Dana Vowin­ckel: Gewäs­ser im Ziplock

Zwi­schen drei Kon­ti­nen­ten setz­ten sich die Gedan­ken und All­tags­sze­nen der 15-jäh­ri­gen Mar­ga­rita und ihrem allein­er­zie­hen­den Aba Avi zu einem Fami­li­en­drama zusam­men. Avi ist Israeli und Cha­san in der Syn­agoge auf der Ora­ni­en­bur­ger Straße, Mar­ga­rita geht aufs Jüdi­sche Gym­na­sium. Sie kann den Som­mer nicht wie erhofft mit ihrer bes­ten Freun­din, Par­tys und Nico in Ber­lin ver­brin­gen, son­dern wird von ihrer Fami­lie erst zu den Groß­el­tern nach Chi­cago und anschlie­ßend zu ihrer Mut­ter nach Jeru­sa­lem geschickt. Mar­sha hat dort ein Fel­low­ship an der Hebrew Uni­ver­sity, die Gele­gen­heit für ihre Toch­ter, sie und ihre jüdi­schen Wur­zeln ken­nen­zu­ler­nen. Erwar­tungs­ge­mäß ver­läuft der Besuch nicht ohne Kon­flikte, Ver­let­zun­gen und Fami­li­en­ge­heim­nisse. Dana Vowin­ckel erzählt mit­rei­ßend und intim. Wäh­rend Mar­ga­rita wie die meis­ten Teen­ager wütend, ver­liebt, ange­ekelt, aber auch sehr ver­letz­lich ist, zer­reißt es ihren Vater zwi­schen der Sorge um sie und sei­ner neu ent­deck­ten Ein­sam­keit – was ist seine Rolle als Jude in Deutsch­land und dem deut­schen „Gedächt­nis­thea­ter“? Und Mar­ga­ri­tas? Dana Vowin­ckel lässt einen direkt und ohne große Erläu­te­run­gen in eine jüdi­sche Fami­li­en­ge­schichte und ihre Ver­wick­lun­gen ein­tau­chen, in der Iden­ti­tät, Reli­gio­si­tät, Zuge­hö­rig­keit und poli­ti­sche Ein­stel­lung immer wie­der neu ver­han­delt werden.

Die Hand­lung des Buches spielt vor dem 7. Okto­ber 2023. Das führt die Trag­weite die­ses his­to­ri­schen Ein­schnitts noch­mals schmerz­lich vor Augen. Denn auch schon im Roman ver­steckt Avi seine Kippa unter einer Base­ball­cap, wenn er sich durch Deutsch­land bewegt. Schil­de­run­gen von all­täg­li­chem jüdi­schem Leben sowie sei­ner viel­fäl­ti­gen Aus­prä­gun­gen und Per­spek­ti­ven, die in dem Buch sicht­bar wer­den, sind wich­ti­ger denn je. Schon der Text „In My Jewish Bag“, mit dem Dana Vowin­ckel den ers­ten Platz beim Schreib­wett­be­werb „L’Chaim“ belegte, zeigt ihr Talent, kom­plexe The­men in deut­li­che Bil­der zu über­set­zen. Wer sich fragt, wes­halb das groß­ar­tige Debüt nun aus­ge­rech­net „Gewäs­ser im Ziplock“ heißt, sollte selbst nachlesen.

Sina Rothert

Dana Vowin­ckel. Gewäs­ser im Ziplock. Ber­lin 2023

Von |2024-02-02T09:46:09+01:00Februar 1st, 2024|Rezension|Kommentare deaktiviert für Dana Vowin­ckel: Gewäs­ser im Ziplock