Theresa Brüheim 3. April 2020 Logo_Initiative_print.png

Caro­lin Emcke: Ja heißt ja und …

Einiger Privilegien, die mir zuteilwerden, bin ich mir heute bewusster denn je: Aktuell habe ich das Privileg, von zu Hause arbeiten zu dürfen. Mein Zuhause ist ein warmes, gemütliches und vor allem sicheres. Hier bin ich gern, hier kann ich sein, hier habe ich nichts zu befürchten.

In diesen Tagen, in denen wir alle aufgerufen sind, zu Hause zu bleiben, ist auch an jene zu denken, denen dieses Privileg nicht zuteilwird; die eben zu Hause nicht sicher sind; die etwas zu befürchten haben. 2018 wurden circa 114.000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Rund 26.000 Männer wurden in den eigenen vier Wänden bedroht, genötigt und angegriffen – so die Angaben des Bundeskriminalamtes.
Auch Nadia zählt zu ihnen: „Wir hatten am Tisch gesessen. Nadia war ins Nebenzimmer gegangen, um nach ihrem Mann und dem Baby zu schauen. (…) Einer der anderen Gäste sagte später, er habe den Schlag gehört.“ Nadia ist Opfer häuslicher Gewalt – während beim Abendessen nebenan die Freunde sitzen – und Protagonistin eines Fragments in Carolin Emckes 2019 erschienenem Buch „Ja heißt ja und …“. Dieses beruht auf einem Bühnenprogramm, das Emcke im Dezember 2018 in der Berliner Schaubühne erstmalig aufführte.

Was tun? Emcke schreibt „Damals konnte ich nur über zwei Reaktionen nachdenken: sie mitzunehmen oder sie dazulassen, wie sie es wünschte. (…) Einfach in das Zimmer zu gehen, in dem der Mann sich verbarg, ihn anzusprechen (…) Das ist mir noch nicht einmal eingefallen.“

Solch persönliche Ereignisse verbindet Emcke mühelos mit gesellschaftlicher Analyse. Ihr gelingt ein Monolog über uns alle. Doch nicht nur Gewalt ist Thema. Auf den rund hundert Seiten führt die Autorin verschiedenste Fragmente zu Begehren, Lust, Sprache, Sexualität und Wahrheit zusammen, die ihren Ausgangspunkt in der #MeToo-Debatte haben.

Am Ende dieses Buches geht es Emcke um Wahrnehmung und Bewusstmachung. Ein bisschen mehr davon tut uns allen gut – nicht nur jetzt, sondern immer.

Theresa Brüheim

Carolin Emcke. Ja heißt ja und … Frankfurt am Main 2019

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