Garant für diverse Inhalte

Das ZDF treibt Viel­falt im Pro­gramm selbst­kri­tisch voran

Die Medi­en­land­schaft ist im Wan­del begrif­fen. Inter­na­tio­nale Kon­zerne geben bereits jetzt im Netz den Ton an. US-Akteure wie Apple, War­ner­Me­dia und Walt Dis­ney wer­den dem­nächst neue Strea­ming­por­tale in Europa star­ten. Die Frag­men­tie­rung der Medi­en­land­schaft erschwert es zuneh­mend, ganz unter­schied­li­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen gleich­zei­tig zu errei­chen. Zeit­gleich erle­ben wir aktu­ell eine Pola­ri­sie­rung und Spal­tung der Gesell­schaf­ten in Ame­rika und Tei­len Euro­pas, vor allem durch rechts­po­pu­lis­ti­sche Ten­den­zen und Par­teien, in bis­lang unbe­kann­tem Aus­maß. Hass, Respekt­lo­sig­keit, Miss­trauen, Ableh­nung und inter­es­sen­ge­lei­tete Fehl­in­for­ma­tion sind spür­bar – im Netz noch stär­ker als im rea­len Leben. Eine aktu­elle Stu­die des Leib­niz-Insti­tuts für Medi­en­for­schung I Hans-Bre­dow-Insti­tut, des Insti­tuts mind­line und des ZDF kommt zu dem Ergeb­nis, dass ledig­lich rund ein Drit­tel der Bevöl­ke­rung mit dem gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt in Deutsch­land zufrie­den ist – mit abneh­men­der Tendenz.

Das ZDF stellt sich die­sem Wan­del und ist mit ähn­li­chen Her­aus­for­de­run­gen wie andere Insti­tu­tio­nen mit gesell­schaft­li­cher Bin­de­kraft kon­fron­tiert, wie z. B. Volks­par­teien oder andere Qua­li­täts­me­dien. Gerade bei der Anspra­che jun­ger Men­schen und von Bevöl­ke­rungs­grup­pen, die ent­täuscht von Poli­tik und Demo­kra­tie sind, braucht es neue Her­an­ge­hens­wei­sen. Wich­tige Ansätze für das ZDF sind dabei bei­spiels­weise die ZDF Media­thek, die Wei­ter­ent­wick­lung von heute.de oder funk. Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk ist trotz der beschrie­be­nen Ten­den­zen nach wie vor ein Ort, an dem die Men­schen zusam­men­kom­men und dem eine inte­gra­tive Kraft für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt zuge­spro­chen wird, auch von Jün­ge­ren. ZDF und ARD erziel­ten mit ihren Fern­seh­sen­dern gemein­sam im ers­ten Halb­jahr 2019 einen Markt­an­teil von knapp 50 Pro­zent (48,3%) bei allen Zuschau­ern im TV. Monat­lich errei­chen ZDF und ARD nach wie vor rund 92 Pro­zent der Bevöl­ke­rung mit ihren Sen­dun­gen. Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk ist neben den regio­na­len und über­re­gio­na­len Qua­li­täts­zei­tun­gen das Medium, dem die Men­schen am meis­ten ver­trauen. Mit einem hohen Infor­ma­ti­ons­an­teil, aber auch viel­fäl­ti­gen und anspruchs­vol­len fik­tio­na­len Inhal­ten aus Deutsch­land und Europa unter­schei­det sich der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk deut­lich von der kom­mer­zi­el­len Kon­kur­renz im TV und im Netz.

Es ist der Auf­trag der Öffent­lich-Recht­li­chen, jeden Ein­zel­nen anzu­spre­chen, allen eine Stimme zu geben und zu einem Ver­ständ­nis aller gesell­schaft­li­chen Grup­pen bei­zu­tra­gen. Die­sem Anspruch gerecht zu wer­den, ist heute deut­lich schwie­ri­ger, aber auch noch bedeu­ten­der als frü­her. Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk hat dabei drei wesent­li­che Funk­tio­nen zu erfüllen:

Demo­kra­tie­funk­tion

Fake News und inter­es­sen­ge­lei­te­ten PR-Kam­pa­gnen kann nur mit objek­ti­ver und aus­ge­wo­ge­ner Bericht­erstat­tung begeg­net wer­den. Die öffent­lich-recht­li­che Bericht­erstat­tung trägt durch Fak­ten, Objek­ti­vi­tät, Aus­ge­wo­gen­heit sowie die ver­ständ­li­che Dar­stel­lung von Hin­ter­grün­den und Zusam­men­hän­gen zur Mei­nungs- und poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung bei.

Inte­gra­ti­ons­funk­tion

Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk kann nach wie vor eine Viel­zahl von unter­schied­li­chen Men­schen in Ver­bin­dung und Aus­tausch brin­gen und sie mit Inhal­ten kon­fron­tie­ren, mit denen sie sonst nicht in Kon­takt gekom­men wären. Nut­zer kön­nen sich mit Erfah­run­gen aus ihrer eige­nen Lebens­welt aus­ein­an­der­set­zen und bekom­men dar­über hin­aus auch Ein­bli­cke in andere Lebens­ent­würfe und Wert­vor­stel­lun­gen. Kon­flikte wer­den the­ma­ti­siert, unter­schied­li­che Mei­nun­gen wer­den erleb­bar. Nur ein inhalt­lich viel­fäl­ti­ges Ange­bot, das ver­schie­denste Zugangs­wege nutzt und mit den ein­zel­nen Ange­bo­ten ganz unter­schied­li­che Publika anspricht, kann in sei­ner Gesamt­heit zum gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt bei­tra­gen. Ein klu­ger Genre-Mix aus Infor­ma­tion, Bil­dung und Unter­hal­tung sowie geschickt auf­ein­an­der abge­stimmte lineare und non­lineare Aus­spiel­wege sind mög­li­che Ant­wor­ten des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks auf Fil­ter­bla­sen, Pola­ri­sie­rung und Populismus.

Kul­tur­funk­tion

Der öffent­lich-recht­li­che Kul­tur­auf­trag umfasst mehr als reine Kul­tur­be­richt­erstat­tung. Es geht ganz zen­tral auch darum, die kul­tu­rel­len Werte Euro­pas, wie z. B. Huma­ni­tät, Frei­heit, Gleich­heit und Recht­staat­lich­keit, zu reflek­tie­ren. Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk ist ein Garant für natio­nale und euro­päi­sche Inhalte, die die Werte bzw. Grund­la­gen unse­rer Kul­tur und unse­res Zusam­men­le­bens z. B. in Kul­tur- und Wis­sen­schafts­sen­dun­gen, Poli­tik­ma­ga­zi­nen, Doku­men­ta­tio­nen, aber auch Fern­seh­fil­men und Serien oder Sati­re­for­ma­ten für unter­schied­li­che Publika aufgreifen.

Alle drei Funk­tio­nen sind essen­zi­ell für das Zusam­men­le­ben in einer plu­ra­lis­ti­schen Gesell­schaft und für die Demo­kra­tie. Das ZDF ver­engt den Inte­gra­ti­ons­be­griff des­halb auch nicht auf ein­zelne spe­zi­fi­sche Ziel­grup­pen, son­dern ver­steht Inte­gra­tion im Sinne des staats­ver­trag­lich ver­an­ker­ten Viel­falts­ge­dan­kens. Viel­falt her­zu­stel­len ist für das ZDF eine Quer­schnitts­auf­gabe über alle Pro­gramm­an­ge­bote. Unser Anspruch ist, ein umfas­sen­des Bild der Wirk­lich­keit in Deutsch­land zu ver­mit­teln, das Gesche­hen in den Län­dern und die kul­tu­relle Viel­falt Deutsch­lands sicht­bar zu machen und dabei die Zusam­men­ge­hö­rig­keit im ver­ein­ten Deutsch­land zu beför­dern. Dies fin­det im ZDF Aus­druck im Pro­gramm beispielsweise:

  • durch cross­me­diale Pro­gramm­schwer­punkte zu gesell­schaft­lich rele­van­ten The­men: Z. B. anläss­lich 30 Jahre Mau­er­fall the­ma­ti­siert das ZDF in die­sem Jahr in beson­de­rem Maße das Zusam­men­le­ben in Ost und West;
  • durch Trans­pa­renz und Dia­log mit dem Publi­kum: Unter ande­rem mit „Moma vor Ort“ geht das ZDF-Mor­gen­ma­ga­zin in ver­schie­dene Städte, greift vor Ort Beson­der­hei­ten, aber auch Pro­bleme auf, die das ganze Land betref­fen, und kommt mit den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern direkt ins Gespräch.

Viel­falt im Pro­gramm kann aller­dings nur durch Viel­falt im Unter­neh­men gelin­gen. Das ZDF war bereits 2007 einer der ers­ten Unter­zeich­ner der Charta für Viel­falt, einer Arbeit­ge­ber­initia­tive zur För­de­rung von Viel­falt in Unter­neh­men und Insti­tu­tio­nen. Diese soll aktu­ell durch eine Unter­neh­men­s­charta für Viel­falt, Inklu­sion und Chan­cen­gleich­heit im ZDF ergänzt wer­den. Viel­falt ist für das ZDF ein zen­tra­les Unter­neh­mens­ziel, das Ein­gang in die Füh­rungs­in­stru­men­ta­rien des ZDF gefun­den hat. Fer­ner ist Diver­sity-Manage­ment ein inte­gra­ler Bestand­teil der Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie des ZDF. Die kon­krete Umset­zung erfolgt auf ver­schie­de­nen Ebe­nen im Unter­neh­men, z. B. durch die orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­an­ke­rung und gezielte Per­so­nal­maß­nah­men – etwa Diver­si­tät als fes­ter Bestand­teil in der Füh­rungs­kräf­te­fort­bil­dung, kul­tu­relle Viel­falt als Aus­wahl­kri­te­rium vor und hin­ter der Kamera.

Trotz aller Bemü­hun­gen gibt es Men­schen, die dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk kri­tisch gegen­über­ste­hen. Das ZDF nimmt Kri­tik zum Ansporn, den ein­ge­schla­ge­nen Weg im Unter­neh­men und im Pro­gramm selbst­kri­tisch vor­an­zu­trei­ben. Maß­gabe dafür ist unser Auf­trag, der ange­sichts der gesell­schaft­li­chen und media­len Ver­än­de­run­gen heute aktu­el­ler und wich­ti­ger denn je erscheint.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 11/2019.

Von |2019-10-29T14:34:18+01:00Oktober 29th, 2019|Medien|Kommentare deaktiviert für

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Thomas Bellut ist Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens.