Ja, wir schaf­fen das! Inte­gra­tion gelingt

Deutsch ler­nen, Erwerbs­ar­beit und Bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment sind die Schlüssel

„Wir schaf­fen das“, die­ser Satz von Bun­des­kanz­le­rin Angela Mer­kel im Sep­tem­ber 2015 ist zu einer Chif­fre für die Flücht­lings­po­li­tik im Som­mer 2015 gewor­den und gehört sicher­lich zu den meist zitier­ten und meist umstrit­te­nen Sät­zen der letz­ten Jahre. Ver­mut­lich wurde in die­sen Satz mehr hin­ein­in­ter­pre­tiert, als eigent­lich inten­diert war.

Die vom Deut­schen Kul­tur­rat initi­ierte Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion hat mit ihren 15 The­sen „Zusam­men­halt in Viel­falt“ im Jahr 2017 eine gemein­same Posi­tion vor­ge­legt, die von dem Grund­ver­ständ­nis getra­gen ist, dass Inte­gra­tion in der Ver­gan­gen­heit in Deutsch­land gelun­gen ist und auch in Zukunft gelin­gen wird. Migra­tion und Inte­gra­tion sind Bestand­teil der euro­päi­schen und der deut­schen Geschichte. Gerade Deutsch­land als Land in der Mitte Euro­pas ist seit Jahr­hun­der­ten durch Migra­tion geprägt, was sich nicht zuletzt in der deut­schen Spra­che mit ihren vie­len Lehn­wör­tern aus ande­ren Spra­chen zeigt.

In den 15 The­sen hat die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion Gelin­gens­be­din­gun­gen für kul­tu­relle Inte­gra­tion for­mu­liert. Sie hat dabei bewusst auf den Begriff der Leit­kul­tur ver­zich­tet – nicht zuletzt, weil die­ser Begriff zumeist aus­gren­zend benutzt wird. Viel­mehr wird in kur­zen knap­pen The­sen, die mit Erläu­te­run­gen ver­se­hen sind, ein Dis­kus­si­ons­bei­trag zu gesell­schaft­li­chem Zusam­men­halt in Viel­falt geleis­tet. Die Mit­glie­der der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion ver­tre­ten dabei ein brei­tes Spek­trum an Insti­tu­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen, ver­schie­dene poli­ti­sche Ebe­nen und Inter­es­sen. Sie ste­hen für ein viel­fäl­ti­ges Enga­ge­ment und den Zusam­men­halt in einer plu­ra­len Gesell­schaft. Inte­gra­tion betrifft alle in Deutsch­land leben­den Men­schen. Jede und jeder kann hierzu einen Bei­trag leisten.

Bedeu­tung: Deutsch lernen

Eine der The­sen befasst sich mit der deut­schen Spra­che. In These 12 ist zu lesen: „Deut­sche Spra­che ist Schlüs­sel zur Teil­habe“ und wei­ter in der Erläu­te­rung „Unsere gemein­same deut­sche Spra­che ist der Schlüs­sel zur Teil­habe aller in Deutsch­land leben­den Men­schen am gesell­schaft­li­chen Leben. Sie ist das unver­zicht­bare Mit­tel zu gleich­be­rech­tig­ter Kom­mu­ni­ka­tion und damit Grund­vor­aus­set­zung für Inte­gra­tion und gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. Spra­che ist aber nicht nur Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, sie ist zugleich Kul­tur­gut, das in Dich­tung und Lite­ra­tur ihren Aus­druck fin­det und den Zugang zu Kul­tur und Gesell­schaft ermöglicht“.

Da der Sprach­er­werb einer der Schlüs­sel für erfolg­rei­che Inte­gra­tion ist, wird in Inte­gra­ti­ons­kur­sen ein beson­de­res Augen­merk hier­auf gerich­tet. Die im Februar 2020 vor­ge­legte Kurz­ana­lyse des For­schungs­zen­trums Migra­tion, Inte­gra­tion und Asyl des Bun­des­am­tes für Migra­tion und Flücht­linge (im Fol­gen­den: BAMF-Kurz­ana­lyse) belegt, dass Flücht­linge ihre Deutsch­kennt­nisse wei­ter ver­bes­sern und sogar 44 Pro­zent der Befrag­ten anga­ben, sehr gute Deutsch­kennt­nisse zu haben. Befragt wur­den im Rah­men einer Son­der­er­he­bung des Sozio-Öko­no­mi­schen Panels Flücht­linge, die im Zeit­raum von 2013 bis 2016 nach Deutsch­land gekom­men sind. Es ist die dritte Befra­gungs­welle die­ser Gruppe. In der zwei­ten und drit­ten Welle wur­den auch Flücht­linge befragt, die erst im Jahr 2016 in Deutsch­land ange­kom­men sind. In der BAMF-Kurz­ana­lyse wird dar­auf ver­wie­sen, dass viele im Jahr 2016 ange­kom­me­nen Flücht­linge, ins­be­son­dere aus Syrien, ungüns­tige Vor­aus­set­zun­gen für den Deut­sch­er­werb haben, da ihre Her­kunfts­spra­che „eine ver­gleichs­weise hohe lin­gu­is­ti­sche Distanz zur deut­schen Spra­che“ auf­weist. Oder anders gesagt: Ara­bisch gehört nicht zur indo-euro­päi­schen Sprach­fa­mi­lie, wes­halb der Sprach­er­werb schwie­ri­ger ist. Eben­falls wer­den das Feh­len von Kennt­nis­sen in der latei­ni­schen Schrift und eine hohe Ler­n­un­ge­wohn­heit als Pro­bleme ange­führt. Umso erfreu­li­cher ist es, dass so viele der Befrag­ten inzwi­schen Deutsch­kennt­nisse erwor­ben haben. Nur noch fünf Pro­zent der Befrag­ten gab an, keine Deutsch­kennt­nisse zu haben. Der weit­aus größte Teil ver­fügt also über Deutsch­kennt­nisse, teil­weise, wie erwähnt, sogar sehr gute. Das ist vor allem des­halb bemer­kens­wert, weil die Befrag­ten zum Zeit­punkt der Ankunft in Deutsch­land über keine Deutsch­kennt­nisse verfügten.

Die BAMF-Kurz­ana­lyse belegt, dass sich die Inves­ti­tion in Inte­gra­ti­ons- und in Deutsch­kurse lohnt. Beson­ders posi­tiv ent­wi­ckeln sich die Deutsch­kennt­nisse bei Per­so­nen, die im Her­kunfts­land ein hohes Bil­dungs­ni­veau erreicht haben bzw. die Kon­takte zu Deutsch­spra­chi­gen haben. Ins­be­son­dere Per­so­nen, die in den Arbeits­markt inte­griert sind, wei­sen bes­sere Deutsch­kennt­nisse auf. Zu bedau­ern ist, dass Frauen, die Kin­der unter vier Jahre zu Hause betreuen, wenig Deutsch­kennt­nisse haben. Auf diese Gruppe sollte daher ein beson­de­res Augen­merk gelegt wer­den, damit die Inte­gra­tion gelingt.

Bedeu­tung: Erwerbsarbeit

Die Inte­gra­tion in den Arbeits­markt war auch ein Thema in der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion. Sie for­mu­lierte in These 14 „Erwerbs­ar­beit ist wich­tig für Teil­habe, Iden­ti­fi­ka­tion und sozia­len Zusam­men­halt“ und wei­ter „Erwerbs­ar­beit besitzt große Inte­gra­ti­ons­kraft. Sie bringt die Gesell­schaft und die ein­zel­nen Men­schen zusam­men. Sie begründet Stolz und Iden­ti­fi­ka­tion mit dem aus eige­ner Kraft Geleis­te­ten. Sie gibt dem All­tag Struk­tur, ermöglicht Kom­mu­ni­ka­tion und fördert so ganz ent­schei­dend den sozia­len Zusam­men­halt. Weil Erwerbs­ar­beit eine so große Bedeu­tung hat, ist der Zugang aller erwerbs­fä­hi­gen Men­schen zum Arbeits­markt beson­ders wich­tig. Das gilt, ganz unab­hän­gig davon, ob sie neu in Deutsch­land sind oder schon lange hier leben, ob sie Beein­träch­ti­gun­gen haben oder nicht. Die Gesell­schaft muss sich auch daran mes­sen las­sen, ob sie ange­mes­sene Zugangs­mög­lich­kei­ten zum Arbeits­markt bietet“.

Das „Netz­werk Unter­neh­men inte­grie­ren Flücht­linge“ hat eben­falls im Februar die­ses Jah­res aktu­elle Daten zur Inte­gra­tion von Flücht­lin­gen in den Arbeits­markt vor­ge­legt. Im Netz­werk enga­gie­ren sich klein- und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men. Mehr als jedes zweite Unter­neh­men, das dem genann­ten Netz­werk ange­hört, bil­det Flücht­linge aus. Die Zahl der Flücht­linge, die eine Aus­bil­dung im dua­len Sys­tem in Unter­neh­men des genann­ten Netz­werks absol­vie­ren, ist von 35 Pro­zent im Jahr 2016 auf 56 Pro­zent im Jahr 2019 gestie­gen, das ist ein beträcht­li­cher Zuwachs.

Zurück­ge­gan­gen ist die Zahl der Flücht­linge, die ein Prak­ti­kum absol­vie­ren. Sie lag im Jahr 2016 bei 51 Pro­zent und beträgt im Jahr 2019 40 Pro­zent. Diese Zahl ist ein Hin­weis dar­auf, dass ein Prak­ti­kum teil­weise in eine Aus­bil­dung ein­mün­det, die den Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten deut­lich bes­sere Chan­cen auf dem Arbeits­markt bie­tet. Der Bedarf an Fach- und Hilfs­kräf­ten in den Unter­neh­men ist ein wich­ti­ger Trei­ber für die Beschäf­ti­gung von Flüchtlingen.

Der weit­aus größte Teil der befrag­ten Unter­neh­men unter­stützt Flücht­linge bei der Inte­gra­tion. Ledig­lich vier Pro­zent der Unter­neh­men gaben an, Flücht­linge beim Ankom­men im Betrieb nicht zu unterstützen.

Dem­ge­gen­über unter­stüt­zen 96 Pro­zent Flücht­linge. Dies ist ein Beleg für das Enga­ge­ment von Unter­neh­men in der Inte­gra­tion. Am häu­figs­ten wer­den Flücht­linge bei Behör­den­gän­gen unter­stützt, gefolgt von zusätz­li­chen Sprach­kur­sen sowie Nach­hilfe für Aus­zu­bil­dende. Unter­neh­men wis­sen offen­bar das Poten­zial von Flücht­lin­gen für ihr eige­nes Unter­neh­men zu schät­zen und enga­gie­ren sich ent­spre­chend. Wer­den die Unter­neh­men nach Her­aus­for­de­run­gen gefragt, so ran­gie­ren Schwie­rig­kei­ten in der Berufs­schule mit 38 Pro­zent sowie Unsi­cher­hei­ten in der Per­so­nal­pla­nung mit 37 Pro­zent oben. Sprach­li­che Hür­den wur­den von 26 Pro­zent als Her­aus­for­de­rung genannt.

Inte­gra­tion ist eine dau­er­hafte Auf­gabe, die die gesamte Gesell­schaft her­aus­for­dert. Die hier skiz­zier­ten empi­ri­schen Ergeb­nisse bele­gen erfreu­li­cher­weise, dass Inte­gra­tion gelingt und vor allem, dass wir es schaffen.

Bedeu­tung: Bür­ger­schaft­li­ches Engagement

Zum Gelin­gen trägt neben dem staat­li­chen Han­deln wesent­lich das bür­ger­schaft­li­che Enga­ge­ment bei, sei es in Ver­ei­nen, in den Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, in den Unter­neh­men und ande­ren mehr. Die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion hat sich daher auch vor­ge­nom­men, sich in die­sem Jahr beson­ders dem bür­ger­schaft­li­chen bzw. gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ment für Zusam­men­halt in Viel­falt zu widmen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 03/2020.

Von |2020-03-04T09:59:36+01:00März 2nd, 2020|Arbeitsmarkt, Bürgerschaftliches Engagement, Sprache|Kommentare deaktiviert für

Ja, wir schaf­fen das! Inte­gra­tion gelingt

Deutsch ler­nen, Erwerbs­ar­beit und Bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment sind die Schlüssel

Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.