Nalan Sipar

Mit dem deutsch-migran­ti­schen For­mat „Nal­ans Late Night Show“ will die Jour­na­lis­tin Nalan Sipar The­men aus migran­ti­schen Com­mu­ni­ties in den Medien stär­ker ver­an­kern. Migran­ti­sche Lebens­rea­li­tä­ten for­men die Sendung.

Nalan Sipar kam im Jahr 2000 aus Istan­bul nach Deutsch­land. Sie stu­dierte Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und fand über einen Repor­ta­gen-Wett­be­werb von Funk­haus Europa den Weg zum Jour­na­lis­mus. Der­zeit arbei­tet sie als Jour­na­lis­tin unter ande­rem für Deutsch­land­funk, Deut­sche Welle und Krautreporter.

Vie­len Dank, Nalan Sipar, für den Ein­satz für mehr Diver­si­tät in unse­rer Medienlandschaft.

Seit Januar die­ses Jah­res gibt es die Gesprächs­sen­dung „Nal­ans Late Night Show“. Die Fol­gen kann man sich auf dem You­Tube-Kanal ALEX Ber­lin anse­hen. Wie ent­stand die Idee zu die­sem For­mat und was ist das Beson­dere daran?
Es gibt drei Beson­der­hei­ten an die­sem For­mat. Es ist Deutsch­lands erste „deutsch-migran­ti­sche Late Night Show“. Ich bin offen­bar die erste Frau in Deutsch­land, die eine sol­che Show mode­riert. Und die Show wurde bis­her aus­schließ­lich durch Crowd­fun­ding finan­ziert. Lei­der kann ich mit die­sen Spen­den nur die Pro­duk­ti­ons­kos­ten abde­cken. Sprich: Redak­tio­nell gese­hen ist es eine „one woman show“.

„Lachen ist näm­lich ein äußerst poli­ti­scher Akt, der empowert.“

Eigent­lich arbeite ich seit zwei Jah­ren an dem For­mat. Ich habe das For­mat schon einem gro­ßen Sen­der sowie zwei Pro­duk­ti­ons­fir­men vor­ge­stellt. Es sollte ein jour­na­lis­ti­sches For­mat wer­den, bei dem Men­schen lachen kön­nen und gleich­zei­tig infor­miert wer­den. Lachen ist näm­lich ein äußerst poli­ti­scher Akt, der empowert. Als ich aber keine Pro­du­zen­ten fin­den konnte, sagte ich mir: „Gut, dann nehme ich das selbst in die Hand.“ Ber­lins Lokal­sen­der ALEX Ber­lin fand die Idee gut und so konnte ich die Show star­ten. Ich bekomme ein sehr posi­ti­ves Feed­back, was mir ver­deut­licht, dass es rich­tig war an die­ser Idee festzuhalten.

In der Show gibt es unter ande­rem die Kate­go­rie „Du schaffst das nicht“. Was hat es damit auf sich?
Meine Fami­lie und ich sind aus poli­ti­schen Grün­den aus der Tür­kei nach Deutsch­land gekom­men. Damals war ich 15 und musste zuerst auf die Haupt­schule gehen, um Deutsch zu ler­nen. Als ich mei­ner Leh­re­rin sagte, dass ich gerne stu­die­ren möchte, sagte sie mir genau die­sen Satz: „Du kannst kein Deutsch, deine Eltern haben kein Geld und du schaffst das nicht.“ Das hatte mich ver­letzt. Ich wollte unbe­dingt stu­die­ren und auf eige­nen Bei­nen ste­hen. So wie meine Mut­ter uns das bei­gebracht hatte. Also habe ich viel gelernt, habe gute Noten bekom­men und bin auf das Gym­na­sium gewech­selt. Am Ende war meine Leh­re­rin stolz auf mich und unter­stützte mich sogar, als ich im ers­ten Jahr auf dem Gym­na­sium Pro­bleme mit Mathe hatte. Die Geschichte nahm am Ende glück­li­cher­weise eine posi­tive Wende.

Ich weiß aber, dass ich nicht die Ein­zige bin, die die­sen Satz gehört hat. Sehr viele Kin­der mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund oder aus Arbei­ter­fa­mi­lien hören die­sen Satz auch. Und viele geben ihre Träume auf. Das ist viel­leicht eine Wunde, die wir alle in und mit uns tra­gen. Des­we­gen stelle ich in der Show starke Men­schen vor, die genau die­sen Satz gehört haben und es trotz­dem geschafft haben. Ich feiere sie. Und ich hoffe, dass wenn wir diese Wun­den offen anspre­chen, andere Kin­der die­sen Satz nicht mehr hören müs­sen und die­ser Satz uns nicht mehr weh tut.

Sie haben Sozi­al­wis­sen­schaf­ten stu­diert. Wie haben Sie Ihr Inter­esse für den Jour­na­lis­mus entdeckt?
Ich wollte schon als klei­nes Kind Nach­rich­ten­spre­che­rin wer­den und habe mit 13 Jah­ren eine Kin­der­sen­dung bei einem Lokal­sen­der in Istan­bul mode­riert. Mein Vater war Leh­rer. Also hatte er für mich die Skripte geschrie­ben und z. B. erklärt, wer Alex­an­der Gra­ham Bell war.

Ich bin ein sehr neu­gie­ri­ger Mensch und spre­che es gerne an, wenn etwas nicht gut läuft. Ich denke, das sind wich­tige Eigen­schaf­ten, die Jour­na­lis­ten u. a. mit­brin­gen soll­ten. Aber ich sehe den Jour­na­lis­mus, der durch die Digi­ta­li­sie­rung auch viele krea­tive For­men mit sich bringt, nicht als mei­nen Beruf, son­dern als mein Hobby.

Im Zuge der kur­sie­ren­den Falsch­mel­dun­gen über das Coro­na­vi­rus haben Sie die Bun­des­re­gie­rung in einem Tweet dazu auf­ge­for­dert, gesi­cherte Infor­ma­tio­nen in meh­re­ren Spra­chen zu ver­öf­fent­li­chen. Der Tweet hatte eine immense Wir­kung. Was ist seit­dem passiert?
Das Bun­des­mi­nis­te­rium für Gesund­heit hat mich auf Twit­ter kon­tak­tiert und in weni­ger als 24 Stun­den haben wir das Video über Fake-News auf Tür­kisch, mit deut­schen Unter­ti­teln pro­du­ziert und ver­öf­fent­licht. Das ging super schnell.

Der Auf­ruf nach Infor­ma­tio­nen auf unter­schied­li­chen Spra­chen wurde von vie­len Medi­en­häu­sern auch ernst genom­men, was mich sehr gefreut hat. Ze.tt, Ber­li­ner Zei­tung, Tages­spie­gel, BR, Spie­gel und die taz berich­ten seit­dem auch auf unter­schied­li­chen Sprachen.

Außer­dem mache ich auf mei­nem pri­va­ten You­Tube-Kanal jeden Tag Videos auf Tür­kisch. Bei ins­ge­samt mehr als zwei Mil­lio­nen Impres­sio­nen bei die­sen Videos merke ich, dass der Bedarf nach Infor­ma­tio­nen sehr, sehr groß ist.

Die 15 The­sen der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion tra­gen den Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt“. Was bedeu­tet für Sie „Zusam­men­halt in Viel­falt“ und wel­che der 15 The­sen ist Ihre „Lieb­lings­these“?
„Zusam­men­halt in Viel­falt“ bedeu­tet für mich, dass wir uns gegen­sei­tig respek­tie­ren, stets an unsere Gemein­schaft den­ken, uns auf unsere Gemein­sam­kei­ten kon­zen­trie­ren und soli­da­risch han­deln. Unge­ach­tet des­sen, wie unter­schied­lich wir aus­se­hen, spre­chen oder glauben.

„Ich bin ein mei­nungs­star­ker Mensch und liebe es, wenn ich andere Mei­nun­gen hören kann, die mei­nen Hori­zont erweitern.“

Und meine Lieb­lings­these ist die Num­mer 6: „Demo­kra­ti­sche Debat­ten- und Streit­kul­tur stärkt die Mei­nungs­bil­dung in einer plu­ra­lis­ti­schen Gesell­schaft.“ Ich bin ein mei­nungs­star­ker Mensch und liebe es, wenn ich andere Mei­nun­gen hören kann, die mei­nen Hori­zont erwei­tern. Eine Gesell­schaft funk­tio­niert, mei­ner Mei­nung nach, wie eine gute Bezie­hung: Nur wenn man über alles offen und ehr­lich reden kann, hat sie eine solide Basis. Das­selbe gilt auch für unsere Demo­kra­tie, für die wir uns heute mehr denn je ein­set­zen sollten.

Vie­len Dank!

Von |2020-07-07T15:50:36+02:00April 1st, 2020|Menschen|Kommentare deaktiviert für Nalan Sipar