, dass diese sowohl die kulturelle Teilhabe erhöhen als auch für Kulturbetriebe wirtschaftlich umsetzbar sein sollen. Die Evaluierung und Adaptierung dieser Preiskonzepte im laufenden Betrieb erfolgt in einer 21-monatigen Pilotierungsphase. So werden die Preiskonzepte gemeinsam mit kulturwirtschaftlichen und kulturpolitischen Institutionen sowie mit den unterschiedlichen Gruppen der Verbraucherinnen und Verbraucher unter kontrollierten Bedingungen entwickelt.

Ziel des Projektes ist es, die Ergebnisse auch für nicht am Projekt teilnehmende Kulturbetriebe zugänglich zu machen und sie entsprechend aufbereitet im Rahmen von deutschlandweiten Workshops sowie auf einer interaktiven Website zur Verfügung zu stellen. Dieses Forschungsprojekt soll nicht nur dazu beitragen, dass mehr Menschen am kulturellen Leben teilhaben können, sondern auch, dass Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung dem gesellschaftlichen Miteinander zugutekommen.

Weitere Informationen zum Projekt „kulturPreis. Steigerung der kulturellen Teilhabe mittels innovativer und ökonomisch nachhaltiger Preiskonzepte“ unter blogs.uni-paderborn.de/kulturpreis/

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2020.

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