Bei einem Spaziergang durch Berlin-Friedrichshain im Jahr 2006 hatten Regisseur An-dreas Dresen und seine Co-Autorin Laila Stieler die Idee für einen Film über Gerhard Gundermann, den ostdeutschen Liedermacher und Bergmann. Zwölf Jahre später, im August 2018, war Premiere. Im Mai 2019 erhielt der Kinofilm den Deutschen Filmpreis als bester deutscher Film. 350.000 Besucher haben den Film bis heute gesehen und vielfach gelobt.
Lange mussten der namhafte Regisseur und seine Drehbuchautorin um diesen Erfolg kämpfen: Acht Drehbuchfassungen waren nötig, um einen Produzenten und auch Filmförderer von dem Projekt zu überzeugen, TV-Sender als weitere Finanzierungspartner sowie ein Verleih mussten gefunden werden. Sechs Fördereinrichtungen und zwei öffentlich-rechtliche Sender wurden schließlich überzeugt, sich an den Herstellungskosten zu beteiligen. Allein von drei regionalen Förderern, dem Bund und der Filmförderungsanstalt (FFA) wurde der Film mit 4,1 Millionen Euro unterstützt. Dazu kamen Mittel von den Sendern und dem Verleih. Bei der Finanzierung gab es Fragen, wie: „Wer ist denn das? Warum über den einen Film?“. „Wir sind schon auf Vorbehalte gestoßen“, schildert Andreas Dresen in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ die missliche Lage. „Ich habe dann einen für meine Verhältnisse energischen Text an die Filmförderung geschrieben, in dem ich gesagt habe, so geht das nicht, Leute.“
Ohne die Filmförderung des Bundes und der Länder hätte es diesen Film ebenso wenig geben, wie die zwei anderen mit einer silbernen und bronzenen „Lola“ ausgezeichneten Spielfilme „Styx“ und der „Junge muss an die frische Luft“. Filme, die nicht dem Mainstream verpflichtet sind, für die es keine Bankfinanzierung gibt oder für die große Filmstudios in Vorleistung gehen.
In den vergangenen Jahren ist die Filmförderung in Deutschland kontinuierlich gestiegen. So wurden 2018 von der FFA, dem Bund und den Ländern insgesamt 445 Millionen Euro für die Förderung von Spielfilmen, TV-Produktionen und Kinos bereitgestellt. Allein die FFA – die ausschließlich von der Branche finanziert wird und nur Kinospielfilme fördert – stellte 78 Millionen Euro bereit. 228 deutsche Filme wurden 2018 in den deutschen Kinos erstaufgeführt. Produktionsgeförderte Filme erreichten knapp zwei Drittel und verleihgeförderte Filme sogar 82 Prozent aller Besucher deutscher Erstaufführungen. Insgesamt erhielten 43 Prozent aller deutschen Erstaufführungen 2018 FFA-Fördergelder. Diese Filme waren für 94 Prozent des Besucheraufkommens deutscher Erstaufführungen verantwortlich.
Die FFA-Förderung stellte 2018 durchschnittlich elf Prozent der Finanzierung einer projektfilmgeförderten Produktion. Zusammen mit den Förderungen des Bundes, der Länder und der EU lag der Förderanteil bei 48 Prozent. Vorabverkäufe stellten mit einem Viertel der Finanzierung ebenfalls einen wesentlichen Anteil der Herstellungskosten, gefolgt von ausländischen Beteiligungen in Höhe von zwölf Prozent und Eigenmitteln von acht Prozent. TV-Sender beteiligten sich zu durchschnittlich 7,5 Prozent an den gesamten Herstellungskosten der Filme.
Also nahezu jeder zweite Euro, der in einen deutschen Film investiert wird, stammt aus einem Fördertopf. Zu Recht stellen sich die Branche, die Länder und auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters Fragen, wie effektiv diese Mittel im Interesse der Zuschauer eingesetzt werden und ob man durch Umschichtung und eine andere „Verteilung“ die Zahl national und international erfolgreicher Produktionen erhöhen kann. So erklärte Monika Grütters im Februar 2019: „Wenn eine Branche derart massiv mit Steuergeld unterstützt wird wie die Filmbranche, darf und muss auch nach dem Nutzen dieser Förderung gefragt werden – und zwar nicht nur nach dem Nutzen für die Produzenten, sondern auch nach dem Nutzen für das Produkt, den deutschen Film, und für seine Adressaten, das Kinopublikum – die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger. Und wenn Aufwand und Nutzen nicht in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, dann lohnt es sich, gemeinsam darüber nachzudenken, woran das liegt und wie sich das ändern lässt.“ In einem Interview mit medienpolitik.net wies Christoph Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz, diese pauschale Kritik zurück: Wie bei der Förderung von Museen, Ausstellungen und Theatern lasse sich bei einer vorrangig künstlerischen Zwecken dienenden Förderung der Erfolg nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie in Zuschauerzahlen oder Quotienten messen, außerdem sei 2018 ein „Übergangsjahr“ gewesen, so Palmer. Zudem standen laut FFA-Statistik von den 445 Millionen Euro an Fördermitteln für die Förderung der Produktion von Kinofilmen im Jahr 2018 insgesamt 272,35 Millionen Euro zur Verfügung.
Ist das Urteil von Monika Grütters zu pauschal und undifferenziert? Läuft es mit der deutschen Filmförderung optimal oder muss nicht doch etwas verändert werden? Ist die Filmproduktion nun mal ein Risikogeschäft, bei dem sich der Erfolg nicht voraussehen lässt, wie Produzenten oft erklären?
Es sind sich alle einig, dass die Förderung neu justiert werden muss, umstritten ist vor allem das Wie. Nach wie vor werden zu viele Filme gefördert, die nur wenige Tausend Besucher erreichen oder nie im Kino aufgeführt worden sind. 142 deutsche Spielfilme starteten 2018, von insgesamt 1.090 Filmen, die in den Kinos liefen. Das entspricht 45 Prozent aller gezeigten Kinofilme. Der Marktanteil deutscher Filme lag aber nur bei 23 Prozent. Weniger ist mehr, fordern deshalb Kinobetreiber und Verleiher.
Das aktuelle Filmförderungsgesetz (FFG), das nicht nur die Regularien für die FFA festlegt, sondern einen generellen Rahmen für die Filmförderung setzt, läuft Ende 2020 aus. Deshalb hat jetzt die Debatte über das nachfolgende Gesetz und generell über die Förderstruktur begonnen. „Über die Verteilung der vorhandenen Mittel müssen wir reden: Wo müssen wir umsteuern? Welche Strukturen und Verfahren gehören auf den Prüfstand? Wo können wir unsere Ziele noch effektiver erreichen? Wie reagieren wir angemessen auf Veränderungen am Markt, ohne Bewährtes zu schwächen?“, so die Kulturstaatsministerin.
Zu den wichtigen Punkten, über die in der Branche debattiert wird, gehören die Verstärkung der Drehbuch- und Vertriebsförderung. Das soll vor allem aus Mitteln der BKM, weniger auf Länder-ebene oder bei der FFA geschehen. Von Kinobetreibern gibt es den Vorschlag, die Vertriebsförderung so auszubauen, dass sie mindestens 30 Prozent der Produktionsförderung beträgt. Von dieser Förderung sollen 50 Prozent an die regionalen Kinos gehen, um zielgruppengenauer werben zu können.
Im Durchschnitt muss man pro geplantem bzw. zu erreichendem Zuschauer mit einem Euro rechnen, bei Arthouse-Filmen mit zwei Euro. Einen solch massiven Ausbau der Vertriebsförderung sehen die Produzenten mit Verweis auf die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel allerdings skeptisch, denn das würde möglicherweise zulasten der Produktionsförderung gehen. Allerdings unterstützen sie die Idee, Drehbücher, die letztlich über die Relevanz eines Films entscheiden, stärker zu fördern. Zu den umstrittenen Themen gehört die Abschaffung oder Verkürzung des sogenannten Auswertungsfensters, also des Zeitraumes, nach dem ein Kinofilm auch auf VoD-Plattformen oder im Fernsehen gezeigt werden darf. Während die Kinobetreiber für eine Beibehaltung der bisherigen Regelung plädieren, können sich die Produzenten eine Verkürzung von bisher sechs auf vier Monate vorstellen.
Die Filmförderung, die viel für den deutschen Film erreicht hat, ist weiterhin, auch in der Höhe, notwendig. Man sollte sie deshalb nicht für alle Probleme, die bei der einheimischen Produktionswirtschaft existieren, in Haft nehmen. Wenn die Debatte über eine Neuausrichtung der Förderung weniger aus der Sicht einzelner Inte-ressensgruppen, sondern vor allem mit dem Ziel geführt wird, nationales Kino attraktiver und relevanter zu machen, wird sie auch positive Veränderungen bewirken können.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2019.