Tove Dit­lev­sen: Kindheit

Mehr als 50 Jahre nach dem Ori­gi­nal ist mit „Kind­heit“ von Tove Dit­lev­sen der däni­sche Klas­si­ker aus dem Jahr 1967 auch in deut­scher Über­set­zung von Ursel Allen­stein erschie­nen. Eine Wie­der­ent­de­ckung, an der man in den deut­schen Buch­lä­den kaum vor­bei­kam. In drei schma­len auto­bio­gra­fisch gepräg­ten Büchern, der Kopen­ha­gen-Tri­lo­gie, erzählt Dit­lev­sen aus ihrer „Kind­heit“, ihrer „Jugend“ sowie von ihrer „Abhän­gig­keit“.

„Kind­heit“ erzählt vom Auf­wach­sen im Kopen­ha­gen der 1920er Jahre in ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen im trost­lo­sen Arbei­ter­mi­lieu. Ein Leben auf engem Raum. Das Ver­hält­nis zur Mut­ter ist eng, qual­voll und unsi­cher. Nach Zei­chen von Liebe muss die Ich-Autorin suchen. Der Vater, ein Hei­zer, wird in der Welt­wirt­schafts­krise arbeits­los. Es ist das Drama eines begab­ten Arbei­ter­kin­des im Stadt­vier­tel Ves­ter­bro, das sich für die Welt der Bücher inter­es­siert. Das Dich­te­rin wer­den möchte. Das trotz Bega­bung nicht aufs Gym­na­sium durfte. Das nicht in die Welt um sie herum passt und ver­sucht, sich mit ihren Gedich­ten ein Stück weit zu befreien, der Trost­lo­sig­keit zu ent­flie­hen. Doch ihr wird bei­gebracht, dass ein Mäd­chen nie Dich­te­rin wer­den kann, son­dern Haus­frau und Gat­tin. Immer wie­der stößt sie auf Hin­der­nisse und Wider­stand. An ihrem Traum hält Tove Dit­lev­sen den­noch fest, notiert stets Gedichte in ihr Poe­sie­al­bum. Der erste Teil der Kopen­ha­gen-Tri­lo­gie ist beklem­mend und düs­ter. „Dun­kel ist die Kind­heit, und sie win­selt wie ein klei­nes Tier, das man in einen Kel­ler ein­ge­sperrt und ver­ges­sen hat.“ Die nüch­ter­nen Erin­ne­run­gen und Erleb­nisse eines am Anfang fünf­jäh­ri­gen Mäd­chens tref­fen auf essay­is­ti­sche Absätze und kurze Gedichte. Wer in die düs­tere, lite­ra­risch her­aus­ra­gende Welt von Tove Dit­lev­sen abtau­chen will, dem seien alle drei Bände der Tri­lo­gie ans Herz gelegt.

Maike Kar­ne­bo­gen

Tove Dit­lev­sen. Kind­heit. Ber­lin 2021

Von |2021-06-21T12:12:11+02:00Juni 4th, 2021|Rezension|Kommentare deaktiviert für Tove Dit­lev­sen: Kindheit
Maike Karnebogen ist Redaktionsassistentin für die Zeitung Politik & Kultur beim Deutschen Kulturrat.