Zwei Thesen tragen durch das Buch von Hedwig Richter „Demokratie. Eine deutsche Affäre: Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“. Zum einen die These, dass zur Durchsetzung der Demokratie weniger die revolutionären Massen als vielmehr die Eliten beigetragen haben. Zum anderen die These, dass der Umgang mit dem menschlichen Körper ein Gradmesser für die Demokratisierung ist.
Diese beiden Thesen geht Richter ausgehend vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart nach. Sie konzentriert sich dabei vor allem auf Deutschland. Das Buch besticht durch eine elegante und zugleich mitreißende Sprache. Richter versteht es, die Geschichte der Demokratie wie einen fesselnden Roman zu erzählen, mit Auf und Abs, Haupt- und Nebencharakteren. Eine Besonderheit liegt darin, wie durch kleine sprachliche Feinheiten scheinbar allgemein gültige Wahrheiten hinterfragt werden. So benennt Richter das mühsam errungene allgemeine Wahlrecht bis 1918, dem Jahr, als endlich auch Frauen wählen durften, stets als allgemeines Männerwahlrecht.
Diese und weitere Feinheiten machen das Buch so lesenswert. Ein Buch, das durchdrungen ist, von einem großen Optimismus an die Kraft der Demokratie.
Besonders interessant sind die Ausführungen zur deutschen Reichsgründung 1871 und insbesondere zum Staat Preußen. Richter zeigt auf, dass der Staat Preußen weitaus mehr war als Pickelhaube und Militarismus. Preußen steht ebenso für Aufklärung, für wissenschaftlichen Fortschritt, allgemeine Schulpflicht und demokratische Reformen. 150 Jahre nach der Reichsgründung spannende Thesen.
Das einzige kleine Manko, an dem ansonsten uneingeschränkt zu empfehlenden und sehr lesenswerten Buch ist, dass solide Grundkenntnisse in deutscher Geschichte vorausgesetzt werden.
Gabriele Schulz