In seiner Danksagung zum Schluss des Buches „Die Scholems. Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie“ benennt Jay H. Geller sechs Namen, die in dem Buch nie genannt werden. Namen von Mitgliedern des deutsch-jüdischen Bürgertums, Namen aus einer Familie von Druckern, Namen von sechs der sechs Millionen ermordeten Juden Europas. In diesem letzten Satz wird das Anliegen des Buches prägnant zusammengefasst: Es geht um die Erinnerung an ein deutsch-jüdisches Bürgertum, das verfolgt wurde, deren Mitglieder, wenn sie Glück hatten, im Exil überlebten, oder in den Konzentrationslagern ermordet wurden.
Geller erzählt die Geschichte am Beispiel der Familie Scholem aus Berlin. Diese Familie steht für pars pro toto für Formen des deutsch-jüdischen Bürgertums. Zunächst für den Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen in Breslau zu einer anerkannten, bibliophilen Druckerfamilie. Im Mittelpunkt stehen dabei die Söhne von Arthur Scholem, geboren Ende des 19. Jahrhunderts.
Reinhold Scholem, ältester Sohn, deutsch-national gesonnen, ausgezeichneter Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg, führte zusammen mit dem zweitältesten Sohn, Erich, liberal gesonnen, die Druckerei des Vaters bis zur Mitte der 1930er Jahre in Berlin. Zusammen mit ihrer Mutter gelingt die Emigration ans andere Ende der Welt, nach Australien. Reinhold Scholem nimmt die australische Staatsbürgerschaft an und identifiziert sich mit seiner neuen Heimat so intensiv wie zuvor mit Deutschland, so meldet er sich zur australischen Armee während des Zweiten Weltkriegs. Erich Scholem hingegen verband eine lebenslange Sehnsucht mit Deutschland.
Der dritte Scholem-Bruder, Werner, Kommunist in den 1920er Jahren, Reichstagsabgeordneter, wird gleich nach der Machtergreifung inhaftiert und stirbt im KZ Buchenwald. Gerhard, später Gershom, Scholem, Zionist, Philosoph, Judaist, wandert in den 1920er Jahren nach Palästina aus und baut die Hebräische Universität in Jerusalem mit auf. Er gehört zu den weltweit anerkannten Spezialisten jüdischer Mystik, speziell der Kabbala.
Im Buch verknüpft Gellert sehr anschaulich deutsch-jüdische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts mit einer Familiengeschichte. Der einzige Wermutstropfen ist, dass das Buch teilweise sprachliche Eleganz vermissen lässt.
Gabriele Schulz
Jay H. Geller: Die Scholems. Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie. Berlin 2020