Wie Viel­falt stark macht

Der Vor­stands­vor­sit­zende von McDonald’s Deutsch­land Hol­ger Beeck im Porträt

Als Assis­tent Mana­ger star­tete Hol­ger Beeck 1984 seine Kar­riere bei McDonald’s in Deutsch­land und über­nahm nach nur drei Jah­ren die Lei­tung eines Mön­chen­glad­ba­cher Restau­rants. Die fol­gen­den Jahre führ­ten Hol­ger Beeck durch die ver­schie­dens­ten lei­ten­den Berei­che des Unter­neh­mens. Seit dem 1. Dezem­ber 2013 fun­giert Hol­ger Beeck als Vor­stands­vor­sit­zen­der der McDonald’s Deutsch­land. Sie fra­gen sich viel­leicht beim Lesen die­ser Zei­len bereits, warum Poli­tik & Kul­tur einen McDonald’s-Vorstand por­trä­tiert? Die Ant­wor­ten fin­den Sie im fol­gen­den Text.

„Mit einem kla­ren State­ment gegen Frem­den­hass und für Will­kom­mens­kul­tur“, so die Home­page des Kon­zerns, „will McDonald’s einen Bei­trag zur Inte­gra­tion von Flücht­lin­gen in Deutsch­land leis­ten.“ McDonald’s hat nach eige­nen Anga­ben allein im Jahr 2017 mehr als 1.300 Flücht­linge ein­ge­stellt und Sprach­kurse unter dem Dach von „Wir zusam­men – Inte­gra­ti­ons-Initia­tive der deut­schen Wirt­schaft“ gespon­sert. Über 230 Unter­neh­men haben sich seit 2016 mit ihren Pro­jek­ten der Initia­tive ange­schlos­sen und mit der Unter­stüt­zung von mehr als 24.000 akti­ven Mit­ar­bei­tern über 33.000 Flücht­linge in den Arbeits­markt inte­griert. McDonald’s ist zudem Mit­glied der Charta der Viel­falt, eine Arbeit­ge­ber­initia­tive zur För­de­rung von Viel­falt in Unter­neh­men und Insti­tu­tio­nen. Sie wurde im Dezem­ber 2006 von vier Unter­neh­men ins Leben geru­fen und wird von Der Beauf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Migra­tion, Flücht­linge und Inte­gra­tion, Staats­mi­nis­te­rin Annette Wid­mann-Mauz, unterstützt.

Men­schen aus mehr als 120 Natio­nen arbei­ten bei McDonald’s Deutsch­land. Im „Unter­neh­mens­sprech“ heißt das dann mit­rei­ßend: „Wir wol­len bes­ser wer­den – für noch mehr Viel­falt! Wir glau­ben, dass uns Viel­falt stark macht. Bei uns ist jeder will­kom­men, vor und hin­ter dem Tre­sen. Wir glau­ben an das Mit­ein­an­der von Men­schen. Egal, wo sie her­kom­men, was sie lie­ben und wen sie lie­ben. Dafür ste­hen wir – und dafür ste­hen wir auch ein. Auch auf Face­book, Twit­ter und Insta­gram. Als Arbeit­ge­ber set­zen wir immer wie­der Zei­chen für Inte­gra­tion statt Ausgrenzung.“

Seit sechs Jah­ren ist Hol­ger Beeck als Vor­stands­vor­sit­zen­der in Ver­ant­wor­tung. Ein Blick auf seine Kar­riere ist nicht nur per se inter­es­sant, son­dern illus­triert ide­al­ty­pisch, wel­che Kar­rie­ren bei der deut­schen Toch­ter der ame­ri­ka­ni­schen Fast­food-Kette mit dem Gol­de­nen M mög­lich sind. Hol­ger Beeck wurde in Halle an der Saale gebo­ren. Er bezeich­net sich selbst als „Kind einer typi­schen DDR-Arbei­ter­fa­mi­lie – einer Fami­lie, da kön­nen sie die Par­tei­mit­glie­der nicht an einer Hand abzäh­len.“ Er war die Aus­nahme und befragt, wie man denn zum schwar­zen Schaf der Fami­lie werde, meint er: „Es ist nicht mein Ver­dienst. Es war ein­fach so. Ich habe als Kind, als Jugend­li­cher beob­ach­tet. Habe fest­ge­stellt, das ist es nicht für mich. Habe diese Beob­ach­tun­gen nicht für mich behal­ten kön­nen. Das war ein Feh­ler, da wird man schnell zum Außen­sei­ter. Man wird aber auch von ande­ren jun­gen Men­schen als jemand aner­kannt, der eine Gruppe füh­ren kann. Das war schlecht in der DDR, wenn sie die fal­sche Gruppe führen.“

Er ging ins Inter­nat und lernte dort sehr jung seine künf­tige Frau ken­nen, mit der er inzwi­schen 40 Jahre ver­hei­ra­tet ist. Beide waren sich einig, dass sie das Leben in der DDR so nicht füh­ren woll­ten und began­nen Aus­rei­se­an­träge zu stel­len. Beeck zählt 13 Anträge. Den Wehr­dienst ver­wei­gerte er zwei Mal. Das erste Mal mit 18, das zweite Mal mit 25 Jah­ren. Am 12. April 1984 war es dann so weit: Mit sei­ner Frau, die im 9. Monat schwan­ger war, und sei­nem fünf Jahre alten Sohn löste er in Mag­de­burg gegen Vor­lage einer Aus­rei­se­be­schei­ni­gung eine Fahr­karte ohne Rück­fahr­schein nach Köln. Ohne Pass, quasi staa­ten­los, fuh­ren sie in den Wes­ten und gerie­ten in Auf­fang­la­gern in Hes­sen und Nord­rhein-West­fa­len in eine Welle von Aus­sied­lern aus Russ­land. Beeck wollte so schnell wie mög­lich von dort weg. Warum nicht? Er war qua­li­fi­ziert, hatte in der DDR die Poly­tech­ni­sche Ober­schule besucht und eine Aus­bil­dung als Matrose der Bin­nen­schiff­fahrt absol­viert. Er bewarb sich auf das erst­beste Ange­bot als Matrose bei einer Duis­bur­ger Öltrans­port­firma. Doch seine Frau erin­nerte ihn: „Wir sind doch hier­her­ge­kom­men, damit du was ande­res machen kannst und nicht, dass du durch die Welt fährst und ich mit zwei Kin­dern zu Hause sitze.“

Nächs­ter Ver­such: Beeck fuhr nach Stutt­gart, schlug im Haupt­post­amt das Tele­fon­buch auf und bewarb sich bei der Gebäu­de­rei­ni­gungs­firma Wag­ner in Asperg nahe der Fes­tung Hohen­a­s­perg: „Ich bin Hol­ger Beeck, komme aus der DDR und suche Arbeit.“ „Wenn se schaffe wolle, komme se vor­bei“, war die Ant­wort in brei­tem Schwä­bisch und so kam Beeck zu sei­ner ers­ten Arbeits­stelle und ver­diente gutes Geld. Doch eigent­lich suchte Beeck was ande­res. In der Rhei­ni­schen Post las er, dass McDonald’s Restau­rant­lei­ter suche und dafür auch Manage­ment­aus­bil­dun­gen anbiete. „Der Aus­lö­ser für mich war, dass das ein ame­ri­ka­ni­sches Unter­neh­men war. Ame­ri­ka­ner fra­gen dich nicht, wo du her­kommst, son­dern wo du hin willst. Die fra­gen nicht, wer du bist, son­dern was du bereit bist zu tun. Was hast du gelernt, was hast du stu­diert. Irrele­vante Sachen. Das macht mich noch nicht zum guten Mit­ar­bei­ter. Das war der­art mei­nem Natu­rell ent­spre­chend, dass ich ein­fach gar nicht anders konnte.“ Im Rück­blick sagt Beeck: „Alles was ich bin, alles was ich gelernt habe, habe ich hier bei McDonald’s gelernt.“ Beeck ist das per­so­ni­fi­zierte Bei­spiel dafür, dass man in der Sys­tem­gas­tro­no­mie eben nicht nur soge­nannte „McJobs“ aus­üben muss. Laut Wiki­pe­dia ist ein McJob „ein nied­rig dotier­ter Job im Dienst­leis­tungs­be­reich mit wenig Würde, wenig Nut­zen und ohne Zukunft. Oft­mals als befrie­di­gende Kar­riere bezeich­net von Leu­ten, die nie­mals eine gemacht haben.“

McDonald’s for­derte im März 2007 erfolg­los das Oxford Eng­lish Dic­tion­ary auf, den Ein­trag „McJob“ zu ändern, sodass er „einen Job reflek­tiert, der sti­mu­lie­rend ist und sich aus­zahlt, der wirk­li­che Kar­rie­re­aus­sich­ten ebenso bie­tet wie die Aneig­nung von Fähig­kei­ten, die ein Leben lang nütz­lich sind.“

Hol­ger Beeck legt gro­ßen Wert dar­auf, dass McDonald’s bis zum heu­ti­gen Tag ein Chan­cen­ge­ber ist, zuge­ge­be­ner­ma­ßen ins­be­son­dere für Per­so­nal aus dem unte­ren Lohn­seg­ment. Egal ob Stu­den­ten, die Neben­jobs suchen, Schü­ler, Haus­frauen und Müt­ter in Teil­zeit, oder Rent­ner, die ihr Salär auf­bes­sern müs­sen oder wol­len. McDonald’s biete fle­xi­ble Lösun­gen für all die, die „schaffe wollen“.

Er erin­nert sich an die vie­len inter­nen und exter­nen Schu­lun­gen auf sei­nem Weg ins Top­ma­nage­ment. Beeck wurde Restau­rant­lei­ter, dann Lei­ter von 5, 20, zuletzt 50 Restau­rants. Dann ging die Grenze auf und man dachte, der „Ossi“ im Haus könnte Per­so­na­ler in den neuen Bun­des­län­dern machen. „Da war ich noch nicht reif dazu“, erin­nert sich Beeck, „ich war zunächst erschro­cken: In den paar Mona­ten des ers­ten Anschie­bens in Ost­deutsch­land sind mir so viele Men­schen begeg­net, die genau die­je­ni­gen waren, die ich ver­las­sen hatte. Des­halb machte ich den Job nur eine kurze Zeit. Habe die his­to­ri­sche Dimen­sion nicht gleich begrif­fen und auch nicht die öko­no­mi­sche. Die Wie­der­ver­ei­ni­gung war ein Boos­ter für ganz Deutsch­land. Heute weiß ich, dass es das Wun­der­barste war, was Deutsch­land pas­sie­ren konnte.“ Nach 30 Jah­ren Wie­der­ver­ei­ni­gung arbei­ten im Wes­ten wie im Osten bei McDonald’s 120 Natio­nen wei­test­ge­hend fried­lich zusam­men. „Wir sind der Schmelz­tie­gel der Mul­ti­kul­ti­ge­sell­schaft“, sagt Beeck und führt das auf drei Fak­to­ren zurück: 1. Respekt, 2. Regeln und 3. Spaß bei der Arbeit.

Fragt man Beeck, was wich­ti­ger sei für ein Unter­neh­men wie McDonald’s: Die Tra­di­tion mit der Kern­marke „Bulette im Bröt­chen“ oder die Inno­va­tion „neue Pro­dukte“, dann betont er: „Bei uns im Zen­trum steht der Gast. Der Gast ist der Ein­zige, der Geld bringt. Wenn Sie vegan wol­len, krie­gen sie vegan. Wenn sie Beef wol­len, krie­gen sie Beef. Die Nach­frage muss mir recht geben.“

Nur wie die Nach­frage befrie­digt wird, so Beeck, das unter­liege einem stän­di­gen Wan­del bei McDonald’s und schwärmt vom digi­ta­len Restau­rant der Zukunft. Einer Zukunft, die längst begon­nen hat.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 11/2019.

Von |2019-11-06T16:19:59+01:00November 6th, 2019|Arbeitsmarkt|Kommentare deaktiviert für

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Der Vor­stands­vor­sit­zende von McDonald’s Deutsch­land Hol­ger Beeck im Porträt

Andreas Kolb ist Redakteur von Politik & Kultur.