Wo begegnen Sie neuen Menschen, wo lassen Sie sich inspirieren? In der Freizeit begegnen wir einander am leichtesten, hier tauschen wir uns aus, können gemeinsame Erlebnisse teilen und befinden uns mit ganz anderen Menschen auf Augenhöhe. Aktivitäten in der Freizeit können Benachteiligungen und Ausgrenzungen entgegenwirken. Sie liefern einen wichtigen Beitrag für Partizipation und Emanzipation. Sport und Kultur haben hier in ihrer teilhabefördernden Funktion vieles gemeinsam! In der zurückliegenden Pandemiezeit haben wir gesehen, wie sehr alle Menschen darunter leiden, wenn ein Zusammenkommen in Sport und Kultur nicht mehr möglich ist. Besonders Kindern und Jugendlichen wurden durch die temporäre Schließung von Sportvereinen und Kulturstätten die Orte genommen, in denen sie mit Gleichaltrigen zusammenkommen konnten, um sich auszutauschen und Gemeinsames zu teilen. Heute kostet es uns viel Mühe, die Lücken, die sich in dieser Zeit für die Entwicklung mancher junger Menschen ergeben haben, wieder zu schließen.
Sport und Kultur: Zunächst erscheinen die beiden Felder als sehr unterschiedlich, doch sie eint, dass sie ganz nebenbei auch wichtige Orte der Demokratiebildung in unserer Gesellschaft sind. Denn hier kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen und erleben Gemeinschaft, haben Spaß und entwickeln sich persönlich weiter. Im Sport stehen in vielen Sportarten Teamgeist und Fairplay an erster Stelle, und in diversen inklusiven Teams können die Bedarfe aller in den Blick genommen werden. Gleiches gilt für Orchester und Chöre oder auch Theatergruppen, die gemeinsam ein Stück erarbeiten. Hier geht es um Chancengleichheit zum einen und die Förderung der individuellen Fähigkeiten und Talente zum anderen. Beides brauchen wir auch in unserer demokratischen Gesellschaft.
Eine besondere Qualität des Sports ist es, dass durch die Verbandsstrukturen Angebote bis in den ländlichen Raum getragen werden und dort Möglichkeiten zur Inklusion geschaffen werden. Die Kultur hingegen ist in ihrer Struktur sicher nicht vergleichbar mit dem Sport, was das Verbandsleben betrifft, aber mindestens genauso wichtig für die Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit. Deswegen ist die Förderung von Kulturangeboten im ländlichen Raum von immenser Bedeutung. Denn wenn im Fernsehen, im Theater, im Konzert Menschen mit Behinderungen sichtbar und wahrnehmbar werden, so ist eine inklusive Gesellschaft keine Utopie, sondern Realität. Ob das gemeinsame und inklusive Erleben nun im Stadion, auf dem Festival oder auf der Theaterbühne passiert, ist dabei vielleicht nicht das Wichtigste. Bedeutsam ist, sich als Gemeinschaft zu erleben und dabei eine inklusive Gesellschaft Realität werden zu lassen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat, hat das Recht von Menschen mit Behinderungen an sportlicher Betätigung sowie das Recht auf Teilhabe an Kultur auch als Kulturschaffende daher explizit festgehalten.
Barrierefreiheit ist das grundlegende Gestaltungsprinzip zur Gewährleistung der gleichberechtigten und wirksamen Teilhabe in beiden Bereichen. Nur durch vollständige Barrierefreiheit der physischen bebauten Umwelt, von Gütern und Dienstleistungen, von Informationen und Kommunikation ist Menschen mit Behinderungen der Zugang in gleicher Weise möglich wie Menschen ohne Behinderungen. Das gilt auch für Sport und Kultur. Und das immer aus verschiedenen Perspektiven: Sowohl als Aktive im Wettkampf oder im Chor, als Ehren- oderHauptamtliche als auch im Publikum müssen Menschen mit Behinderungen die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe haben wie alle anderen auch. Ganz praktisch heißt das zum Beispiel: eine barrierefreie Website mit Informationen in deutscher Gebärdensprache und leichter Sprache, sehr gut sichtbare Ausschilderungen, funktionierende Fahrstühle, Blindenleitsysteme und natürlich ein herzliches Willkommen! Gerade eine Willkommenskultur, die alle Menschen erreichen möchte und von allen gelebt wird, ist wichtig. Doch die Barrierefreiheit fängt nicht erst bei der Sporthalle oder dem Museum an, denn was hat ein behinderter Mensch davon, wenn der Bus dorthin nicht barrierefrei ist? Selbstverständlich muss die gesamte Kette mitgedacht werden: Informationen, Anreise wie das Sport- oder Kulturerlebnis selbst.
Inklusiver Sport verlangt auch, dass Sportvereine sich stärker den Bedarfen von Menschen mit Behinderungen zuwenden und hier Möglichkeiten aufzeigen teilzuhaben. Strukturen der Unterstützung, Assistenz und Beratung müssen auf- und ausgebaut werden, um die nachhaltige Nutzung sportlicher Angebote zu ermöglichen. Besonders die Angebote für Kinder und Jugendliche im Leistungs- und im Breitensport sind wichtig – nicht nur zur Gesundheitsförderung.
Gleiches gilt bei Angeboten der kulturellen Bildung. Musikschulen und Jugendkunstschulen legen mit inklusiven Angeboten den Grundstein für eine inklusive Gesellschaft und möglicherweise für einen ersten Schritt in das Arbeitsfeld der Kultur. Zugang zu Ausbildung in Kunst und Kultur für Menschen mit Behinderungen ist wichtig für eine inklusive Gesellschaft, von der Frühförderung bis hin zur universitären Ausbildung. Eine sichtbare inklusive Kulturlandschaft steht wie nichts sonst für ein Verständnis von einer diversen Gesellschaft.
Große Sportereignisse wie die UEFA Euro 2024 und die damit verbundenen über 300 Kulturveranstaltungen in ganz Deutschland sind hierfür die absoluten Flaggschiffe. Sie zeigen einmal mehr, für welche Werte unsere Gesellschaft steht, wenn Sport und Kultur hier „Hand in Hand gehen“, um den demokratischen Gedanken beider Bereiche in die Fläche zu bringen – auch mit vielen barrierefreien Angeboten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir diesen Geist des inklusiven Miteinanders auch mit in die Zukunft nehmen!
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2024.