Pres­se­ar­beit mit Grenzen?

Ein Grund­stein der Men­schen­rechte: Pres­se­frei­heit schützen

In kei­ner ande­ren Welt­re­gion hat sich die Lage der Pres­se­frei­heit im ver­gan­ge­nen Jahr so stark ver­schlech­tert wie in Europa. Jour­na­lis­ten sind dort zuneh­mend medi­en­feind­li­cher Hetze durch Regie­run­gen oder füh­rende Poli­ti­ker aus­ge­setzt. Das schafft ein feind­se­li­ges, ver­gif­te­tes Klima, das oft den Boden für Gewalt gegen Medi­en­schaf­fende oder für staat­li­che Repres­sion berei­tet. Dies zeigt die aktu­elle Rang­liste der Pres­se­frei­heit 2018 von Repor­ter ohne Grenzen.

Vier der fünf Län­der, deren Plat­zie­rung sich in der Rang­liste der Pres­se­frei­heit im Ver­gleich zum Vor­jahr am stärks­ten ver­schlech­tert hat, lie­gen in Europa: die EU-Mit­glie­der Malta, Tsche­chien und Slo­wa­kei sowie das Bal­kan­land Ser­bien. In die­sen Län­dern sind Spit­zen­po­li­ti­ker durch ver­bale Anfein­dun­gen, Beschimp­fun­gen und juris­ti­sche Schritte gegen Jour­na­lis­ten auf­ge­fal­len. Zum Teil engen dort auch die Besitz­ver­hält­nisse der Medien die Frei­räume für kri­ti­sche Bericht­erstat­tung ein. Auch in so unter­schied­li­chen Län­dern wie den USA, Indien und den Phil­ip­pi­nen ver­un­glimp­fen hoch­ran­gige Poli­ti­ker – dar­un­ter auch Staats­chefs – kri­ti­sche Jour­na­lis­ten gezielt als Verräter.

Medi­en­feind­li­che Hetze als staat­li­ches Pro­gramm ist also längst nicht mehr auf repres­sive Regime wie in der Tür­kei oder Ägyp­ten beschränkt, wo Regie­run­gen kri­ti­sche Jour­na­lis­ten rou­ti­ne­mä­ßig als „Ver­rä­ter“ und „Ter­ro­ris­ten“ dif­fa­mie­ren und ver­fol­gen. Auch immer mehr demo­kra­tisch gewählte Staats- und Regie­rungs­chefs stel­len die Medi­en­frei­heit und damit eine der Grund­fes­ten jeder plu­ra­lis­ti­schen Gesell­schaft infrage und behan­deln kri­ti­sche Medien unver­hoh­len als Feinde, zum Bei­spiel in Ungarn und Polen. Auto­ri­täre Län­der und Dik­ta­tu­ren gehen einen Schritt wei­ter und sper­ren Jour­na­lis­ten hin­ter Git­ter: Ende Sep­tem­ber 2018 saßen welt­weit 297 Jour­na­lis­ten wegen ihrer Arbeit in Haft: die meis­ten in Ägyp­ten, China und der Türkei.

Beson­ders gefähr­li­che Län­der waren in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren immer wie­der Syrien, Mexiko und Afgha­ni­stan. Die meis­ten Repor­ter ster­ben jedoch außer­halb von Kriegs­ge­bie­ten, weil sie in Län­dern wie Bra­si­lien oder Mexiko über orga­ni­sierte Kri­mi­na­li­tät, Kor­rup­tion, Macht­miss­brauch oder Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen berich­tet haben: Welt­weit wur­den in den ver­gan­ge­nen 15 Jah­ren allein 1035 pro­fes­sio­nelle Jour­na­lis­ten in direk­tem Zusam­men­hang mit ihrer Arbeit getö­tet. Die meis­ten die­ser Ver­bre­chen blei­ben ungestraft.

Um die Ver­ant­wort­li­chen für sol­che Ver­bre­chen end­lich zur Rechen­schaft zu zie­hen und den Kreis­lauf der Straf­lo­sig­keit zu durch­bre­chen, wirbt Repor­ter ohne Gren­zen 70 Jahre nach Ver­ab­schie­dung der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rechte bei den Ver­ein­ten Natio­nen inten­siv für die Ein­set­zung eines UN-Son­der­be­auf­trag­ten für den Schutz von Jour­na­lis­ten. Die­ser sollte die Bemü­hun­gen der ver­schie­de­nen UN-Insti­tu­tio­nen zum Schutz von Jour­na­lis­ten koor­di­nie­ren, die bestehen­den völ­ker­recht­li­chen Vor­schrif­ten durch­set­zen und auf diese Weise die Zahl von Über­grif­fen und Gewalt­ak­ten gegen Jour­na­lis­ten end­lich wirk­sam verringern.

Jen­seits des­sen leis­tet Repor­ter ohne Gren­zen auch viel prak­ti­sche Not­hilfe: Repor­ter ohne Gren­zen unter­stützt welt­weit ver­folgte Jour­na­lis­ten, Foto­gra­fen und Blog­ger indi­vi­du­ell ihrer Not­lage ent­spre­chend in ihren Hei­mat­län­dern, im Exil und in ande­ren Län­dern. Unser Ziel ist es, den Jour­na­lis­ten so zu hel­fen, dass sie vor Ver­fol­gung geschützt sind – das umfasst heute oft den Schutz vor digi­ta­ler Über­wa­chung – und lang­fris­tig ihre jour­na­lis­ti­sche Tätig­keit wei­ter­füh­ren oder wie­der­auf­neh­men können.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 6/2018.

Von |2019-06-17T09:56:35+02:00November 7th, 2018|Menschenrechte|Kommentare deaktiviert für

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Ein Grund­stein der Men­schen­rechte: Pres­se­frei­heit schützen

Christian Mihr ist Journalist, Menschenrechtsaktivist und Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.