Gabriele Ter­git: Im Schnell­zug nach Haifa

Gabriele Ter­git war eine bekannte Gerichts­re­por­te­rin im Ber­lin der 1920er Jahre. Als Jüdin musste sie 1933 aus Deutsch­land flie­hen. Sie floh zuerst in die Tsche­cho­slo­wa­kei und von dort aus in das bri­ti­sche Man­dats­ge­biet Paläs­tina. Von Novem­ber 1933 bis 1938 lebte sie in Tel Aviv, danach wei­ter im Exil in Lon­don. Grö­ßere Bekannt­heit erhielt sie in den letz­ten Jah­ren durch ihre Romane „Effin­gers“, erst­mals erschie­nen 1951, 2019 bei Schöff­ling neu auf­ge­legt, und „Käse­bier erobert den Kur­fürs­ten­damm“, erst­mals 1931 erschie­nen, 2016 neu eben­falls bei Schöff­ling aufgelegt.

In die­sem Jahr erschien „Im Schnell­zug nach Haifa“. Es sind Repor­ta­gen, Moment­auf­nah­men und kleine Minia­tu­ren über Men­schen, die wie sie neu in Paläs­tina sind, von Exi­lier­ten und von Men­schen, die bereits lange in jenem Gebiet leben, das über Jahr­hun­derte Teil des Osma­ni­schen Reichs war und seit 1917 zum bri­ti­schen Man­dats­ge­biet zählte. Ter­git schreibt über die junge Stadt Tel Aviv, über das reli­giös auf­ge­la­dene Jeru­sa­lem, über die Wirt­schafts­stadt Haifa. Sie schreibt auf Deutsch, die Sehn­sucht nach Ber­lin, ihrer Hei­mat­stadt, Deutsch als ihrer Hei­mat­spra­che schim­mert ebenso durch wie Fas­zi­na­tion für die neue Welt, der sie sich zuge­hö­rig und von der sie sich zugleich abge­sto­ßen fühlt. Ihre Geschich­ten sind zum Teil kurze Sen­ten­zen mit einem oder zwei Absät­zen oder auch län­gere Texte. Stets fein beob­ach­tet, mit einer gewis­sen Iro­nie und Fein­sinn, aber nie zuspit­zend oder ver­let­zend. Der Stil der Neuen Sach­lich­keit ist prägend.

Ter­git selbst konnte in Paläs­tina nicht Fuß fas­sen, zu sehr war sie Europa und dem deut­schen Sprach­raum ver­haf­tet. Nach Deutsch­land kehrte sie als ver­folgte Jüdin aller­dings nicht wie­der zurück, son­dern lebte in Lon­don, wo sie unter ande­rem für den Deut­schen P.E.N. im Exil tätig war.

Wer mehr wis­sen möchte über Israel vor der Staats­grün­dung, von der diver­sen Gesell­schaft, von dem Rin­gen um eine Heim­statt für die ver­folg­ten Juden, dem sei die­ses Buch wärms­tens ans Herz gelegt.

Gabriele Ter­git. Im Schnell­zug nach Haifa. Frankfurt/Main 2024

Gabriele Schulz

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 12/2024-1/2025

Von |2025-03-12T16:58:49+01:00März 12th, 2025|Rezension|Kommentare deaktiviert für Gabriele Ter­git: Im Schnell­zug nach Haifa
Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.