Texte von Kübra Gümüşay und Harald Welzer rappen: Das scheint zunächst etwas ungewöhnlich, das Ergebnis kann sich hören lassen! Genau das machen die Berliner Künstler P-Rhyme MC (Van Bo Le-Mentzel), Shai Hoffmann und Saeed Ibrahim-Atta. Das interreligiöse Trio (buddhistisch, jüdisch und islamisch) der BookRappers kombiniert seine Liebe zu Büchern sowie zur Rap- und Soul-Musik und vertont inspirierende Texte.
Neben ihrem musikalischen Engagement als BookRappers sind die drei auch in anderen Bereichen aktiv. Van Bo Le-Mentzel ist Architekt und Initiator mehrerer Initiativen zwischen Social Design und sozialer Nachbarschaft (Tiny Foundation). Der Sozial-Aktivist und -Unternehmer Shai Hoffmann gründete 2017 unter anderem die Projekte „Bus der Begegnungen“ sowie „Bus der Zukunft“. Saeed Ibrahim-Atta ist Tontechniker und Musiker und arbeitet seit 1995 als Musikproduzent und Workshopleiter mit Kindern sowie Jugendlichen.
Vielen Dank für eueren vielseitigen Einsatz für unsere Gesellschaft!
Als BookRappers vertont ihr in Form von Rap, Soul und Hip-Hop Texte und Bücher, die euch inspirieren. Wie kam es dazu?
P-Rhyme MC: BookRappers ist ein Kind der Coronakrise. Ich habe viel Zeit gehabt zu lesen und habe mich wieder getraut, mich meinen Jugendsünden – dem Rap – zu widmen. In der Küche habe ich einfach mal ein Buch von Kübra Gümüsay live gerappt und auf Facebook geteilt. Die Hamburger Autorin hat das gesehen und begeistert in ihren Kanälen geteilt. Daraufhin habe ich meine Freunde Saeed und Shai angerufen und wir haben dann im Studio angefangen Bücher zu vertonen.
Wie wählt ihr die Texte aus, die ihr rappt? Und was wollt ihr mit den Songs erreichen?
Shai: Meist sind das Textpassagen, die eine starke Metapher haben und die den Zuhörerinnen und Zuhörern das gerappte Buch greifbar vermitteln. Es sind Texte, mit denen wir uns größtenteils auch identifizieren, weil wir drei einen Migrationsvordergrund mitbringen. Damit ist eine gute Basis dafür gelegt, dass wir mit unserer authentischen Performance die Herzen und Ohren derjenigen erreichen, die nicht lesen oder keine Zeit dafür haben.
Ihr habt auch die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration musikalisch aufgegriffen. Daraus ist der Song „Zusammenhalt in Vielfalt“ entstanden – ein ganz neuer Zugang zu unseren Thesen. Wie war es für euch, die zum Teil doch etwas sperrigen Thesen in einen musikalischen „Flow“ zu bringen?
Saeed: Zu der Musik: Wir wollten gerne einen oldschool New York Style machen und haben uns von Fat Joe’s „Lean Back“ inspirieren lassen. Und vor allem mit dem Video hat es zum Thema „Zusammenhalt in Vielfalt“ sehr schön gepasst.
P-Rhyme: Das Wort „Zusammenhalt“ ist ein ziemlich starkes Wort, welches so eigentlich nur im Deutschen existiert. Durch die Platzierung dieses Wortes ist es uns gelungen, den Text aus dem Buch sogar den Anschein einer Reimstruktur zu geben. Ich liebe das: Reime und Rhythmus in Texte zu bringen, wo eigentlich keine sind.
„Über diese Bücher müssen wir reden und rappen“, so heißt der neue BookRappers-Podcast. Wie entstand die Idee dazu? Und was passiert genau?
P-Rhyme MC: Mir kam da die Idee, etwas Neuartiges und völlig Innovatives zu machen, was vor uns noch kein Mensch gemacht hat und wovon es wirklich noch nicht viel im Netz gibt: Ein Podcast! Na ja, im Podcast hat man ja mehr Zeit als in einem Song, sich mit dem Text auseinanderzusetzen. Jedes bedeutende Werk wird in der so genannten Sekundärliteratur kommentiert und diskutiert. Unser Podcast ist die Sekundärliteratur zum Mithören.
Die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration, und auch euer Song dazu, tragen den Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“. Was bedeutet für euch „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen ist eure „Lieblingsthese“?
Shai: Für uns ist der Songname „Zusammenhalt in Vielfalt“ Programm, denn die BookRappers leben Vielfalt mit jedem Atemzug. Anders gesagt: Ohne Vielfalt gäbe es die BookRappers womöglich gar nicht. Denn P-Rhyme MC ist Buddhist, unser Produzent Saeed Moslem, unsere Kamerafrau Sandy ebenfalls und ich bin Jude.
Für mich persönlich hat die 13. These „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie ausgeschlossen“ eine besondere Bedeutung. Meine Großeltern überlebten die Torturen in verschiedenen Konzentrationslagern. In einer Zeit, in der Rufe nach einem Ende der Erinnerungskultur lauter werden, ist es in Anbetracht zunehmender politischer Polaritäten unerlässlich, sich auch weiterhin mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Was ich mir jedoch wünsche, ist, dass wir in der hiesigen Erinnerungskultur – ohne zu relativieren oder hierarchisieren – auch dem Porajmos, also dem Genozid an den Sint:izze und Rom:nja, Platz zur Aufarbeitung sowie Heilung einräumen und somit zur Aufklärung und zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Hier wäre zum Beispiel die Miteinbeziehung des Zentralrates der Sinti und Roma eine gute Möglichkeit gewesen, die Dimension der geschichtlichen Auseinandersetzung um eine wichtige Perspektive zu erweitern.
Vielen Dank!