Reinhard Sager 22. März 2017 Logo_Initiative_print.png

Ein leben­di­ger Teil der Gesellschaft

Inte­gra­tion in deut­schen Landkreisen

Integration findet vor Ort statt. So selbstverständlich sich diese Aussage anhört, so richtig ist sie: Die Flüchtlinge leben in den Landkreisen, Städten und Gemeinden, hier sind die Sprachkurse sicherzustellen, ist für Wohnungen zu sorgen und die Heranführung an den Arbeitsmarkt zu befördern. Doch Integration umfasst mehr als das Erlernen der deutschen Sprache und die Ausübung einer regelmäßigen Arbeit. Integration als kulturelle Inte­gration bedeutet, dass sich die Menschen dem Land, in dem sie leben, zugehörig fühlen. Sie müssen die Werte, für die das Land steht, leben wollen, sich für diese Gesellschaft selbst verantwortlich fühlen, lebendiger Teil der Gesellschaft sein wollen. Das setzt die Kenntnis der für das Leben in Deutschland maßgeblichen Werte voraus. Diese Werte haben im Grundgesetz ihren für alle verbindlichen Ausdruck gefunden, ergeben sich aber auch aus anderen Quellen, insbesondere den besonderen historischen Erfahrungen Deutschlands und seiner christlich geprägten Tradition. Ebenso wichtig ist der regelmäßige Kontakt zu Einheimischen, aber auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Weltanschauung, der eigenen Religion und den eigenen Werten.

Die Landkreise haben die Relevanz dieses Themas längst erkannt und werden hiermit täglich konfrontiert. Sie wissen, dass die kulturelle Integration nicht von den Verwaltungen allein zu leisten sein wird. Sie wissen, dass es
Zeit und Geduld, Verständnis und realistischer Erwartungen bedarf. Vor diesem Hintergrund sind bereits viele unterschiedliche Maßnahmen ergriffen und Projekte angestoßen worden, um Integration auch im Zusammenleben der Menschen voranzubringen. Dabei wird immer wieder deutlich, dass kulturelle Integration insbesondere in ländlichen Räumen gelingen kann. Denn hier sind seit Langem Strukturen gewachsen, die ein enges Miteinander der Menschen fördern. So ist das Zusammenleben in ländlichen Räumen häufig geprägt durch ein enges soziales Netz. Dies zeigt sich nicht nur, aber doch in einem besonderen Maße in der meist starken Vereinsstruktur. Flüchtlinge in diese zu integrieren und somit eine kulturelle Integration zu fördern, die auf regelmäßigen Kontakten und gemeinsamen Freizeitaktivitäten gründet, ist ein Ziel, das in vielen Landkreisen, wie beispielsweise im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg, verfolgt wird. Hier übernimmt der Kreissportbund eine Vermittlerrolle zwischen den Geflüchteten und den Sportvereinen und bietet gemeinsam mit den Vereinen eine Vielzahl von Aktivitäten an, die sich von der Integration von Flüchtlingen in die bestehenden Trainingsgruppen über die Erstellung von gemischten Mannschaften bis hin zu gemeinsamen Ausflügen erstreckt und so eine kulturelle Integration maßgeblich fördert. Neben den Sportvereinen gestalten auch die Musikschulen das kulturelle Leben in den Landkreisen in weiten Teilen mit. Viele Kreismusikschulen haben Projekte initiiert, um Kinder und Erwachsene mit Fluchterfahrung durch das gemeinsame Musizieren in die Gemeinschaft zu integrieren. Denn ebenso wie Sport hat Musik den Vorteil, dass eine Teilnahme auch mit geringen Sprachkenntnissen möglich ist. So bietet die Musikschule im Landkreis Passau in Bayern für Flüchtlingskinder die kostenlose Teilnahme an einem deutsch-syrischen Kinderchor an. Zudem kooperiert sie mit Kindergärten und Grundschulen im Landkreis, um allen Kindern eine musikalische Grundausbildung zu ermöglichen.

Die Landkreise haben sich den He­rausforderungen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Versorgung und Integration der Flüchtlinge in den vergangenen Monaten mit außerordentlichem Einsatz gestellt und stellen sich ihnen auch weiterhin. Neben diesen praktischen und organisatorischen Aufgaben darf aber auch die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht in den Hintergrund rücken. Denn ebenso wie die häufig engen gesellschaftlichen Strukturen in ländlichen Räumen die Integration befördern können, können sie sie unter Umständen auch erschweren. Zugezogene – egal welcher Nationalität – fällt es häufig nicht leicht, sofort einen Zugang zu einer sozialen Gruppe zu finden, deren Mitglieder durch ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit eng miteinander verbunden sind. Ein stetiger, direkter und offener Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bevölkerung ist deswegen unabdingbar. Zudem sollten positive Signale der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zugunsten einer kulturellen Integration gesendet werden, um einer fremdenfeindlichen und populistischen Stimmung entgegenzuwirken. Der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen hat deswegen gemeinsam mit elf weiteren Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Wohlfahrt die Initiative „Vielfalt und Zusammenhalt für Siegen-Wittgenstein“ ins Leben gerufen, um den gesellschaftlichen Diskurs über kulturelle Vielfalt und ein soziales Miteinander anzustoßen und aufrecht zu halten. Ziel ist es, sich gemeinsam für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu engagieren.

Es ist allerdings neben allen staatlichen bzw. kommunalen Projekten und Maßnahmen unabdingbar, dass sich auch die Flüchtlinge selbst engagieren und ihre Bereitschaft zum Mittun und Ankommen zeigen. Diese Bereitschaft erwarten wir, auch wenn sie teils mit großen Anstrengungen verbunden ist. Denn nur durch Anstrengungen und Offenheit aller Beteiligten kann kulturelle Integration gelingen und gesellschaftlicher Zusammenhalt entstehen.

Viele weitere gute Beispiele finden Sie in der aktuellen Publikation des Deutschen Landkreistages „Integration von Flüchtlingen in ländlichen Räumen – Strategische Leitlinien und Best Practices“. Kostenlos herunterzuladen unter: http://bit.ly/2jGmBzy

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