„Anleitung zum Schwarz sein!“ heißt das Buch, das Anne Chebu primär für junge Schwarze Menschen in Deutschland geschrieben hat. Neben ihrer Tätigkeit als Buchautorin ist sie Moderatorin und Journalistin für verschiedene öffentlich-rechtliche Sender. Sie hält Vorträge und gibt Trainings zu den Themen Vielfalt, Antidiskriminierung und Perspektivwechsel.
Anne Chebu ist in Nürnberg aufgewachsen und hat in verschiedenen deutschen Städten sowie in London gelebt. Aktuell wohnt und arbeitet sie in Frankfurt am Main.
Vielen Dank, Anne Chebu, für das Engagement für mehr Zusammenhalt in Vielfalt!
Sie sind seit über zehn Jahren journalistisch für verschiedene ARD-Anstalten aktiv und dabei viel rumgekommen. Wie haben Sie Ihr Interesse für den Journalismus entdeckt?
Ich habe mich immer für viele unterschiedliche Sachen interessiert und dann dachte ich irgendwann: Wenn ich Journalistin werde, kann ich all diesen verschiedenen Interessen nachgehen. Das war eine Motivation. Die andere war tatsächlich, dass ich einfach wusste, dass es sehr wenige Menschen mit sichtbarer Einwanderungsgeschichte im deutschen Fernsehen gibt. Das wollte ich gerne ändern.
Ich habe dann in der Nähe von Nürnberg Journalismus in Kombination mit unterschiedlichsten Mediensachen studiert und hatte letztendlich TV-Journalismus und 3D-Animation als Schwerpunkte.
Wie steht es Ihrer Meinung nach heute um die Diversität in den deutschen Medien?
Man muss da tatsächlich zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern unterscheiden: Die privaten Sender sind teilweise doch ein bisschen weiter. Ansonsten merkt man, dass seit der großen Black-Lives-Matter-Bewegung 2020 verschiedene Sender oder Redaktionen händeringend nach Expertise suchen. Aber daran merkt man eben auch, dass sie in den letzten Jahren geschlafen haben. Und was ich teilweise sehr erschreckend finde ist, dass man schaut, wen man extern gewinnen könnte und man meist gar nicht realisiert, wer eigentlich schon im Haus ist. Das ist mir selbst auch schon passiert.
„Diversität ist eben nicht nur Migration.“
Wichtig auch: Diversität ist eben nicht nur Migration. Es gibt viel mehr Kriterien, z. B. Menschen mit Behinderung oder das Thema Queerness. Dabei geht es auch nicht nur um die Sichtbarwerdung von Menschen, die vor der Kamera stehen, sondern es ist auch ganz wichtig, wer alles hinter der Kamera arbeitet. Die Inhalte, mit denen sich die Redaktionen beschäftigen, müssen diverser werden. Und da merkt man jetzt einen Unterschied: Viele Themen, die ich wirklich schon versuche seit zehn Jahren unterzubringen, die wurden jetzt plötzlich seit 2020 umgesetzt. Aber eben leider nicht unbedingt von Schwarzen Journalist*innen. Es ist noch ein sehr weiter Weg.
„Die Inhalte, mit denen sich die Redaktionen beschäftigen, müssen diverser werden.“
Bereits im Jahr 2014 erschien Ihr Buch „Anleitung zum Schwarz sein!“, welches sich vor allem an Jugendliche richtet. In dem Buch geben Sie einen Einblick in die Schwarze deutsche Community. Inwiefern hat sich seit Erscheinen des Buches die Rassismus-Debatte in Deutschland verändert? Und was wünschen Sie sich im Zusammenhang mit dieser Debatte?
Auch hier ist es tatsächlich wieder diese Zeitmarke 2020. Bis dato war immer diese Annahme, dass es in Deutschland doch keinen Rassismus gäbe. Das ist zumindest das Feedback, was zurückkam, wenn man das Thema als Journalistin vorschlug oder als ich mit meinem Buch unterwegs war. Seit die Black-Lives-Matter-Bewegung in Deutschland stärker angekommen ist, hat auch die Sensibilität und Aufmerksamkeit für das Thema Rassismus zugenommen.
„Es ist jedoch wichtig, dass sich im Alltag der Menschen etwas ändert und wir eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus haben.“
Was dann jedoch passiert ist, dass viele plötzlich dachten, sie seien nun aufgeklärt, weil sie zwei Bücher über Rassismus gelesen haben. Das ist ein bisschen die Kehrseite der Medaille. Aber jede Person, die sich informiert und über das Thema reflektiert nachdenkt, ist sehr wichtig. Es ist jetzt auf jeden Fall ein größeres Bewusstsein in der Gesellschaft da und die Debatte ist in der Öffentlichkeit angekommen. Es ist jedoch wichtig, dass sich im Alltag der Menschen etwas ändert und wir eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus haben.
In Deutschland gibt es mehr als 3.000 Schulen, die dem Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angehören. Sie sind Patin für „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg, auf die Sie selbst einmal gegangen sind. Wie stehen Sie zu dem Programm?
Ich wurde direkt von Schüler*innen angefragt, ob ich die Patenschaft übernehmen möchte, und das hat mich sehr geehrt und auch gerührt. Mir war wichtig, dass, wenn ich Patin werde, sich nicht nur die Schüler*innen mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen, sondern auch vor allen Dingen die Lehrkräfte. Denn leider geht an den Schulen Rassismus oft von den Lehrkräften auf die Schüler*innen. Daher ist es mir ganz wichtig, dass die Lehrkräfte mit ins Boot geholt, geschult und und für das Thema sensibilisiert werden.
Die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration tragen den Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“. Was bedeutet für Sie „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen ist Ihre „Lieblingsthese“?
Wenn man den Vielfaltsgedanken unabhängig von den Diversitätsdimensionen betrachtet, hat jeder Mensch Stärken und Schwächen, sodass man sich eigentlich gut ergänzen und unterstützen kann. Das macht einen als Team oder als Gruppe stärker.
Wenn man eine wirklich diverse Gruppe mit den unterschiedlichsten Diversitätsmerkmalen hätte, dann gäbe es unterschiedliche Biografien und Erfahrungen. Aber es gäbe auch Ähnlichkeiten und dank dieser kann man sich gegenseitig Trost geben oder auch Verständnis entgegenbringen. Und da, wo wir unterschiedlich sind, müssen wir die Unterschiede akzeptieren, ohne andere Personen zu verletzen. Dabei müssen wir uns auch immer wieder selbst reflektieren.
„Ich habe eine Lieblingsthese, aber ich habe auch so ein paar Punkte kritisch hinterfragt.“
Zu den 15 Thesen: Ich habe eine Lieblingsthese, aber ich habe auch so ein paar Punkte kritisch hinterfragt: Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass bei den Thesen die diversen Geschlechter noch nicht bedacht wurden. Und mit Blick auf die aktuelle documenta-Debatte fand ich auch nochmal die Kunstfreiheitsthese interessant. Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit sind selbstverständlich wichtig, aber auch Kunst hat Grenzen.
Meine Lieblingsthese ist die These 2: „Das alltägliche Zusammenleben basiert auf kulturellen Gepflogenheiten“. Ich finde es gut, dass es in der These darum geht, was Kultur überhaupt ausmacht, und dass sie sich immer im Wandel befindet. Ich finde es wichtig, dass wir immer wieder daran denken, dass es nicht die eine Kultur gibt, sondern das wandelt sich und jede Person bringt etwas mit ein. Und dadurch verlieren wir nicht, sondern gewinnen durch diese Veränderungen immer etwas dazu.
Vielen Dank!