Gibt es eine Hierarchisierung von Rassismus? Dieser Frage widmet sich der britische Komiker und Autor David Baddiel. In dem Buch „Und die Juden?“ weist der Sohn einer Holocaust-Überlebenden auf diverse Vorfälle des tiefsitzenden modernen Antisemitismus in Großbritannien hin. Doch anhand dieser Beispiele möchte er keine lange Liste antisemitischer Vorfälle veröffentlichen, sondern vor allem versuchen etwas zu erläutern, was für den modernen Antisemitismus entscheidend ist: Nämlich die Verwirrung, die er bei den Linken – bzw. Progressiven, wie Baddiel sie im Buch beschreibt – hervorruft.
„Im Zentrum des Ganzen steht das (…) oszillierende Weißsein der Juden“, schreibt Baddiel und meint damit die Zweistufigkeit des Rassismus gegenüber Juden: Für Rassisten sind Juden nicht weiß; für die Progressiven hingegen sind sie es und benötigen daher nicht den gleichen Schutz, für den sich die Progressiven gegenüber allen anderen von Rassismus betroffenen Nichtweißen stark machen.
Warum gibt es in Bezug auf Rassismus keine „Chancengleichheit“? Baddiel stellt eine Hierarchisierung von Rassismus zur Diskussion und behauptet, dass der Rassismus gegenüber People of Colour anders geartet sei als der gegenüber Juden. Doch warum zieht ein Unterschied in Art und Weise auch einen unterschiedlichen Stellenwert nach sich?
Wir leben zunehmend in einer Gesellschaft der Betroffenen. Man muss denen zuhören, über die gesprochen wird. Doch bei den Juden scheint
das immer noch nicht der Fall zu s
ein.
Hier bestimmen Nichtjuden oftmals den Diskurs und sagen so den Jüdinnen und Juden noch zu häufig, ob das über sie Gesagte rassistisch sei oder nicht. An dieser Stelle kommt von David Baddiel zu Recht der Appell: „Zuhören und lernen“!
Ein absolut lesenswertes Buch, bei dem sich allein das Vorwort des Autors zur deutschsprachigen Ausgabe lohnt – denn der Originaltitel „Jews Don’t Count“ war in Deutschland nicht gestattet.
Kristin Braband