Wolf­gang Benz: Zukunft der Erin­ne­rung. Das deut­sche Erbe und die kom­mende Generation

Wolf­gang Benz legt mit „Zukunft der Erin­ne­rung“ eine kluge und enga­gierte Ana­lyse der deut­schen Erin­ne­rungs­kul­tur vor. Der renom­mierte His­to­ri­ker und lang­jäh­rige Lei­ter des Zen­trums für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung geht der Frage nach, wie Deutsch­land mit sei­nem his­to­ri­schen Erbe in Gegen­wart und Zukunft umge­hen sollte – ohne in bloße Rou­tine zu ver­fal­len oder das Geden­ken erstar­ren zu lassen.

In kla­rer, sach­li­cher Spra­che zeich­net Benz die Ent­wick­lung des Erin­nerns an die NS-Zeit und den Holo­caust nach. Er zeigt, wie sich For­men und Inhalte über die Jahr­zehnte gewan­delt haben – vom Schwei­gen der Nach­kriegs­zeit bis hin zu einer heute bei­nahe ritua­li­sier­ten und insti­tu­tio­nell abge­si­cher­ten Gedenk­kul­tur. Gerade diese Insti­tu­tio­na­li­sie­rung betrach­tet er mit Skep­sis: Wenn Erin­ne­rung zur Pflicht­übung wird, droht sie an Tiefe und Wir­kung zu verlieren.

Beson­ders über­zeu­gend sind Benz’ Über­le­gun­gen zur Rolle der jun­gen Gene­ra­tion. Im Zen­trum steht dabei seine zen­trale Frage: Wie inter­es­siert man junge Men­schen für die Geschichte des Natio­nal­so­zia­lis­mus? Seine Ant­wort ist kein Ruf nach mora­li­scher Über­wäl­ti­gung, son­dern ein Plä­doyer für fun­dierte, auf­ge­klärte Aus­ein­an­der­set­zung: Wis­sen statt Schuld­zu­wei­sung, Auf­klä­rung statt Betrof­fen­heits­rhe­to­rik. Erin­ne­rung müsse nicht nur bewah­ren, son­dern auch bewe­gen – im Bil­dungs­sys­tem, im öffent­li­chen Raum und im gesell­schaft­li­chen Alltag.

Ange­sichts des wach­sen­den Ein­flus­ses geschichts­re­vi­sio­nis­ti­scher Stim­men, ins­be­son­dere durch das Erstar­ken der AfD, gewinnt Benz’ Appell zusätz­lich an Dring­lich­keit. Die bewusste Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ver­gan­gen­heit ist nicht nur his­to­risch gebo­ten, son­dern auch eine Ver­tei­di­gung der demo­kra­ti­schen Erin­ne­rungs­kul­tur gegen Angriffe von rechts.

Benz’ Buch ist dabei kei­nes­wegs alar­mis­tisch, son­dern wach und dif­fe­ren­ziert. Es plä­diert für einen offe­nen, selbst­kri­ti­schen Umgang mit Geschichte – einen, der die Ver­gan­gen­heit weder ver­klärt noch ver­drängt, son­dern als Auf­trag für die Zukunft begreift.

Wolf­gang Benz. Zukunft der Erin­ne­rung. Das deut­sche Erbe und die kom­mende Gene­ra­tion. Mün­chen 2025

Jörn Bru­notte

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 6/2025.

Von |2025-06-05T14:17:37+02:00Juni 5th, 2025|Rezension|Kommentare deaktiviert für Wolf­gang Benz: Zukunft der Erin­ne­rung. Das deut­sche Erbe und die kom­mende Generation