Im Oktober 2018 erschienen als Extradruck in der Reihe „Die Andere Bibliothek“ Beiträge von Ernst Troeltsch, die er unter dem Pseudonym Spektator in der Münchner Zeitschrift „Der Kunstwart und Kulturwart“ zwischen 1918 und 1922 veröffentlichte. Die Zusammenstellung besorgte Johann Hinrich Claussen, der auch das Nachwort verfasste. Der evangelische Theologe Troeltsch war Abgeordneter der linksliberalen DDP im Preußischen Landtag und Unterstaatssekretär im Kultusministerium. Dort war er unter anderem für die Kirchengesetze verantwortlich, die auf eine stärkere Trennung von Staat und Kirche abzielten.
In seinen Beiträgen bezieht Troeltsch zu aktuellen politischen Fragen der Weimarer Republik Stellung. Als überzeugter Demokrat und Verfechter der liberalen Demokratie setzte er auf eine Stärkung der bürgerlichen Mitte. Er wendete sich in seinen Beiträgen klar gegen die Feinde der Weimarer Republik und zwar sowohl gegen die radikale Linke auf der einen, als auch die Monarchisten und die sich zunehmende radikalisierende Rechte auf der anderen Seite. Die Stärke in Troeltsch Texten ist der fehlende Heroismus. Er hat die bürgerliche Mittelschicht in all ihrer Unzulänglichkeit im Blick. Sie will er für die Republik gewinnen und begeistern.
Angesichts aktueller Debatten um eine Spaltung der Gesellschaft sind Beiträge von Troeltsch aus der Zeit des Umbruchs und der Frühzeit der Weimarer Republik sehr instruktiv. Die Relektüre ist lohnenswert. Das lesenswerte Nachwort von Johann Hinrich Claussen ordnet die Beiträge in die akademische Laufbahn von Ernst Troeltsch und sein theologisches sowie politisches Denken
ein.
Gabriele Schulz