Toxi­sche Pom­mes: Ein schö­nes Ausländerkind

Irina, das „schöne Aus­län­der­kind“, hat blaue Augen, ist Jahr­gangs­beste, Mit­glied im Schwimm­ver­ein, und ihr größ­tes Ziel ist es, die öster­rei­chi­sche Staats­bür­ger­schaft zu erlan­gen. Erfolg­rei­che Inte­gra­tion hat dabei ihren Preis. Lange Zeit ist ihre Fami­lie auf Renate ange­wie­sen, die ihre ser­bi­schen „Wunsch­flücht­linge“ in ihrem Nach­bar­haus in der Wie­ner Neu­stadt ein­quar­tiert, das sie jeder­zeit über eine Ver­bin­dungs­tür betre­ten kann, um Iri­nas Mut­ter als immer in Bereit­schaft ste­hende Haus­häl­te­rin zu beschäf­ti­gen. Zugleich ver­liert Irina schlei­chend ihren Vater, der als Schiffs­bau­in­ge­nieur in Öster­reich auf keine Anstel­lung hof­fen darf und sich, ver­un­si­chert durch seine Sprach­lo­sig­keit, mehr und mehr zurück­zieht, bis er zum Ein­rich­tungs­ge­gen­stand der Woh­nung gewor­den ist – sich selbst ver­liert sie im Leis­tungs­druck. Schon früh hatte ihr Vater zu ihr gesagt: „Und noch dazu bist du Aus­län­der, das heißt, du wirst dop­pelt so viel machen müs­sen, damit sie dich eines Tages viel­leicht akzeptieren.“

Der auto­bio­gra­fi­sche Roman han­delt vom gna­den­lo­sen Ankom­men in der Fremde und dem Gefühl, sich ver­bie­gen zu müs­sen, von Hei­mat­be­su­chen auf dem Bal­kan und vom stoi­schen Kämp­fen, das die Frauen der Fami­lie bes­ser zu beherr­schen schei­nen. So wei­gert sich ihre Mut­ter, Irina trotz bes­ter Schul­no­ten an der Haupt­schule anzu­mel­den, obwohl so die Emp­feh­lung gelau­tet hatte, oder ihre errun­gene Anstel­lung als Phar­ma­zeu­tin auf­grund büro­kra­ti­scher Hin­der­nisse wie­der auf­zu­ge­ben. Irina, die sich auf Tik­Tok und als Autorin „Toxi­sche Pom­mes“ nennt, hat ein Händ­chen für das Dar­stel­len skur­ri­ler Situa­tio­nen und Per­sön­lich­kei­ten, die einem das Leben zur Hölle machen können.

Sina Rothert

Toxi­sche Pom­mes. Ein schö­nes Aus­län­der­kind. Wien 2024

Von |2024-09-13T14:43:32+02:00September 13th, 2024|Rezension|Kommentare deaktiviert für Toxi­sche Pom­mes: Ein schö­nes Ausländerkind
Sina Rothert ist Projektassistentin für kulturelle Integration beim Deutschen Kulturrat.