Vom Küchen­tisch aus in die Medienszene

Amal, Ber­lin! stellt sich vor

Die Schwes­tern Julia und Cor­ne­lia Ger­lach hat­ten vor vier Jah­ren die Idee zu Amal, Ber­lin!, einer Inter­net­platt­form mit Nach­rich­ten aus Ber­lin auf Ara­bisch und Farsi/Dari. Mitt­ler­weile gibt es auch einen Able­ger in Ham­burg. The­resa Brüh­eim spricht mit Julia Ger­lach über die Bedeu­tung loka­ler Nach­rich­ten in ver­schie­de­nen Spra­chen und mehr.

The­resa Brüh­eim: Was ist „Amal, Ber­lin!“? Wann wurde es ins Leben geru­fen? Was beinhal­tet es?
Julia Ger­lach: Die Idee ist 2015 ent­stan­den. Nach acht Jah­ren als Kor­re­spon­den­tin in Kairo kam ich nach Ber­lin und mit­ten hin­ein in den Strom der Geflüch­te­ten und die Will­kom­mens­kul­tur. Unter den Ankom­men­den waren viele Jour­na­lis­ten, für die es schwer ist, in deut­schen Medien einen Job zu fin­den. Zugleich gab es unter der gro­ßen Masse der Geflüch­te­ten einen Bedarf an zuver­läs­si­gen Infor­ma­tio­nen. Es waren damals sehr viele Gerüchte unter­wegs. Buch­stäb­lich am Küchen­tisch kamen meine Schwes­ter und ich auf die Idee, diese bei­den Bedürf­nisse zu kom­bi­nie­ren. So ent­stand die Idee zu Amal, Ber­lin! Es ist eine Nach­rich­ten­platt­form, die auf Ara­bisch und Farsi/Dari über alles berich­tet, was in Ber­lin pas­siert. Geflüch­tete Jour­na­lis­ten fin­den eine beruf­li­che Per­spek­tive und die Neu­an­ge­kom­me­nen kön­nen sich infor­mie­ren. Wir erklä­ren und beleh­ren nicht, son­dern berich­ten jour­na­lis­tisch: Was ist im Roten Rat­haus los? Warum fährt die U-Bahn nicht und was kann ich am Wochen­ende anschauen? Als Trä­ger konn­ten wir schnell die Evan­ge­li­sche Jour­na­lis­ten­schule in Ber­lin gewin­nen. Dort haben wir unsere Redak­ti­ons­räume. Die Evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land (EKD) hat uns die ers­ten zwei­ein­halb Jahre allein finan­ziert. Seit 2019 haben wir mit der Kör­ber-Stif­tung, der Schöpf­lin Stif­tung, der Stif­tung Mer­ca­tor und eini­gen Lan­des­kir­chen noch wei­tere Part­ner gefun­den. Im März 2019 haben wir Amal, Ham­burg! gestar­tet. Unsere Redak­tion dort sitzt im News­room des Ham­bur­ger Abendblattes.

Wer betei­ligt sich bei „Amal, Ber­lin!“? Wie ist die Redak­tion zusam­men­ge­setzt? Was bedeu­tet Inte­gra­tion bei „Amal, Berlin!“?
Ange­fan­gen haben wir mit zehn Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten aus Syrien, Iran, Afgha­ni­stan und Ägyp­ten. Inzwi­schen haben wir 14 feste halbe Stel­len und einige freie Mit­ar­bei­ter. Alle sind erst vor Kur­zem nach Deutsch­land geflo­hen und haben vor­her in ihren Hei­mat­län­dern bereits als Jour­na­lis­ten gear­bei­tet. Man­che haben Jour­na­lis­mus stu­diert, andere sind durch die Ereig­nisse in ihren Län­dern zu Bür­ger­jour­na­lis­ten gewor­den. Inte­gra­tion fin­det bei uns einer­seits in der Redak­tion statt: Die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen berich­ten über das, was um sie herum pas­siert. Sie gehen zu Pres­se­kon­fe­ren­zen, besu­chen Ver­an­stal­tun­gen, machen Inter­views. Man kann sagen: Sie sind Teil der Ber­li­ner Jour­naille. Zugleich arbei­ten bei Amal Men­schen ganz unter­schied­li­cher Her­kunft zusam­men: Viele haben uns vor­her­ge­sagt, dass ein Team mit Syrern, Ira­nern und Afgha­nen nicht lange hält. Amal zeigt aber, dass es doch geht. Auch die Bericht­erstat­tung dient der Inte­gra­tion – nach dem Motto: Nur wer weiß, was pas­siert, kann mit-machen. So hilft Amal den Lesern, sich in ihrer neuen Umge­bung zu Hause zu fühlen.

Inwie­weit hat „Amal, Ber­lin!“ den Anspruch, auch deutsch­spra­chige Lese­rin­nen und Leser ein­zu­be­zie­hen? In wel­che Rich­tung soll „Amal, Ber­lin!“ in Zukunft ent­wi­ckelt werden?
Als Amal, Ham­burg! star­tete, gab es unter den Lesern des Ham­bur­ger Abend­blat­tes eine hef­tige Debatte: Warum berich­tet ihr nicht auf Deutsch? Indem ihr auf Ara­bisch und Farsi/Dari berich­tet, ver­hin­dert ihr, dass die Leute Deutsch ler­nen, so der Vor­wurf. Wir sehen das anders: Es gibt ja viele Zei­tun­gen und Web-Por­tale, die auf Deutsch berich­ten. Es gab aber bis­lang noch kein Nach­rich­ten­an­ge­bot, wo sich Men­schen infor­mie­ren kön­nen, die noch nicht genug Deutsch lesen kön­nen, um diese Zei­tun­gen zu ver­ste­hen. Das macht jetzt Amal. Wir fin­den, dass Leute auch schon wis­sen sol­len, was pas­siert, bevor sie Deutsch gelernt haben. Natür­lich ist unser Amal-Blick­win­kel auf die Gesell­schaft auch für deut­sche Leser inter­es­sant. Des­we­gen arbei­ten wir mit deut­schen Medien zusam­men, die unsere Texte in Über­set­zung ver­öf­fent­li­chen. Diese Koope­ra­tio­nen möch­ten wir aus­bauen. Geplant sind auch wei­tere Ver­an­stal­tun­gen zu aktu­el­len poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen The­men und wir wür­den gerne hel­fen, auch in ande­ren Städ­ten Amal-Redak­tio­nen auf­zu­bauen. Wir sind ja nicht das ein­zige Pro­jekt in die­sem Bereich. Gerade erst haben wir ein bun­des­wei­tes Tref­fen mit ande­ren Exil-Medi­en­pro­jek­ten ver­an­stal­tet. Dabei wurde ganz deut­lich: Die deut­sche Medi­en­land­schaft ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ein gutes Stück bun­ter geworden.

Vie­len Dank.

Die­ses Inter­view ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 11/2019.

Von |2019-10-29T14:29:34+01:00Oktober 29th, 2019|Medien|Kommentare deaktiviert für

Vom Küchen­tisch aus in die Medienszene

Amal, Ber­lin! stellt sich vor

Julia Gerlach leitet gemeinsam mit ihrer Schwester Cornelia Gerlach das Projekt Amal, Berlin! und Amal, Hamburg!. Sie ist Journalistin und Autorin mehrerer politischer Sachbücher. 2008 bis 2015 berichtete sie als Korrespondentin für die Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau und Focus aus Kairo. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.