Vom sin­gen­den Schau­spie­ler zum Sozialunternehmer

Shai Hoff­mann im Porträt

„Ich bin ein jun­ger Mann, der in Ber­lin-Schö­ne­berg lebt, in Ber­lin auf­ge­wach­sen ist und rela­tiv viel rum­kommt dank sei­nes Jobs. Und was mach ich eigent­lich, das frag ich mich auch den lie­ben lan­gen Tag“, erzählt BWLer Shai Hoff­mann in sei­nem Pod­cast „Auf einen Cay mit Shai“. Fakt ist, dass der 1982 Gebo­rene mit „Ach und Krach“ sei­nen Real­schul­ab­schluss geschafft hat und seine Eltern ihn zu einer Aus­bil­dung zum Hotel­fach­mann über­re­det haben. Schon da wollte er eigent­lich nur sin­gen, was er nach Abschluss der Lehr­zeit auch end­lich machen durfte.

Shai Hoff­mann wuchs als Kind jüdi­scher Eltern in einer Art Kokon auf: erst in einem jüdi­schen Kin­der­gar­ten im Gru­ne­wald, anschlie­ßend in einer Grund­schule, die auch jüdi­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt anbot. Erst in der Ober­schule musste er Bekannt­schaft mit Anfein­dun­gen bezüg­lich sei­ner reli­giö­sen Zuge­hö­rig­keit machen. In das Jubi­läum 1.700 Jahre jüdi­sches Leben in Deutsch­land 2021 setzt er Erwar­tun­gen: „Ich hoffe, dass jüdi­sches Leben medial end­lich anders prä­sen­tiert und dar­ge­stellt wird. Denn es ist bei Wei­tem nicht so kon­ser­va­tiv und ortho­dox, son­dern – jeden­falls hier in Ber­lin – modern, divers und auf­ge­schlos­se­ner, als man denkt. Ich würde mir wün­schen, dass man das Juden­tum end­lich in all sei­nen Facet­ten zeigt.“

2003 trat er bei der Cas­ting-Show „Star Search“ auf, ein Sprung­brett in eine Kar­riere als Schau­spie­ler in Vor­abend­se­rien wie „Gute Zei­ten, schlechte Zei­ten“, „Ver­liebt in Ber­lin“ oder „Ver­bo­tene Liebe“. Noch heute ist er dank­bar für die Erfah­run­gen aus die­ser Zeit, nach Dif­fe­ren­zen mit sei­ner Pro­duk­tion und einer Sinn­krise ent­schied er sich aber 2008 für ein BWL-Stu­dium im zwei­ten Bil­dungs­weg: „Mit zuneh­men­dem Alter kam die Frage nach einer Tätig­keit mit Sinn. Ich wollte auch nicht mehr abhän­gig sein von Regis­seu­ren oder Pro­du­zen­ten, die vor allem mein Äuße­res gut finden.“

Nach einem Aus­lands­se­mes­ter in New York und vie­len neuen Erfah­run­gen und Kon­tak­ten grün­dete er nach dem Stu­dium ein nach­hal­ti­ges Mode­un­ter­neh­men, und im Laufe der Jahre wur­den seine Akti­vi­tä­ten immer poli­ti­scher und sozia­ler. Viele sei­ner Ideen und Aktio­nen finan­zierte Shai Hoff­mann über Crowd­fun­ding und berät inzwi­schen als Coach andere, die auch nicht über Kre­dite oder her­kömm­li­che Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten ihre Ziele errei­chen möch­ten: „Wenn von vie­len Men­schen jeweils ein biss­chen Geld zusam­men­kommt, sum­miert sich das letzt­end­lich, und dann kann man gemein­sam seine Ideen verwirklichen.“

Sein ers­tes Demo­kra­tie-Print­ma­ga­zin „DEMOS MAG“ erscheint im August, es wird auch über Crowd­fun­ding finan­ziert, wie bereits neun andere Pro­jekte des umtrie­bi­gen Akti­vis­ten, der immer meh­rere Pro­jekte gleich­zei­tig am Start hat. „Bus der Begeg­nun­gen“, „Demo­kra­tie-Bus“, „TinyHouse Grund­ge­setz“, um nur einige zu nen­nen. „Ich bin wach­sam, alles was gesell­schafts­po­li­tisch in Deutsch­land pas­siert, inter­es­siert mich. Mein Haupt­job ist es, mich mit Men­schen aus­zu­tau­schen. Viele mei­ner Ideen und Inspi­ra­tio­nen schöpfe ich aus die­sen Tref­fen. Nor­ma­ler­weise beginnt das früh am Mor­gen im Café. Zur­zeit pan­de­mie­be­dingt auf Kaffeespaziergängen.“

Shai Hoff­mann ist Mit­in­itia­tor und Sän­ger bei den Boo­kRap­pers, die andere für Texte begeis­tern wol­len, die für sie prä­gend und inspi­rie­rend sind. Mit ihren Rap-Ver­sio­nen möch­ten sie Men­schen errei­chen, die nicht gerne lesen, aber aus den klu­gen Tex­ten viel schöp­fen kön­nen. Kom­pli­zierte Fra­ge­stel­lun­gen wer­den durch das Rap­pen ganz anders zugäng­lich, ver­ständ­lich und gehen nah.

Am 13. April ist das Musik­vi­deo der Book­Rappers zu den 15 The­sen „Zusam­men­halt in Viel­falt“ der über­par­tei­li­chen Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion erschie­nen und unter ande­rem auf You­Tube ein­seh­bar. Das vom Deut­schen Kul­tur­rat ins Leben geru­fene Bünd­nis aus 28 Orga­ni­sa­tio­nen der Zivil­ge­sell­schaft, Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, Medien, Sozi­al­part­nern, Län­dern und kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­den will damit ins­be­son­dere junge Men­schen errei­chen. Denn „die Debatte um die Inte­gra­tion ist oft sehr schwie­rig. Nie­mand bestrei­tet die Not­wen­dig­keit von Inte­gra­tion, doch nur wenige wol­len sich mit der Frage beschäf­ti­gen, wer in was inte­griert wer­den soll. Wir haben mit unse­ren 15 The­sen den Ver­such gemacht, Ant­wor­ten zu geben“, so Olaf Zim­mer­mann, der Spre­cher der Initia­tive. Mit­hilfe von Musik – Hip
Hop und Soul, einer gemein­sa­men Spra­che – soll das Ber­li­ner Trio mit Hoff­mann, dem Archi­tek­ten Van Bo Le-Ment­zel und Pro­du­zen­ten Saeed Ibra­him so Begeg­nung ermög­li­chen, neue Zugänge zu den Wer­ten des Grund­ge­set­zes schaf­fen und Gren­zen überwinden.

2020 war Shai Hoff­mann mit dem „Bus der Zukunft“ für das Jüdi­sche Museum in Frank­furt unter­wegs, das im Herbst wie­der­eröff­net wurde. „Das war sehr span­nend. Viele Frank­fur­ter sind sich auch der beson­de­ren his­to­ri­schen Bedeu­tung des Juden­tums in Frank­furt bewusst. So wurde sozu­sa­gen das Museum in die Stadt getra­gen, die Reso­nanz war sehr gut.“

Und was wünscht sich der junge Vater für die Zukunft? „ich wün­sche mir, dass Schu­len Orte der Selbst­ent­fal­tung wer­den, wo Talente geför­dert wer­den. Das führt dann unwei­ger­lich dazu, dass wir selbst­be­wuss­tere Erwach­sene bekom­men, die sich im Kla­ren dar­über sind, dass wir in einer Gesell­schaft leben, in der alles nur funk­tio­niert, wenn man sich ein­bringt, mit­ge­stal­tet. Es ist gefähr­lich, wenn wir die Hal­tung ent­wi­ckeln, dass alles schon irgend­wie funk­tio­niert. Die Kli­ma­be­we­gung z. B. übt poli­ti­schen Druck aus, was gut ist. Man muss auf die Straße gehen, um etwas zu bewe­gen. Das poli­ti­sche Sys­tem mit­zu­ge­stal­ten, selbst ein Teil davon zu wer­den, das sollte selbst­ver­ständ­lich sein. Das bekom­men wir nur durch gute oder bes­sere Schu­len hin.“

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 05/2021.
Von |2021-05-25T10:59:00+02:00Mai 5th, 2021|Bürgerschaftliches Engagement, Religiöse Vielfalt|Kommentare deaktiviert für

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Shai Hoff­mann im Porträt

Ursula Gaisa ist Redakteurin der neuen musikzeitung.