Caro­lin Emcke: Ja heißt ja und …

Eini­ger Pri­vi­le­gien, die mir zuteil­wer­den, bin ich mir heute bewuss­ter denn je: Aktu­ell habe ich das Pri­vi­leg, von zu Hause arbei­ten zu dür­fen. Mein Zuhause ist ein war­mes, gemüt­li­ches und vor allem siche­res. Hier bin ich gern, hier kann ich sein, hier habe ich nichts zu befürchten.

In die­sen Tagen, in denen wir alle auf­ge­ru­fen sind, zu Hause zu blei­ben, ist auch an jene zu den­ken, denen die­ses Pri­vi­leg nicht zuteil­wird; die eben zu Hause nicht sicher sind; die etwas zu befürch­ten haben. 2018 wur­den circa 114.000 Frauen Opfer häus­li­cher Gewalt. Rund 26.000 Män­ner wur­den in den eige­nen vier Wän­den bedroht, genö­tigt und ange­grif­fen – so die Anga­ben des Bundeskriminalamtes.
Auch Nadia zählt zu ihnen: „Wir hat­ten am Tisch geses­sen. Nadia war ins Neben­zim­mer gegan­gen, um nach ihrem Mann und dem Baby zu schauen. (…) Einer der ande­ren Gäste sagte spä­ter, er habe den Schlag gehört.“ Nadia ist Opfer häus­li­cher Gewalt – wäh­rend beim Abend­essen nebenan die Freunde sit­zen – und Prot­ago­nis­tin eines Frag­ments in Caro­lin Emckes 2019 erschie­ne­nem Buch „Ja heißt ja und …“. Die­ses beruht auf einem Büh­nen­pro­gramm, das Emcke im Dezem­ber 2018 in der Ber­li­ner Schau­bühne erst­ma­lig aufführte.

Was tun? Emcke schreibt „Damals konnte ich nur über zwei Reak­tio­nen nach­den­ken: sie mit­zu­neh­men oder sie dazu­las­sen, wie sie es wünschte. (…) Ein­fach in das Zim­mer zu gehen, in dem der Mann sich ver­barg, ihn anzu­spre­chen (…) Das ist mir noch nicht ein­mal eingefallen.“

Solch per­sön­li­che Ereig­nisse ver­bin­det Emcke mühe­los mit gesell­schaft­li­cher Ana­lyse. Ihr gelingt ein Mono­log über uns alle. Doch nicht nur Gewalt ist Thema. Auf den rund hun­dert Sei­ten führt die Autorin ver­schie­denste Frag­mente zu Begeh­ren, Lust, Spra­che, Sexua­li­tät und Wahr­heit zusam­men, die ihren Aus­gangs­punkt in der #MeToo-Debatte haben.

Am Ende die­ses Buches geht es Emcke um Wahr­neh­mung und Bewusst­ma­chung. Ein biss­chen mehr davon tut uns allen gut – nicht nur jetzt, son­dern immer.

The­resa Brüheim

Caro­lin Emcke. Ja heißt ja und … Frank­furt am Main 2019

Von |2020-04-03T13:08:13+02:00April 3rd, 2020|Rezension|Kommentare deaktiviert für Caro­lin Emcke: Ja heißt ja und …
Theresa Brüheim ist Referentin für Kommunikation beim Deutschen Kulturrat und Chefin vom Dienst bei Politik & Kultur.