Einsamkeit kann man lieben, aber auch fürchten, man kann sie bewusst suchen oder ihr ungewollt ausgesetzt sein. In Deutschland leiden vermutlich Millionen Menschen unter Einsamkeit. Exakte Zahlen zur Verbreitung von Einsamkeit sind jedoch schwer zu messen. Insbesondere während der Coronapandemie ist in allen Altersgruppen, vor allem aber bei Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Eltern kleiner Kinder und Alleinlebenden die Einsamkeit stark angestiegen. Dabei wird diese Einsamkeit immer unterschiedlich empfunden.
Im neu erschienenen Buch „Für sich sein: Ein Atlas der Einsamkeiten“ erkunden Johann Hinrich Claussen und Ulrich Lilie gemeinsam in Streifzügen durch Religion, Literatur, Kunst, Wissenschaft und Alltag die hellen und dunklen Seiten des Alleinseins. Dabei erklären sie, welche persönlichen Prägungen und sozialen Bedingungen dazu führen, dass die einen das Alleinsein suchen, während andere es fürchten. Außerdem zeigen sie Wege aus der unfreiwilligen Abgeschiedenheit auf.
In sieben Kapiteln erkunden die Autoren die Dimensionen des Für-sich-Seins: Sie beschreiben die Koordinaten der Einsamkeit, nehmen die Lesenden mit in das Reich der Solitude ausgewählter Persönlichkeiten – von der mystischen Abgeschiedenheit des Meister Eckhart über die Waldeinsamkeit der deutschen Romantiker bis in die Studierstube Isaac Newtons –, sie zeigen Zufluchtsorte auf dem Land oder am Meer auf, erkunden z. B. mittels des portugiesischen Fado die Weiten der „Loneliness“, befassen sich mit Inseln der Isolation und Ankerplätzen im Mahlstrom. Und zu guter Letzt zeigen sie Wege und Orte der Befreiung auf, unter anderem am Beispiel der frühen Christen und der modernen Gefängnisseelsorge. Zudem enthält das Buch Angebote für Einsame.
Deutlich wird, Einsamkeit ist ein vielleicht unangenehmes, aber sehr wichtiges Thema – auch für die Politik. Denn Einsamkeit macht krank, kostet Geld und wird durch den demografischen Wandel, die Digitalisierung und den Klimawandel verstärkt. Zeit zum Handeln.
Theresa Brüheim