Es wird still werden vor Gericht, wenn man fragt, wer wohl sterben muss. Und sie wird sagen: alle.“ Doch wer genau sind „alle“?
In dem neuen Roman „Blaue Frau“ der Schriftstellerin Antje Rávik Strubel beschreibt die Autorin sehr kleinteilig das Porträt einer jungen Frau aus dem tschechischen Riesengebirge. Schon auf den ersten Seiten bedient sich Strobel Naturvergleichen, um die posttraumatische Belastungsstörung der Protagonistin zu beschreiben. Selbst auf einen Namen der Hauptfigur konnte sich Strobel nicht festlegen: Adina wird sie von ihrer Mutter getauft, „kleiner Mohikaner“ ist ihr selbst gewählter Schutzname, Sala wird sie von ihrem Geliebten genannt, und Nina nennen sie die sogenannten Multiplikatoren, die ihr das angetan haben, was sie vor Gericht bringen möchte. Durch diese Vielschichtigkeit der Protagonistin wird dem Lesenden ein Einblick in die Fülle der Themen, die Strubel anspricht, bewusst.
Strubel erzählt die ergreifende Geschichte von Adina Schejbal, die vor der Einsamkeit fliehen wollte und ihr Glück in Deutschland versucht. Dort angekommen, wird sie von einer Künstlerin für ihre Zwecke benutzt und endet schließlich als unterbezahlte Praktikantin auf einem Landsitz in der Uckermark, wo sie verschiedene Arbeiten verrichten muss. Dabei kommt sie zum ersten Mal mit der versteckten Prostitution und gelebten Korruption in Deutschland in Berührung. Adina erfährt körperliche Gewalt und flieht nach Finnland.
Hilfesuchend wendet sie sich an die im finnischen Parlament arbeitende Menschenrechtsaktivistin Kristiina. Aber auch die eingeschaltete Rechtsanwältin hat keine große Zuversicht, dass der Fall vor Gericht zu einem Sieg führen würde, denn „beim geklauten Portemonnaie fragt keiner, ob du dem vermeintlichen Dieb nur was anhängen willst. Da glaubt man dir sofort. Wenn du missbraucht oder vergewaltigt wurdest, glaubt dir keiner.“
Sowohl die kunstvolle Sprache als auch die politischen und philosophischen Diskussionen bringen den Lesenden zum Nachdenken, ein sehr lesenswertes Buch.
Katharina Bruck