Ein Spie­gel der Gesellschaft

Der Öffent­li­che Dienst

Das Grund­ge­setz der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land legt die Grund­werte unse­res gesell­schaft­li­chen Zusam­men­le­bens fest: Demo­kra­tie, Rechts­staat­lich­keit und die Grund­rechte als Frei­heits- und Abwehr­rechte gegen staat­li­ches Han­deln sind die Basis. Diese Grund­werte sind nicht ver­han­del­bar, sie sind aber auch nicht selbst­ver­ständ­lich! Die Bewah­rung demo­kra­ti­scher Grund­werte gehen jeden ein­zel­nen etwas an und für ihren Bestand muss tag­täg­lich gear­bei­tet werden.

Was es heißt, wenn Regie­run­gen ver­su­chen, demo­kra­ti­sche Bestre­bun­gen zu unter­drü­cken, sehen wir welt­weit in vie­len bedrü­cken­den Bil­dern und bekom­men die Fol­gen ange­sichts inter­na­tio­na­ler Kri­sen­herde und nicht zuletzt auf­grund von Migra­ti­ons­be­we­gun­gen zu spü­ren. Aber auch vor unse­rer Haus­tür erle­ben wir in eini­gen ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten, dass demo­kra­ti­sche Grund­werte wie z. B. Pres­se­frei­heit beschnit­ten wer­den. Das muss Mah­nung für unsere frei­heit­li­che und plu­rale Gesell­schaft sein!

Die Bür­ger bauen zu Recht dar­auf, dass durch einen Rechts­staat Rah­men­be­din­gun­gen für Ver­läss­lich­keit von poli­ti­schen wie von Ver­wal­tungs­ent­schei­dun­gen geschaf­fen wer­den. Und dazu gehört ein unab­hän­gi­ger öffent­li­cher Dienst. Die­ser trägt eine große Ver­ant­wor­tung dafür, dass dies gelingt: In sei­ner objek­ti­ven, aus­schließ­lich an Recht und Gesetz ori­en­tier­ten Hand­lungs­weise sorgt er für die Infra­struk­tur des gesell­schaft­li­chen Zusam­men­le­bens und damit den Zusam­men­halt in Deutsch­land. Und damit schafft er die Grund­lage für Rechts- und Pla­nungs­si­cher­heit und gibt so eine sta­bile Zukunftsperspektive.

Eine plu­rale demo­kra­ti­sche Gesell­schaft zeich­net sich aber auch dadurch aus, dass alle gesell­schaft­li­chen Berei­che adäquat poli­tisch reprä­sen­tiert sind und damit auch Ent­wick­lun­gen in einem Land wider­spie­geln. Deutsch­land hat sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten gesell­schaft­lich stark ver­än­dert in dem Sinn, dass die Gesell­schaft durch stär­kere Diver­si­tät geprägt ist. Der Wan­del an Lebens­for­men, die zuge­nom­mene Frau­en­er­werbs­tä­tig­keit und nicht zuletzt die Migra­tion nach Deutsch­land seit den 1950er und 1960er Jah­ren haben die Ver­än­de­rung beein­flusst. Damit wurde und wird nicht nur die Bevöl­ke­rung hete­ro­ge­ner, son­dern zugleich auch der Arbeits­markt. In Deutsch­land leben rund 16,5 Mil­lio­nen Per­so­nen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, über 20 Pro­zent von ihnen arbei­ten in der Pri­vat­wirt­schaft, aber nur rund 6,7 Pro­zent arbei­ten in der öffent­li­chen Ver­wal­tung, davon rund 15 Pro­zent in der Bun­des­ver­wal­tung. Dies ist ange­sichts wach­sen­der Zuwan­de­rung nach Deutsch­land noch rela­tiv gering.

Die öffent­li­che Ver­wal­tung steht ohne­hin aus unter­schied­li­chen Grün­den vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen: älter, weni­ger, viel­fäl­ti­ger – so könnte der Ver­än­de­rungs­pro­zess kurz beschrie­ben wer­den, der auch am öffent­li­chen Dienst nicht spur­los vor­über­geht. Und die­ser Pro­zess wird in den kom­men­den Jah­ren noch an Dyna­mik gewin­nen: Eine große Anzahl von Beschäf­tig­ten wird inner­halb der nächs­ten zehn Jahre im Bund und in den Län­dern in den Ruhe­stand gehen. Es muss dem­zu­folge also bereits heute darum gehen, qua­li­fi­zier­ten Nach­wuchs für die öffent­li­che Ver­wal­tung zu gewin­nen. Der dbb setzt sich seit Lan­gem bei den öffent­li­chen Arbeit­ge­bern dafür ein, die Attrak­ti­vi­tät die­ser Berufe zu erhö­hen und dabei auch den Anteil an Beschäf­tig­ten mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund zu erhö­hen. Dabei geht es nicht nur darum, den Kreis der mög­li­chen Bewer­ber zu erweitern.

Die Ver­wal­tung ist der Spie­gel der Gesell­schaft und sollte diese auch in ihrer Beschäf­tig­ten­struk­tur abbil­den. Orga­ni­sa­tio­nen mit einer viel­fäl­ti­gen Beschäf­tig­ten­struk­tur kön­nen bes­ser auf unter­schied­li­che Bedürf­nisse der Bür­ger ein­ge­hen. Es müs­sen künf­tig stär­ker die Beschäf­tig­ten­po­ten­ziale sämt­li­cher gesell­schaft­li­cher Grup­pen genutzt wer­den, um die Leis­tungs­fä­hig­keit des gesam­ten öffent­li­chen Diens­tes lang­fris­tig zu stärken.

Um den Anteil von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund im öffent­li­chen Dienst zu erhö­hen, müs­sen jedoch fol­gende Fak­to­ren berück­sich­tigt wer­den: Zum einen müs­sen sich poten­zi­elle Bewer­ber auch für eine Aus­bil­dung / Kar­riere im öffent­li­chen Dienst inter­es­sie­ren. Hier gilt es, durch gezielte Nach­wuchs­kam­pa­gnen z. B. in den Schu­len auf die viel­fäl­ti­gen Auf­ga­ben und Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten hin­zu­wei­sen. Zum ande­ren wird es ver­mehrt dar­auf ankom­men, die inter­kul­tu­relle Kom­pe­tenz in der Ver­wal­tung zu stär­ken. Nicht sel­ten kommt es im All­tag in Behör­den zu Kon­flik­ten, die durch Ver­wick­lun­gen bei der Begeg­nung unter­schied­li­cher Kul­tu­ren entstehen.

Ins­be­son­dere im Hin­blick auf die hohe Zahl von Flücht­lin­gen und all­ge­mei­ner Zuwan­de­rung muss die inter­kul­tu­relle Kom­pe­tenz als Qua­li­fi­ka­tion stär­ker Bestand­teil der Aus- und Fort­bil­dung wer­den. Ein gutes Zei­chen sind die jün­ge­ren Beschäf­tig­ten, unter denen der Anteil von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bereits höher ist – der Wan­del ist also ein­ge­lei­tet! Dar­auf kön­nen sich die öffent­li­chen Arbeit­ge­ber aber nicht aus­ru­hen. Migran­ten haben mit ihren Fremd­spra­chen­kennt­nis­sen und ihrem kul­tu­rel­len Hin­ter­grund Fähig­kei­ten, auf die ein zukunfts­fä­hi­ger öffent­li­cher Dienst nicht ver­zich­ten sollte.

Von |2019-06-10T16:58:38+02:00Juni 20th, 2017|Arbeitsmarkt|Kommentare deaktiviert für

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Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbund und Tarifunion.