Maxim Leo geht in seiner zweiten Familienbiografie „Wo wir zu Hause sind“ den Teilen seiner Familie nach, die infolge des Nazi-Terrors Deutschland verlassen haben und nicht zurückkehrten. In seinem ersten Buch „Haltet euer Herz bereit: Eine ostdeutsche Familiengeschichte“ widmete er sich seiner Kernfamilie, dem Großvater Gerhard, der als junger Mann in der Resistance kämpfte und dann in der DDR das bessere Deutschland aufbauen wollte, seiner Mutter Annette, einer Historikerin, und seinem eigenen Lebensweg in der DDR und der Bundesrepublik.
In seinem im Februar erschienen Buch „Wo wir zu Hause sind“ wird die Lebensgeschichte anderer Familienmitglieder nachgezeichnet und verdichtet. Die Rede ist von Ilse, der Schwester seines Großvaters, die im französischen Internierungslager Gurs ihren späteren Ehemann Heinz Polack kennenlernt und mit ihm nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wien geht. Die Lebensgeschichte seiner Großtanten Hilde und Irmgard sowie von deren Kindern und Kindeskindern zeichnet Leo liebevoll nach.
Der Leser erfährt wie sich Hilde, bestrebt zu überleben, zuerst in Paris und danach in England im Exil durchgeschlagen hat. Wie es ihrem Sohn, einem jüdischen Deutschen, in England erging, wie er in diversen Pflegefamilien litt und sich einsam fühlte. Heute hat er eine beeindruckende Schar an Kindern und Enkel und blickt auf eine wissenschaftliche Karriere zurück. Irmgard, die mit Hans nach Israel ging, dort ein Kibbuz mitaufbaute und deren Kinder, die Unabhängigkeit von der engen Kibbuzgemeinschaft suchten. Flucht- und Fixpunkt im Buch ist Berlin. Die Stadt, in der die Familie heimisch war. Die Stadt, die heute einen unwiderstehlichen Reiz auf die Nachkommen der Verfolgten aufweist.
Leo schreibt in einem nüchternen, gleichwohl sehr berührenden Stil. Wer das Buch einmal in die Hand nimmt, wird es nicht weglegen wollen. Sehr lesenswert!
Gabriele Schulz
Maxim Leo. Wo wir zu Hause sind. Die Geschichte meiner verschwundenen Familie. Köln 2019