Antisemitismus war nie weg, er hielt sich lediglich „versteckt“. Jetzt ist er auf dem Vormarsch und äußert sich nicht nur in Worten, sondern auch in aggressiven Gewalttaten. „Die Bedrohung von rechts stellt zurzeit die größte Gefahr dar für Juden und andere Minderheiten in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt“, schreibt Sigmund Gottlieb. In dem Buch „Stoppt den Judenhass“ stellt er die Frage, warum der Großteil der Gesellschaft zu einer schweigenden Masse geworden ist. Warum stehen wir jüdischen Bürgerinnen und Bürgern nicht bei?
Den antisemitischen und rassistischen Übergriffen gehen meist Worte voraus. Diese scheinen mittlerweile hinnehmbar, ja zur „Normalität“ geworden zu sein. Gottlieb warnt, nicht die Augen davor zu verschließen, uns davon nicht unberührt zu lassen. Dem einstigen „Nie wieder“ steht mittlerweile ein ständiges „Immer wieder“ gegenüber: immer wieder von rechts, von links, von Muslimen, von Akademikern, auf der Straße … Die Linie des Sagbaren ist längst überschritten und hat sich dadurch gewaltig verschoben.
Was helfen die immer gleichen Phrasen von Politikerinnen und Politkern nach den Gewalttaten? Worte werden Antisemitismus und Rassismus nicht stoppen. Keine Worte mehr, sondern Taten – fordert Gottlieb. Solidarität darf keine leere Hülle sein. Am Ende des Buches steht eine Liste mit zehn Anregungen des Autors, z. B. eine tiefgreifendere Auseinandersetzung von Journalistinnen und Journalisten mit jüdischem Leben und Geschichte oder eine jährlich von der Bundesregierung ausgerichtete internationale Antisemitismuskonferenz. Mit knapp 90 Seiten bringt Gottlieb die Problematik auf den Punkt, analysiert den Handlungsbedarf und nennt Empfehlungen.
Kristin Braband