Die deut­sche Spra­che ist das zen­trale ver­bin­dende gesell­schaft­li­che Band

Zur neuen Reihe "Sprach­ge­schich­ten" in Poli­tik & Kultur

Die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion hat in der zwölf­ten ihrer 15 The­sen klar for­mu­liert, „Deut­sche Spra­che ist Schlüs­sel zur Teil­habe“ und wei­ter erläu­tert: „Unsere gemein­same deut­sche Spra­che ist der Schlüs­sel zur Teil­habe aller in Deutsch­land leben­den Men­schen am gesell­schaft­li­chen Leben. Sie ist das unver­zicht­bare Mit­tel zu gleich­be­rech­tig­ter Kom­mu­ni­ka­tion und damit Grund­vor­aus­set­zung für Inte­gra­tion und gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. Spra­che ist aber nicht nur Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, sie ist zugleich Kul­tur­gut, das in Dich­tung und Lite­ra­tur ihren Aus­druck fin­det und den Zugang zu Kul­tur und Gesell­schaft ermöglicht.“

Die klare Hal­tung, die in der These zum Aus­druck kommt, lädt zur Dis­kus­sion und zum Wider­spruch ein. Ist es eine These, die sich gegen Spra­chen­viel­falt aus­spricht? Nein, ganz im Gegen­teil: Die Viel­falt an Spra­chen ist eine Berei­che­rung. Das gilt für die soge­nann­ten Min­der­hei­ten­spra­chen in Deutsch­land wie Nord­frie­sisch, Sater­frie­sisch, Dänisch, Ober- und Nie­der­sor­bisch sowie Romani ebenso wie für die Spra­chen­viel­falt, die bereits seit Jahr­hun­der­ten in Deutsch­land besteht und sich durch Migra­tion wei­ter aus­dif­fe­ren­ziert. Ist es dann eine These, die aus­schließ­lich eine Bring­schuld bei den­je­ni­gen sieht, die Deutsch nicht als Mut­ter­spra­che haben. Nein, denn das Ler­nen der deut­schen Spra­che setzt auch ent­spre­chende Ange­bote vor­aus. Es ist gut, dass die Aus­bil­dung für Leh­re­rin­nen und Leh­rer für Deutsch als Fremd­spra­che aus­ge­wei­tet wurde. Es ist rich­tig und not­wen­dig, dass Asyl­su­chende schnel­ler Deutsch­kurse besu­chen kön­nen. Aber es ist auch genauso zu berück­sich­ti­gen, dass lange Zeit in Deutsch­land kein Erfor­der­nis gese­hen wurde, dass hier lebende Men­schen, die keine deut­sche Mut­ter­spra­che haben, auch Deutsch ler­nen. Über einen lan­gen Zeit­raum reichte es, wenn sie in unse­rem Land arbei­te­ten. Das war ein schwe­rer Fehler.

Die These 12 der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion drückt viel­mehr aus, dass das Beherr­schen der deut­schen Spra­che Chan­cen zur Teil­habe, zum Mit­spre­chen und Mit­dis­ku­tie­ren, zur Aneig­nung von Kul­tur und Geschichte und vie­lem mehr eröff­net. Wir brau­chen eine gemein­same Spra­che, um uns ver­ste­hen und ver­stän­di­gen zu kön­nen. Ohne die gemein­same Basis einer von allen gespro­che­nen Spra­che hält eine Gesell­schaft nicht zusam­men. Die deut­sche Spra­che ist das zen­trale ver­bin­dende gesell­schaft­li­che Band in unse­rem Land.

Wel­che Rolle die Spra­che in Deutsch­land, aber auch dar­über hin­aus spielt, wel­che Sprach­ge­schich­ten und Sprach­schich­ten es gibt, wie sich die Spra­che ver­än­dert, wel­che Hal­tung zur Welt durch Spra­che ent­steht, wie die Welt durch Spra­che erschlos­sen wer­den kann, soll Gegen­stand der neuen Reihe „Sprach­ge­schich­ten“ in Poli­tik & Kul­tur sein. Sie wurde gemein­sam geplant mit Johann-Hin­rich Claus­sen, Kul­tur­be­auf­trag­ter der EKD, und Ste­fan Rhein, Direk­tor der Stif­tung Luthergedenkstätten.

Zum Auf­takt die­ser Reihe befasst sich Ste­fan Rhein mit der Luther-bibel, der Sprach­kraft Mar­tin Luthers und den in den letz­ten Jahr­zehn­ten erfolg­ten Revi­sio­nen der Luther­bi­bel. Dabei inter­es­sie­ren ihn nicht so sehr die phi­lo­lo­gi­schen Fra­gen als viel­mehr die Rele­vanz der deutsch­spra­chi­gen Schrift­aus­le­gung für das pro­tes­tan­ti­sche „Pries­ter­tum aller Gläu­bi­gen“, das den Weg zu mehr Teil­habe und Mit­spra­che eröff­nen sollte. In der Katho­li­schen Kir­che wurde in Folge des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, von 1962 bis 1965, 400 Jahre spä­ter nach­ge­zo­gen und der Gebrauch der jewei­li­gen Mut­ter­spra­chen in den Got­tes­diens­ten als Chance der Teil­habe eröff­net. Die aktu­elle Dis­kus­sion um die deutsch­spra­chi­gen Frei­tags­ge­bete in den Moscheen kann in die­sen Kon­text ein­ge­ord­net wer­den. Die Bestre­bun­gen, deut­sche Imame aus­zu­bil­den, näh­ren die Hoff­nung, dass es keine 400 Jahre dau­ern wird, bis die Frei­tags­ge­bete in Deutsch­land in deut­scher Spra­che abge­hal­ten werden.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 05/2019.

Von |2019-06-14T17:11:07+02:00Mai 14th, 2019|Sprache|Kommentare deaktiviert für

Die deut­sche Spra­che ist das zen­trale ver­bin­dende gesell­schaft­li­che Band

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Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber von Politik & Kultur.