Was kommt einem bei Worten wie „Sowjet“ oder „SED“ zuerst in den Sinn? Die Antworten von Ost- und Westnachwendekindern sind oft sehr unterschiedlich, denn der Osten wurde nach der Wende lange nicht thematisiert. Er stand synonym für Probleme und Diskrepanz. Haben sich die Unterschiede zwischen Ost und West seit der Wiedervereinigung wirklich verflüchtigt?
Die 1990 geborene Journalistin Valerie Schönian geht in dem Buch „Ostbewusstsein“ ihrem Gefühl des Ostdeutsch-Seins auf die Spur – und das in einer Zeit, wo sich die meisten jungen Menschen doch sogar eher als Europäer sehen. Wieso fühlt sich die Autorin ostdeutsch? Und was bedeutet das 30 Jahre nach der Wende?
Schönian kritisiert, dass oft in Stereotypen vom Osten gesprochen wird und bemängelt das fehlende Bewusstsein für die Nachwendezeit im kulturellen Gedächtnis der Westdeutschen. Bei ihrer Reise durch den Osten der Bundesrepublik will sie ihn nicht schöner machen, als er ist, aber eben die Realität widerspiegeln: das Unfertige, das immer in Bewegung sein, das sich hinterfragen und an sich arbeiten. Dazu spricht die Autorin eingangs mit der Wendegeneration und anschließend mit Nachwendekindern. Der Unterschied liegt darin, dass erstere die DDR hinter sich lassen und wie Westdeutsche werden wollte. Die Nachwendegeneration hinterfragt die DDR auf andere Art und will vermehrt ihr „Ostbewusstsein“ erwecken. Sie will als junge ostdeutsche Stimme die Debatte mitgestalten.
Während die Wendegeneration die Transformationskompetenz beherrscht – von einem System in ein anderes–, verfügen Nachwendekinder über ein Verständnis darüber. Genau darin sieht Schönian die Aufgabe der Nachwendekinder. Sie können übersetzen und Brücken schlagen – deutschlandweit für mehr Verständnis sorgen. Vielleicht ist das verstärkte Reden über den Osten ein Zeichen dafür, dass wir vorwärtskommen mit der Deutschen Einheit. Also, reden wir gemeinsam (mehr) über den Osten!
Kristin Braband