Wir sind alle nur Menschen

Drei Fra­gen an Sarah Tilipman

Der Insta­gram-Kanal @juedisch.und.deutsch infor­miert über jüdi­sche Fei­er­tage und Per­sön­lich­kei­ten und will damit so einige Vor­ur­teile aus dem Weg räu­men. Poli­tik & Kul­tur fragt bei Grün­de­rin Sarah Tilip­man (Pseud­onym) nach.

Sie haben den Insta­gram-Kanal @juedisch.und.deutsch ins Leben geru­fen? Wie kam es dazu? Und was pas­siert auf dem Kanal?
Die Idee für mein Pro­jekt @juedisch.und.deutsch kam mir wäh­rend mei­nes Jour­na­lis­mus-Stu­di­ums. Ich wollte auf­zei­gen, wie viel­fäl­tig das Juden­tum in Deutsch­land ist und habe dazu einige jüdi­sche Freun­din­nen und Freunde von mir für einen Bei­trag inter­viewt. Als ich dann 2019 für meine Bache­lor-Arbeit zur Medi­en­re­prä­sen­ta­tion des Juden­tums in Deutsch­land recher­chierte, fiel mir auf, dass das Bild des Juden­tums in den Medien sehr ein­sei­tig war. The­ma­ti­siert wur­den ent­we­der tote Juden bzw. der ­Holo­caust oder Ortho­do­xie. Was ist mit all den leben­den Jüdin­nen und Juden in Deutsch­land, die ihr Juden­tum ganz anders aus­le­ben? Ihnen wird immer noch viel zu sel­ten eine Bühne gebo­ten. Auch in Spiel­fil­men oder TV-Serien ist das Juden­tum meist unsicht­bar oder kom­plett kli­schee-­be­las­tet dar­ge­stellt. 2020 habe ich @juedisch.und.deutsch offi­zi­ell ins Leben geru­fen – mit dem Ziel, die Viel­falt jüdi­schen Lebens zu zei­gen. Auf @juedisch.und.deutsch stelle ich jüdisch-deut­sche Men­schen und deren Mei­nun­gen vor und kläre über ­jüdi­sches Leben und Tra­di­tio­nen auf. Wöchent­lich teile ich Por­träts, Wis­sens­wer­tes und Bio­gra­fien jüdisch-deut­scher Per­so­nen der Zeit­ge­schichte auf mei­nem Instagram-Kanal.

Wie ist die Reso­nanz auf die Inhalte von @juedisch.und.deutsch? Wel­che The­men sto­ßen auf beson­ders gro­ßes Interesse?
Die Reso­nanz auf die Inhalte ist zu einem gro­ßen Teil sehr posi­tiv. Vor allem die Por­träts und Fak­ten über ­jüdi­sche Tra­di­tio­nen kom­men sehr gut an. Dass fast 5.000 Men­schen sich dafür inter­es­sie­ren, hätte ich nie gedacht!

Ich bin unglaub­lich stolz dar­auf, dass die meis­ten sich die Zeit neh­men, um die lan­gen Posts, die ich schreibe, tat­säch­lich durch­zu­le­sen! Gerade auf Insta­gram ist so etwas seltener.

Die sozia­len Medien haben lei­der nicht nur posi­tive Effekte, son­dern auch nega­tive Sei­ten. Wie gehen Sie per­sön­lich mit Hate Speech im Netz um?
Das stimmt lei­der. Zu oft bekomme ich grau­en­hafte Hass-Nach­rich­ten, unan­ge­brachte Kom­men­tare und tat­säch­lich sogar anti­se­mi­ti­sche Memes zuge­schickt. Von per­sön­li­chen Belei­di­gun­gen bis hin zu Mord­dro­hun­gen ist da alles dabei. Doch die­sen Men­schen gebe ich keine Auf­merk­sam­keit, keine Ant­wort und ein­fach nicht die Genug­tu­ung, dass sie mich damit viel­leicht getrof­fen haben. Ich gehe mit Hass ganz ein­fach um: blo­ckie­ren, löschen, anzei­gen. Das ein­zige Pro­blem dabei sind lei­der die Rege­lun­gen von Insta­gram. Von all den anti­se­mi­ti­schen Kom­men­ta­ren, Accounts und Nach­rich­ten, die ich als „Hass-Rede“ bei Insta­gram ange­zeigt habe, wurde viel­leicht einer als sol­che ein­ge­stuft. Da muss sich defi­ni­tiv noch eini­ges verbessern.

Ande­rer­seits gibt es Men­schen, die viel­leicht etwas Anti­se­mi­ti­sches kom­men­tie­ren oder unan­ge­brachte Fra­gen stel­len, weil sie es ein­fach nicht bes­ser wis­sen. Mir ist es wich­tig, da zu unter­schei­den und diese Men­schen nicht sofort auszuschließen.

Im End­ef­fekt habe ich mei­nen Account unter ande­rem ins Leben geru­fen, damit Men­schen ihren Hori­zont erwei­tern und Neues dazu­ler­nen kön­nen. Manch­mal ist es also total wich­tig ins Gespräch zu kom­men und zu hin­ter­fra­gen, wieso der Mensch diese – ggf. anti­se­mi­ti­schen – Gedan­ken hat. Es ist immer wie­der schön, wenn ich dadurch die Mei­nun­gen Ande­rer ändern kann. Schließ­lich sind wir alle nur Men­schen! Und das ist der Kern mei­nes Pro­jekts: zu zei­gen, dass wir alle Gemein­sam­kei­ten haben und man sich nicht vor dem Unbe­kann­ten fürch­ten sollte.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 06/2022.

Von |2023-10-16T11:08:48+02:00Juni 3rd, 2022|Antisemitismus|Kommentare deaktiviert für

Wir sind alle nur Menschen

Drei Fra­gen an Sarah Tilipman

Sarah Tilipman (Pseudonym) ist Autorin und betreibt den Instagram-Kanal @juedisch.und.deutsch.