Tuğba Tek­kal

Die ehe­ma­lige Pro­fi­fuß­bal­le­rin Tuğba Tek­kal wurde 1985 in Han­no­ver gebo­ren. Ihre Eltern sind jesi­di­sche Kur­den und flo­hen in den 1960er Jah­ren aus dem Osten der Tür­kei nach Deutsch­land. Gemein­sam mit ihren Eltern, den zehn Geschwis­tern und der Groß­mutter lebte die Fami­lie zunächst in Han­no­ver. Durch das Leben in der Groß­fa­mi­lie lern­ten sie und ihre Geschwis­ter schnell, Rück­sicht auf andere, aber auch Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der zu übernehmen.

Als sie mit 16 Jah­ren mit Fuß­ball anfing, brachte dies einen Wen­de­punkt in Tuğ­bas Leben. Ihre Brü­der waren beein­druckt von ihrem Talent und über­zeug­ten sie, im Ver­ein zu spie­len. Der Fuß­ball gab ihr Zuver­sicht und Selbst­ver­trauen. Tuğba spielte zunächst in Han­no­ver, dann in Ham­burg und wech­selte schließ­lich nach Köln, wo sie auf Pro­fi­ni­veau spielte. Mitt­ler­weile hat sie ihre Pro­fi­kar­riere been­det und wid­met sich poli­ti­schen und sozia­len Initia­ti­ven, z. B. dem Pro­jekt „SCORING GIRLS“.

Vie­len Dank, Tuğba Tek­kal, für den sport­li­chen Ein­satz auf dem Fuß­ball­feld und für unsere Gesellschaft!

Du hast für den 1. FC Köln gespielt, der in die­sem Zeit­raum auch in die Bun­des­liga auf­stieg. Wie hast du deine Begeis­te­rung für die­sen Sport ent­deckt? Und inwie­fern hat Fuß­ball dein Leben verändert?
Ent­deckt habe ich meine Begeis­te­rung für den Fuß­ball damals durch meine Brü­der, die mich auf den Fuß­ball­platz mit­ge­nom­men haben. Meine Brü­der waren es auch, die mein Talent gese­hen haben und sich dafür ein­ge­setzt haben, dass ich im Ver­ein spie­len darf. Bevor ich mit dem Fuß­ball­spie­len ange­fan­gen habe, hatte ich ein sehr gerin­ges Selbst­be­wusst­sein, da ich in mei­ner Schul­zeit mit Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen kon­fron­tiert war. Auf dem Fuß­ball­feld wurde ich nur nach mei­ner Leis­tung beur­teilt – nicht nach mei­ner Her­kunft. Das war für mich eine sehr wich­tige Erfah­rung. Durch die Aner­ken­nung, die ich im Sport bekom­men habe, habe ich gelernt, in mich und meine Fähig­kei­ten zu ver­trauen und ein gesun­des Selbst­wert­ge­fühl entwickelt.

„Auf dem Fuß­ball­feld wurde ich nur nach mei­ner Leis­tung beur­teilt – nicht nach mei­ner Herkunft.“

Gemein­sam mit dei­ner Schwes­ter Düzen Tek­kal hast du die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tion „HÀWAR.help“ ins Leben geru­fen. Wofür setzt sich der Ver­ein ein? 
„HÀWAR.help“ wurde auf der Asche eines Völ­ker­mords gegrün­det. Meine Schwes­ter Düzen war 2015 als Kriegs­re­por­te­rin im Irak und wurde vor Ort Zeu­gin des Geno­zids an den Jesi­den durch den IS. Unter die­sem Ein­druck und mit dem Ziel, den Opfern zu hel­fen und auf ihr Schick­sal auf­merk­sam zu machen, wurde „HÀWAR.help“ gegrün­det. Mitt­ler­weile haben wir mit „HÀWAR.help“ ver­schie­dene Pro­jekte initi­iert. Wir set­zen uns für Men­schen ein, die ver­folgt wer­den, aus ihrer Hei­mat flie­hen muss­ten oder sich in huma­ni­tä­ren Not­la­gen befin­den. Der Fokus liegt dabei beson­ders auf dem Empower­ment von Frauen. Wir leis­ten Auf­klä­rungs­ar­beit und set­zen uns hier in Deutsch­land für Inte­gra­tion ein. Unsere Pro­jekte sind mul­ti­eth­nisch und mul­ti­re­li­giös aufgestellt.

„Fuß­ball hat mir damals gehol­fen, in mich selbst zu ver­trauen. Die­sen Effekt sehe ich auch bei vie­len Mäd­chen bei „SCORING GIRLS“.“

Auf­grund dei­nes sport­li­chen Hin­ter­grunds und dei­ner kul­tu­rel­len Wur­zeln liegt dir beson­ders das Pro­jekt „SCORING GIRLS“ am Her­zen. Was ist das Ziel des Pro­jekts? Um was geht es dabei?
„SCORING GIRLS“ ist ein inte­gra­ti­ves Fuß­ball­pro­jekt für junge Mäd­chen aus Fami­lien mit Flucht- bzw. Migra­ti­ons­hin­ter­grund, oder aus sozial benach­tei­lig­ten Fami­lien. Der inte­gra­tive Aspekt des Pro­jekts bezieht sich zum einen auf das Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl in der Mann­schaft und zum ande­ren dar­auf, den Mäd­chen Mög­lich­kei­ten zur Mit­be­stim­mung ein­zu­räu­men. Dar­über hin­aus geht es mir dabei aber auch darum, das Selbst­be­wusst­sein der Mäd­chen zu stär­ken. Fuß­ball hat mir damals gehol­fen, in mich selbst zu ver­trauen. Die­sen Effekt sehe ich auch bei vie­len Mäd­chen bei „SCORING GIRLS“. Das zeigt sich bei­spiels­weise darin, dass die beruf­li­chen Ziele der Mädels ambi­tio­nier­ter wer­den. Aus dem eins­ti­gen Berufs­wunsch der Arzt­hel­fe­rin ist zum Bei­spiel bei einem der Mäd­chen mitt­ler­weile das Ziel gereift, Ärz­tin zu werden.

Du bist Wer­te­bot­schaf­te­rin bei „Ger­man­Dream“. Was steckt hin­ter der Initia­tive und was sind deine Auf­ga­ben als Wertebotschafterin?
Die Initia­tive „Ger­man­Dream“ sen­det Wer­te­bot­schaf­ter an Schu­len, die dort ihren per­sön­li­chen wahr­ge­wor­de­nen „Ger­man­Dream“ mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern tei­len. Meine Auf­gabe als Wer­be­bot­schaf­te­rin ist es, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern von mei­ner per­sön­li­chen Erfolgs­ge­schichte und den Wer­ten, die mich dabei beglei­tet haben, zu erzäh­len. Wir möch­ten mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu The­men wie Migra­tion, Iden­ti­tät, Geschlech­ter­rol­len etc. in den Dis­kurs gehen, ihnen zei­gen, was sie alles errei­chen kön­nen und einen Bei­trag zur Stär­kung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung leisten.

Die 15 The­sen der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion tra­gen den Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt“. Was bedeu­tet für dich „Zusam­men­halt in Viel­falt“ und wel­che der 15 The­sen ist deine „Lieb­lings­these“?
Bei „SCORING GIRLS“ trai­nie­ren wir in einer sehr diver­sen Zusam­men­set­zung. Ich merke immer wie­der, wie viel wir von­ein­an­der ler­nen kön­nen, wie berei­chernd Viel­falt ist und wie viel ich auch für mich sel­ber aus dem Kon­takt mit den Mäd­chen mit­nehme. Die Grund­lage dafür ist natür­lich ein gemein­sa­mer Wertekonsens.

„Ich merke immer wie­der, wie viel wir von­ein­an­der ler­nen kön­nen, wie berei­chernd Viel­falt ist.“

Meine Lieb­lings­these ist die These 1: „Das Grund­ge­setz als Grund­lage für das Zusam­men­le­ben der Men­schen in Deutsch­land muss gelebt wer­den.“ Der Arti­kel 3 im Grund­ge­setz besagt: „Nie­mand darf wegen sei­nes Geschlech­tes, sei­ner Abstam­mung, sei­ner Rasse, sei­ner Spra­che, sei­ner Hei­mat und Her­kunft, sei­nes Glau­bens, sei­ner reli­giö­sen oder poli­ti­schen Anschau­un­gen benach­tei­ligt oder bevor­zugt wer­den. Nie­mand darf wegen sei­ner Behin­de­rung benach­tei­ligt wer­den.“ Als Toch­ter kur­disch-jesi­di­scher Flücht­linge habe ich natür­lich einen beson­de­ren Bezug zu die­sem Arti­kel. Für uns hat der Schutz durch das Grund­ge­setz das Leben ermög­licht, das wir heute füh­ren. Das ist ein Grund für mein heu­ti­ges Enga­ge­ment, denn für mich ist dar­aus der Wunsch erwach­sen, der Gesell­schaft etwas zurück­ge­ben zu wollen.

Vie­len Dank!

Von |2020-09-16T17:55:49+02:00August 1st, 2020|Menschen|Kommentare deaktiviert für Tuğba Tek­kal