Annika Treut­ler

Im Alter von vier Jah­ren nahm Annika Treut­ler die ers­ten Kla­vier­stun­den. Die Liebe zur Musik beglei­tet sie seit­her. Nach Stu­dien in Ros­tock und Han­no­ver trat sie solis­tisch in allen wich­ti­gen Häu­sern Deutsch­lands wie der Ber­li­ner Phil­har­mo­nie, der Mün­che­ner Phil­har­mo­nie und der Elb­phil­har­mo­nie auf und kon­zer­tiert dar­über hin­aus – auch in ver­schie­de­nen Kam­mer­mu­sik­for­ma­tio­nen – in ganz Europa, Asien und Amerika.

Das Musi­zie­ren möchte Annika Treut­ler nut­zen, um Dia­logräume zu schaf­fen und gesell­schaft­lich etwas zu ver­än­dern. Beson­ders das Enga­ge­ment für die junge Gene­ra­tion liegt ihr am Her­zen und so wid­met sie sich mit dem von ihr ins Leben geru­fe­nen Pro­jekt „respon­din­mu­sic“ dem musi­ka­lisch gesell­schaft­li­chen Erbe der „Ver­fem­ten Musik“. Vie­len Dank, Annika Treut­ler, für die­ses musi­ka­li­sche Engagement.

Als Pia­nis­tin tre­ten Sie in den gro­ßen Kon­zert­häu­sern Deutsch­lands sowie in ganz Europa, Asien und Ame­rika auf. Wie haben Sie Ihre Liebe zur Musik entdeckt?
Mein Eltern­haus ist in jeder Hin­sicht musi­ka­lisch: Mein Vater ist als Sän­ger, Päd­agoge und Chor­lei­ter tätig, meine Mut­ter als Kla­vier­leh­re­rin und mein älte­rer Bru­der hatte früh mit dem Cel­lo­spiel begon­nen. So wäre es fast unna­tür­lich gewe­sen, hätte mein Weg an der Musik vor­bei­ge­führt. Mit vier Jah­ren dann fragte ich selbst eine Freun­din mei­ner Eltern, ob sie mir Kla­vier­un­ter­richt geben könne. Und dabei bin ich bis heute geblieben.

„Musik kann Men­schen auf einer ande­ren Ebene berüh­ren und anspre­chen, als es Worte können.“

Sie enga­gie­ren sich in beson­de­rem Maße für die junge Gene­ra­tion und sind unter ande­rem Bot­schaf­te­rin für das von dem Pia­nis­ten und Diri­gen­ten Lars Vogt ins Leben geru­fene Pro­jekt „Rhap­sody in School“. Was hat es mit dem Pro­jekt auf sich?
Bei dem Pro­jekt besu­chen Musi­ker in der Stadt ihres gerade anste­hen­den oder ver­gan­ge­nen Auf­tritts eine Schule und erzäh­len über ihren Beruf, über das Leben als Musi­ker und über klas­si­sche Musik. Das Ambi­ente ist in die­sem Fall ent­schei­dend: Es soll locker und unge­zwun­gen sein, im Kon­trast eben zum Kon­zert­saal, der für Schü­ler häu­fig ein­schüch­ternd wirkt. Im geschütz­ten Raum eines Klas­sen­zim­mers kön­nen ganz frucht­bare Momente ent­ste­hen, Fra­gen gestellt wer­den, die viel­leicht sonst zurück­ge­hal­ten wer­den, das Hören von klas­si­scher Musik bes­ser ver­stan­den wer­den – und nicht zuletzt – kann auch ich als Musi­ke­rin die jün­gere Gene­ra­tion bes­ser ver­ste­hen ler­nen und neue Impulse erfahren.

Am 27. Januar 2020 jährte sich zum 75. Mal die Befrei­ung des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz, in dem der Kom­po­nist Vik­tor Ull­mann kurz vor der Befrei­ung ermor­det wurde. Gemein­sam mit dem Rund­funk-Sin­fo­nie­or­ches­ter Ber­lin haben Sie seine Kla­vier­stü­cke ein­ge­spielt. Die CD ist Teil des von Ihnen gegrün­de­ten Pro­jekts „respon­din­mu­sic“. Wel­che Idee und Über­le­gun­gen ste­cken hin­ter dem Projekt?
Musik aus der Zeit des Zwei­ten Welt­kriegs ist bis heute unter­be­lich­tet. Sie wird als „Ver­femte Musik“ abge­stem­pelt. Dabei sind Werke dar­un­ter, die in ers­ter Linie auf­grund ihrer gro­ßen Qua­li­tät einen Platz im regu­lä­ren Kon­zert­be­trieb ver­dient haben. Gerade als deut­sche Pia­nis­tin habe ich das starke, innere Bedürf­nis und das Gefühl der Ver­ant­wor­tung, Kom­po­nis­ten aus der Zeit des Zwei­ten Welt­kriegs, die sich sowohl mensch­lich als auch künst­le­risch nicht ent­wi­ckeln konn­ten, ihre Stimme zurück­zu­ge­ben und ihre Musik bekann­ter zu machen. Inner­halb die­ses Pro­jekts gehen wir dar­über­hin­aus mit einer kam­mer­mu­si­ka­li­schen Beset­zung auf eine deutsch­land­weite Schul­tour, bei der wir am Ein­zel­schick­sal Vik­tor Ull­manns über die Geschichte, mit Schwer­punkt The­re­si­en­stadt, spre­chen. Wir füh­ren Musik aus der Zeit auf und rich­ten im Dia­log mit den Schü­lern den Blick in die Zukunft – für eine krea­tive, offene und viel­fäl­tige Gesellschaft.

Die Art und Weise, wir wir künf­tig an die Shoah erin­nern wer­den, wird sich mit dem Weg­fall der Zeit­zeu­gen ändern. Wel­che Rolle kann Ihres Erach­tens die Musik dabei spielen?
Musik kann Men­schen auf einer ande­ren Ebene berüh­ren und anspre­chen, als es Worte kön­nen. So ist auch eine Frage, die mich län­ger beschäf­tigt, ob Musik poli­tisch oder unpo­li­tisch sein kann. Beet­ho­ven war Visio­när auf dem Gebiet und beein­flusst Men­schen und Musi­ker bis heute. Ich bin der Mei­nung, dass wir als Musi­ker heute diese Rolle viel stär­ker ein­neh­men müs­sen, denn Musik hat die Kraft, Men­schen zusam­men­zu­brin­gen und zusam­men­zu­hal­ten – und sie kann eben auch Geschichte leben­dig erzählen.

„Als Künst­le­rin bedeu­tet es für mich in ers­ter Linie Frei­heit in aller Form.“

Was bedeu­tet für Sie per­sön­lich „Zusam­men­halt in Vielfalt“?
Als Künst­le­rin bedeu­tet es für mich in ers­ter Linie Frei­heit in aller Form: im Geist, im krea­ti­ven Schaf­fen und in Tole­ranz gegen­über unse­ren Mitmenschen.

Vie­len Dank!

respon­din­mu­sic“ ist ein Pro­jekt der Die­ter Fuchs Stif­tung und wird rea­li­siert von Annika Treut­ler in Zusam­men­ar­beit mit Berit Kra­mer | Kul­tur­ma­nage­ment.

Von |2020-07-07T15:50:31+02:00März 1st, 2020|Menschen|Kommentare deaktiviert für Annika Treut­ler