Ein ver­ant­wor­tungs­vol­ler Umgang ist nötig

Vier Fra­gen an Minis­te­rin Bar­bara Klepsch

Wel­che Vor­teile und Chan­cen bie­tet die Auf­nahme in die Weltkulturerbe-Liste?

Der Welt­erbe­ti­tel ist die höchste inter­na­tio­nale Aus­zeich­nung, die einer Kul­tur- oder Natur­er­be­stätte ver­lie­hen wer­den kann. Er steht für inter­na­tio­nale Aner­ken­nung, sym­bo­li­siert kul­tu­relle Viel­falt und natür­li­che Schön­heit, ver­leiht Pres­tige – und bringt zugleich eine Reihe von Chan­cen, aber auch Ver­pflich­tun­gen mit sich. Von den aktu­ell 1.223 Welt­erbe­stät­ten befin­den sich 54 Stät­ten in Deutsch­land. Deutsch­land ver­fügt somit auch über eine umfang­rei­che Exper­tise im Welt­erbe, um zu einem ver­ant­wor­tungs­vol­len Umgang mit dem Welt­erbe beizutragen.

Die Auf­nahme in die Welt­erbe­liste bringt inter­na­tio­nale Sicht­bar­keit, erhöht die tou­ris­ti­sche Attrak­ti­vi­tät und stärkt die Wert­schät­zung für das hei­mi­sche Kul­tur­erbe. Gleich­zei­tig ver­pflich­tet die Auf­nahme zur Erhal­tung, Ver­mitt­lung und nach­hal­ti­gen Wei­ter­ent­wick­lung. Welt­erbe­stät­ten sind nach den Ziel­set­zun­gen der UNESCO aber auch Lern­orte kul­tu­rel­ler Bil­dung und gesell­schaft­li­cher Teilhabe.

Die Aus­wer­tung von 50 Jah­ren Welt­erbe hat gezeigt, dass das Welt­erbe eine Erfolgs­story für den welt­wei­ten Kul­tur­gut­schutz ist. Die Welt­erbe­kon­ven­tion stärkt das Bewusst­sein der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft für die Bedeu­tung des Schut­zes des Kul­tur- und Natur­er­bes, sie för­dert die gemein­same Ver­ant­wor­tung für das Erbe. Mit 196 Ver­trags­staa­ten genießt die Welt­erbe­kon­ven­tion fast uni­ver­selle Anerkennung.

Beson­ders fass­bar ist das Poten­zial des Welt­erbes in grenz­über­schrei­ten­den Welt­erbe­stät­ten. Die inter­na­tio­nale Zusam­men­ar­beit ist ein zen­tra­les Ele­ment der Welt­erbe­kon­ven­tion. Die ins­ge­samt elf län­der­über­grei­fen­den deut­schen Welt­erbe­stät­ten ver­an­schau­li­chen, wie gemein­sa­mes kul­tu­rel­les Erbe zu Ver­stän­di­gung und lang­fris­ti­ger Koope­ra­tion zwi­schen Staa­ten bei­trägt. Der Aus­tausch von Wis­sen, Best Prac­ti­ces in Erhal­tungs­fra­gen, Ver­mitt­lungs­the­men und im Manage­ment sowie gemein­same Pro­jekte stär­ken die Zusam­men­ar­beit über natio­nale Gren­zen hinweg.

Der kul­tu­relle Reich­tum unse­res Lan­des erschöpft sich nicht im mate­ri­el­len Kul­tur­erbe. Er drückt sich ebenso in den loka­len Tra­di­tio­nen, in Bräu­chen und Fes­ten, his­to­risch gewach­se­nen Hand­werks­tech­ni­ken, in Musik und Tanz­for­men aus. Die­ses leben­dige kul­tu­relle Erbe, ver­bun­den mit dem Mut zu Neuem, macht unser Land lebens­wert, stif­tet Iden­ti­tät und Gemein­schaft und prägt so unser Zusam­men­le­ben. Mit dem Über­ein­kom­men zur Erhal­tung des Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­bes (IKE) hat die UNESCO im Jahr 2003 ein weg­wei­sen­des Instru­ment zur Wür­di­gung und Sicht­bar­ma­chung die­ser Kul­tur­for­men ins Leben geru­fen. Deutsch­land ist die­sem Abkom­men 2013 bei­getre­ten. Seit­dem ist es gelun­gen, die imma­te­ri­el­len Kul­tu­ren stär­ker ins öffent­li­che Bewusst­sein zu rücken und ein in sei­ner Viel­falt bein­dru­cken­des Bun­des­wei­tes Ver­zeich­nis zu ent­wi­ckeln, das aktu­ell 168 Ein­träge umfasst. Die Aner­ken­nung als Imma­te­ri­el­les Kul­tur­erbe ist zugleich ein star­kes Zei­chen der Wert­schät­zung für das Enga­ge­ment der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, die diese Kul­tur­for­men pfle­gen und wei­ter­ge­ben – und das oft­mals im Ehren­amt und mit gro­ßem per­sön­li­chem Einsatz!

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen erge­ben sich durch das Bewer­bungs­ver­fah­ren, wel­che durch Aner­ken­nung und Pflege?

Die Bewer­bung um den Sta­tus als Welt­erbe ist ein auf­wän­di­ger und lang­wie­ri­ger Pro­zess. Aus­rei­chende per­so­nelle und finan­zi­elle Res­sour­cen sind wich­tig für eine erfolg­rei­che Bewerbung.

Die Anträge müs­sen wis­sen­schaft­lich fun­diert sein und inter­na­tio­nale Anfor­de­run­gen erfül­len. Welt­erbe wer­den kann nur, was in einem glo­ba­len Kon­text von außer­ge­wöhn­li­chem uni­ver­sel­lem Wert ist. Das zwei­pha­sige Nomi­nie­rungs­ver­fah­ren – Vor­ab­einschät­zung und voll­stän­di­ger Nomi­nie­rungs­an­trag – sorgt für Qua­li­tät und Transparenz.

Mit der Aner­ken­nung beginnt die eigent­li­che Ver­ant­wor­tung: Die Ver­pflich­tung zur Erhal­tung der Welt­erbe­stätte erfor­dert kon­ti­nu­ier­li­che Pflege, ein effek­ti­ves Manage­ment, ange­mes­sene Moni­to­ring­me­cha­nis­men und eine Anpas­sung an inter­na­tio­nale Anfor­de­run­gen. Der aus­rei­chende Schutz­sta­tus durch natio­nale Gesetze muss bei der Antrag­stel­lung nach­ge­wie­sen wer­den. Ein unzu­rei­chen­des Manage­ment oder bau­li­che Ein­griffe, die den außer­ge­wöhn­li­chen Wert der Stätte bedro­hen, kön­nen zum Ver­lust des Sta­tus führen.

Auch im Bereich des IKE machen wir die Erfah­rung, dass der Bewer­bungs­pro­zess als for­dernd und lang­wie­rig emp­fun­den wird – ins­be­son­dere für Trä­ger­grup­pen ohne insti­tu­tio­nelle Anbin­dung. Einige Bun­des­län­der – wie wir in Sach­sen – haben des­halb eigene Bera­tungs­stel­len ein­ge­rich­tet, die die Trä­ger­grup­pen bei der Bewer­bung unter­stüt­zen und auch nach der Aner­ken­nung als Imma­te­ri­el­les Kul­tur­erbe als Ansprech­part­ner zur Ver­fü­gung ste­hen. Die Pflege der bereits gelis­te­ten Kul­tur­for­men ist ein Thema, das uns aktu­ell beson­ders beschäf­tigt. Denn Erhal­tung im Sinne der Kon­ven­tion meint eben gerade nicht Musea­li­sie­rung, son­dern die kul­tu­rel­len Aus­drucks­for­men leben­dig zu hal­ten. Das heißt, eine fort­wäh­rende Wei­ter­ent­wick­lung und Wei­ter­gabe muss gewähr­leis­tet sein.

Wie sehen Sie die Zukunft der Stät­ten in Deutsch­land – brau­chen wir immer mehr, oder geht es eher darum, sich um die bestehen­den zu kümmern?

Der Welt­erbe­ti­tel darf natür­lich nicht infla­tio­när ver­ge­ben wer­den. Das gemein­same Ziel der Ver­trags­staa­ten der Welt­erbe­kon­ven­tion ist eine reprä­sen­ta­tive, aus­ge­wo­gene und glaub­wür­dige Welt­erbe­liste, ins­be­son­dere durch die Iden­ti­fi­zie­rung und Nomi­nie­rung von Stät­ten in den nicht- und unter­re­prä­sen­tier­ten Län­dern. Die UNESCO hat durch die 1994 ver­ab­schie­dete glo­bale Stra­te­gie hier­für stra­te­gi­sche Ziel­set­zun­gen defi­niert. Deutsch­land trägt mit der­zeit 54 Welt­erbe­stät­ten eine beson­dere Ver­ant­wor­tung in der Umset­zung der Stra­te­gie. Das bedeu­tet auch: bestehende Stät­ten best­mög­lich zu pfle­gen und neue Bewer­bun­gen fach­lich fun­diert zu platzieren.

Durch eine sorg­fäl­tige Aus­wahl neuer Welt­erbe-Kan­di­da­ten leis­ten wir einen Bei­trag. Die deut­sche Ten­ta­tiv­liste, die als Basis für zukünf­tige Nomi­nie­run­gen dient, wurde daher regel­mä­ßig gemäß inter­na­tio­na­len Stan­dards aktua­li­siert. Ana­log zum vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­fah­ren (2012-2014) erfolgte die aktu­elle Aus­wahl in einem sorg­fäl­ti­gen und struk­tu­rier­ten Ver­fah­ren durch einen inter­na­tio­nal besetz­ten Fachbeirat.

Das Ver­fah­ren hat gezeigt, dass es auch in Deutsch­land noch Stät­ten gibt, die die Welt­erbe­liste sinn­voll erwei­tern könn­ten. Ent­schei­dend wird sein, dass auch künf­tige Nomi­nie­run­gen im Ein­klang mit der glo­ba­len Stra­te­gie der UNESCO ste­hen, um die Viel­falt, Reprä­sen­ta­ti­vi­tät und das Gleich­ge­wicht der Welt­erbe­liste zu sichern. Neben der Nomi­nie­rung neuer Stät­ten sind in Deutsch­land der Schutz, die Erhal­tung und das effek­tive Manage­ment bereits aner­kann­ter Welterbestätten von her­vor­ge­ho­be­ner Bedeutung.

Eine Eva­lu­ie­rung zehn Jahre nach dem deut­schen Bei­tritt zum UNESCO-Über­ein­kom­men zum Schutz des Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­bes hat gezeigt, dass die Aus­ge­wo­gen­heit des Bun­des­wei­ten Ver­zeich­nis­ses ver­bes­sert wer­den kann. Unser Ziel ist es außer­dem, ein dia­lo­gi­sches Moni­to­ring-Ver­fah­ren für bestehende Ein­träge zu ent­wi­ckeln, wel­ches auch Kon­zepte für Aktua­li­sie­run­gen, Ver­än­de­run­gen und Strei­chun­gen von Ein­trä­gen beinhal­ten sollte. Ziel muss es sein, dass ein Ver­zeich­nis der geleb­ten Tra­di­tio­nen selbst nicht starr, son­dern reak­tiv ist und Ver­än­de­run­gen abbil­den kann.

Wie steht es um die Finan­zie­rung hin­sicht­lich der Anträge und der Pflege?

Die Ver­ant­wor­tung liegt zunächst bei den jewei­li­gen Antrag­stel­le­rin­nen und Antrag­stel­lern – oft also bei Kom­mu­nen oder Lan­des­be­hör­den. Mög­lich­kei­ten zur finan­zi­el­len Unter­stüt­zung im Antrags­pro­zess kön­nen im indi­vi­du­el­len Ver­fah­ren gefun­den wer­den. Aus­sa­gen zur Höhe der Kos­ten las­sen sich nicht pau­schal tref­fen und sind abhän­gig von der Art der Bewer­bung – eine trans­na­tio­nale Bewer­bung zum Bei­spiel erfor­dert sicher einen höhe­ren per­so­nel­len Aufwand.

Wich­tig ist, dass von Anfang an eine nach­hal­tige Finan­zie­rung mit­ge­dacht wird, wel­che auch die Ver­wal­tung des Welt­erbes mit sei­nem Manage­ment­sys­tem nach einer erfolg­rei­chen Aner­ken­nung umfasst und sicher­stellt. Die Pflege der Welt­erbe­stät­ten liegt in Deutsch­land pri­mär bei den Stät­ten selbst. Unter­stüt­zung kann zusätz­lich durch Bun­des- und Lan­des­mit­tel sowie durch EU-För­der­pro­gramme erfolgen.

Im Bereich des IKE ist mit einer Auf­nahme in das Bun­des­weite Ver­zeich­nis keine direkte finan­zi­elle Unter­stüt­zung ver­bun­den. Die Aner­ken­nung kann aber genutzt wer­den, um Res­sour­cen zu akqui­rie­ren. Für nicht-kom­mer­zi­elle Akti­vi­tä­ten kön­nen die Trä­ger der Kul­tur­for­men im Bun­des­wei­ten Ver­zeich­nis des Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­bes ein ent­spre­chen­des Logo nutzen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 6/2025.

Von |2025-06-10T11:10:47+02:00Juni 10th, 2025|Heimat, Kulturelle Vielfalt|Kommentare deaktiviert für

Ein ver­ant­wor­tungs­vol­ler Umgang ist nötig

Vier Fra­gen an Minis­te­rin Bar­bara Klepsch

Barbara Klepsch ist Staatsministerin für Kultur und Tourismus in Sachsen und Präsidentin der Kulturministerkonferenz 2025