Ulrich Raulff und Ellen Stritt­mat­ter (Hg.): Tho­mas Mann in Amerika

Behrang Samsami: Welt­bür­ger auf Wan­de­rung – Tho­mas Mann im ame­ri­ka­ni­schen Exil

Der 8. Mai 1945 – der Tag der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­tion des Drit­ten Reichs steht für eine Zäsur in der deut­schen Geschichte. Laut Ulrich Raulff und Ellen Stritt­mat­ter teilt das Datum zugleich die 14 Jahre von Tho­mas Mann im US-Exil in zwei Hälf­ten: „Davor ist Tho­mas Mann die pro­mi­nen­teste Stimme des ande­ren Deutsch­land, eine Art Welt­prä­si­dent der Ver­trie­be­nen und Ver­folg­ten; danach ist er wie­der haupt­be­ruf­lich Schrift­stel­ler und Nobelpreisträger.“

Die Stärke des von Raulff und Stritt­mat­ter her­aus­ge­ge­be­nen Ban­des „Tho­mas Mann in Ame­rika“ ist der viel­schich­tige Blick auf sein Leben und Arbei­ten in den USA. So befin­det sich im Buch ein Gespräch mit Enkel Frido Mann, der von sei­ner Zeit mit den Groß­el­tern am Pazi­fik erzählt. In drei Essays geht es um Manns Beschäf­ti­gung mit US-Lite­ra­tur, um seine Mit­ar­beit beim alli­ier­ten Rund­funk und um einen Besuch der 16-jäh­ri­gen Susan Son­tag beim Autor ihres Lieb­lings­buchs, des „Zau­ber­bergs“.

Zwei Bei­träge, „Ame­rika als Lösung (1929-1937)“ und „Ame­rika als Pro­blem (1945-1952)“, wir­ken wie Klam­mern um die im Band mit vie­len Tage­buch- und Brief­aus­zü­gen, Fotos und Zei­tungs­ar­ti­keln eben­falls vor­ge­stell­ten Werke, die Mann in den USA schrieb, so etwa „Dok­tor Faus­tus“ (1947).

„Tho­mas Mann in Ame­rika“ – übri­gens erschie­nen zur gleich­na­mi­gen, zwi­schen Novem­ber 2018 und Juni 2019 in Mar­bach statt­fin­den­den Aus­stel­lung – gelingt es gut, die zuneh­mende Poli­ti­sie­rung von Manns lite­ra­ri­schem Den­ken und Schrei­ben in jenen Jah­ren sicht­bar zu machen.

Deut­lich macht die Lek­türe aber auch: So will­kom­men der „Groß­schrift­stel­ler“ als Reprä­sen­tant des „ande­ren Deutsch­land“ zu Beginn sei­nes US-Exils auch ist – nach 1945, ange­sichts des „Kal­ten Kriegs“ und der Mei­nungs­ma­che gegen (ver­meint­li­che) kom­mu­nis­ti­sche Intel­lek­tu­elle, drängt es Mann, inzwi­schen US-Staats­bür­ger, wie schon 1933 wie­der in die Schweiz zu ziehen.

Behrang Samsami

Ulrich Raulff und Ellen Stritt­mat­ter (Hg.). Tho­mas Mann in Ame­rika. Mar­bach am Neckar 2018

Von |2019-12-06T11:33:05+01:00September 12th, 2019|Allgemein, Rezension|Kommentare deaktiviert für Ulrich Raulff und Ellen Stritt­mat­ter (Hg.): Tho­mas Mann in Amerika
Behrang Samsami, geboren in Iranisch-Aserbaidschan, ist freier Journalist.