Ein leben­di­ger Teil der Gesellschaft

Inte­gra­tion in deut­schen Landkreisen

Inte­gra­tion fin­det vor Ort statt. So selbst­ver­ständ­lich sich diese Aus­sage anhört, so rich­tig ist sie: Die Flücht­linge leben in den Land­krei­sen, Städ­ten und Gemein­den, hier sind die Sprach­kurse sicher­zu­stel­len, ist für Woh­nun­gen zu sor­gen und die Her­an­füh­rung an den Arbeits­markt zu beför­dern. Doch Inte­gra­tion umfasst mehr als das Erler­nen der deut­schen Spra­che und die Aus­übung einer regel­mä­ßi­gen Arbeit. Inte­gra­tion als kul­tu­relle Inte­gration bedeu­tet, dass sich die Men­schen dem Land, in dem sie leben, zuge­hö­rig füh­len. Sie müs­sen die Werte, für die das Land steht, leben wol­len, sich für diese Gesell­schaft selbst ver­ant­wort­lich füh­len, leben­di­ger Teil der Gesell­schaft sein wol­len. Das setzt die Kennt­nis der für das Leben in Deutsch­land maß­geb­li­chen Werte vor­aus. Diese Werte haben im Grund­ge­setz ihren für alle ver­bind­li­chen Aus­druck gefun­den, erge­ben sich aber auch aus ande­ren Quel­len, ins­be­son­dere den beson­de­ren his­to­ri­schen Erfah­run­gen Deutsch­lands und sei­ner christ­lich gepräg­ten Tra­di­tion. Ebenso wich­tig ist der regel­mä­ßige Kon­takt zu Ein­hei­mi­schen, aber auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit der eige­nen Welt­an­schau­ung, der eige­nen Reli­gion und den eige­nen Werten.

Die Land­kreise haben die Rele­vanz die­ses The­mas längst erkannt und wer­den hier­mit täg­lich kon­fron­tiert. Sie wis­sen, dass die kul­tu­relle Inte­gra­tion nicht von den Ver­wal­tun­gen allein zu leis­ten sein wird. Sie wis­sen, dass es
Zeit und Geduld, Ver­ständ­nis und rea­lis­ti­scher Erwar­tun­gen bedarf. Vor die­sem Hin­ter­grund sind bereits viele unter­schied­li­che Maß­nah­men ergrif­fen und Pro­jekte ange­sto­ßen wor­den, um Inte­gra­tion auch im Zusam­men­le­ben der Men­schen vor­an­zu­brin­gen. Dabei wird immer wie­der deut­lich, dass kul­tu­relle Inte­gra­tion ins­be­son­dere in länd­li­chen Räu­men gelin­gen kann. Denn hier sind seit Lan­gem Struk­tu­ren gewach­sen, die ein enges Mit­ein­an­der der Men­schen för­dern. So ist das Zusam­men­le­ben in länd­li­chen Räu­men häu­fig geprägt durch ein enges sozia­les Netz. Dies zeigt sich nicht nur, aber doch in einem beson­de­ren Maße in der meist star­ken Ver­eins­struk­tur. Flücht­linge in diese zu inte­grie­ren und somit eine kul­tu­relle Inte­gra­tion zu för­dern, die auf regel­mä­ßi­gen Kon­tak­ten und gemein­sa­men Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten grün­det, ist ein Ziel, das in vie­len Land­krei­sen, wie bei­spiels­weise im Land­kreis Dahme-Spree­wald in Bran­den­burg, ver­folgt wird. Hier über­nimmt der Kreis­sport­bund eine Ver­mitt­ler­rolle zwi­schen den Geflüch­te­ten und den Sport­ver­ei­nen und bie­tet gemein­sam mit den Ver­ei­nen eine Viel­zahl von Akti­vi­tä­ten an, die sich von der Inte­gra­tion von Flücht­lin­gen in die bestehen­den Trai­nings­grup­pen über die Erstel­lung von gemisch­ten Mann­schaf­ten bis hin zu gemein­sa­men Aus­flü­gen erstreckt und so eine kul­tu­relle Inte­gra­tion maß­geb­lich för­dert. Neben den Sport­ver­ei­nen gestal­ten auch die Musik­schu­len das kul­tu­relle Leben in den Land­krei­sen in wei­ten Tei­len mit. Viele Kreis­mu­sik­schu­len haben Pro­jekte initi­iert, um Kin­der und Erwach­sene mit Flucht­er­fah­rung durch das gemein­same Musi­zie­ren in die Gemein­schaft zu inte­grie­ren. Denn ebenso wie Sport hat Musik den Vor­teil, dass eine Teil­nahme auch mit gerin­gen Sprach­kennt­nis­sen mög­lich ist. So bie­tet die Musik­schule im Land­kreis Pas­sau in Bay­ern für Flücht­lings­kin­der die kos­ten­lose Teil­nahme an einem deutsch-syri­schen Kin­der­chor an. Zudem koope­riert sie mit Kin­der­gär­ten und Grund­schu­len im Land­kreis, um allen Kin­dern eine musi­ka­li­sche Grund­aus­bil­dung zu ermöglichen.

Die Land­kreise haben sich den He­rausforderungen im Zusam­men­hang mit der Auf­nahme, Ver­sor­gung und Inte­gra­tion der Flücht­linge in den ver­gan­ge­nen Mona­ten mit außer­or­dent­li­chem Ein­satz gestellt und stel­len sich ihnen auch wei­ter­hin. Neben die­sen prak­ti­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Auf­ga­ben darf aber auch die Frage nach dem gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt nicht in den Hin­ter­grund rücken. Denn ebenso wie die häu­fig engen gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren in länd­li­chen Räu­men die Inte­gra­tion beför­dern kön­nen, kön­nen sie sie unter Umstän­den auch erschwe­ren. Zuge­zo­gene – egal wel­cher Natio­na­li­tät – fällt es häu­fig nicht leicht, sofort einen Zugang zu einer sozia­len Gruppe zu fin­den, deren Mit­glie­der durch ein star­kes Gefühl der Zusam­men­ge­hö­rig­keit eng mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Ein ste­ti­ger, direk­ter und offe­ner Dia­log zwi­schen Poli­tik, Ver­wal­tung und Bevöl­ke­rung ist des­we­gen unab­ding­bar. Zudem soll­ten posi­tive Signale der Poli­tik, Wirt­schaft und Zivil­ge­sell­schaft zuguns­ten einer kul­tu­rel­len Inte­gra­tion gesen­det wer­den, um einer frem­den­feind­li­chen und popu­lis­ti­schen Stim­mung ent­ge­gen­zu­wir­ken. Der Land­rat des Krei­ses Sie­gen-Witt­gen­stein in Nord­rhein-West­fa­len hat des­we­gen gemein­sam mit elf wei­te­ren Per­sön­lich­kei­ten aus den Berei­chen Poli­tik, Wirt­schaft, Kul­tur und Wohl­fahrt die Initia­tive „Viel­falt und Zusam­men­halt für Sie­gen-Witt­gen­stein“ ins Leben geru­fen, um den gesell­schaft­li­chen Dis­kurs über kul­tu­relle Viel­falt und ein sozia­les Mit­ein­an­der anzu­sto­ßen und auf­recht zu hal­ten. Ziel ist es, sich gemein­sam für Welt­of­fen­heit, Soli­da­ri­tät, Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit zu engagieren.

Es ist aller­dings neben allen staat­li­chen bzw. kom­mu­na­len Pro­jek­ten und Maß­nah­men unab­ding­bar, dass sich auch die Flücht­linge selbst enga­gie­ren und ihre Bereit­schaft zum Mit­tun und Ankom­men zei­gen. Diese Bereit­schaft erwar­ten wir, auch wenn sie teils mit gro­ßen Anstren­gun­gen ver­bun­den ist. Denn nur durch Anstren­gun­gen und Offen­heit aller Betei­lig­ten kann kul­tu­relle Inte­gra­tion gelin­gen und gesell­schaft­li­cher Zusam­men­halt entstehen.

Viele wei­tere gute Bei­spiele fin­den Sie in der aktu­el­len Publi­ka­tion des Deut­schen Land­kreis­ta­ges „Inte­gra­tion von Flücht­lin­gen in länd­li­chen Räu­men – Stra­te­gi­sche Leit­li­nien und Best Prac­ti­ces“. Kos­ten­los her­un­ter­zu­la­den unter: http://bit.ly/2jGmBzy

Von |2019-06-11T09:17:51+02:00März 22nd, 2017|Einwanderungsgesellschaft|Kommentare deaktiviert für

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Inte­gra­tion in deut­schen Landkreisen

Reinhard Sager ist Landrat des Kreises Ostholstein und Präsident des Deutschen Landkreistages.