Welche Vorteile und Chancen bietet die Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste?
Der Welterbetitel ist die höchste internationale Auszeichnung, die einer Kultur- oder Naturerbestätte verliehen werden kann. Er steht für internationale Anerkennung, symbolisiert kulturelle Vielfalt und natürliche Schönheit, verleiht Prestige – und bringt zugleich eine Reihe von Chancen, aber auch Verpflichtungen mit sich. Von den aktuell 1.223 Welterbestätten befinden sich 54 Stätten in Deutschland. Deutschland verfügt somit auch über eine umfangreiche Expertise im Welterbe, um zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Welterbe beizutragen.
Die Aufnahme in die Welterbeliste bringt internationale Sichtbarkeit, erhöht die touristische Attraktivität und stärkt die Wertschätzung für das heimische Kulturerbe. Gleichzeitig verpflichtet die Aufnahme zur Erhaltung, Vermittlung und nachhaltigen Weiterentwicklung. Welterbestätten sind nach den Zielsetzungen der UNESCO aber auch Lernorte kultureller Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe.
Die Auswertung von 50 Jahren Welterbe hat gezeigt, dass das Welterbe eine Erfolgsstory für den weltweiten Kulturgutschutz ist. Die Welterbekonvention stärkt das Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft für die Bedeutung des Schutzes des Kultur- und Naturerbes, sie fördert die gemeinsame Verantwortung für das Erbe. Mit 196 Vertragsstaaten genießt die Welterbekonvention fast universelle Anerkennung.
Besonders fassbar ist das Potenzial des Welterbes in grenzüberschreitenden Welterbestätten. Die internationale Zusammenarbeit ist ein zentrales Element der Welterbekonvention. Die insgesamt elf länderübergreifenden deutschen Welterbestätten veranschaulichen, wie gemeinsames kulturelles Erbe zu Verständigung und langfristiger Kooperation zwischen Staaten beiträgt. Der Austausch von Wissen, Best Practices in Erhaltungsfragen, Vermittlungsthemen und im Management sowie gemeinsame Projekte stärken die Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg.
Der kulturelle Reichtum unseres Landes erschöpft sich nicht im materiellen Kulturerbe. Er drückt sich ebenso in den lokalen Traditionen, in Bräuchen und Festen, historisch gewachsenen Handwerkstechniken, in Musik und Tanzformen aus. Dieses lebendige kulturelle Erbe, verbunden mit dem Mut zu Neuem, macht unser Land lebenswert, stiftet Identität und Gemeinschaft und prägt so unser Zusammenleben. Mit dem Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes (IKE) hat die UNESCO im Jahr 2003 ein wegweisendes Instrument zur Würdigung und Sichtbarmachung dieser Kulturformen ins Leben gerufen. Deutschland ist diesem Abkommen 2013 beigetreten. Seitdem ist es gelungen, die immateriellen Kulturen stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und ein in seiner Vielfalt beindruckendes Bundesweites Verzeichnis zu entwickeln, das aktuell 168 Einträge umfasst. Die Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe ist zugleich ein starkes Zeichen der Wertschätzung für das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die diese Kulturformen pflegen und weitergeben – und das oftmals im Ehrenamt und mit großem persönlichem Einsatz!
Welche Herausforderungen ergeben sich durch das Bewerbungsverfahren, welche durch Anerkennung und Pflege?
Die Bewerbung um den Status als Welterbe ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess. Ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen sind wichtig für eine erfolgreiche Bewerbung.
Die Anträge müssen wissenschaftlich fundiert sein und internationale Anforderungen erfüllen. Welterbe werden kann nur, was in einem globalen Kontext von außergewöhnlichem universellem Wert ist. Das zweiphasige Nominierungsverfahren – Vorabeinschätzung und vollständiger Nominierungsantrag – sorgt für Qualität und Transparenz.
Mit der Anerkennung beginnt die eigentliche Verantwortung: Die Verpflichtung zur Erhaltung der Welterbestätte erfordert kontinuierliche Pflege, ein effektives Management, angemessene Monitoringmechanismen und eine Anpassung an internationale Anforderungen. Der ausreichende Schutzstatus durch nationale Gesetze muss bei der Antragstellung nachgewiesen werden. Ein unzureichendes Management oder bauliche Eingriffe, die den außergewöhnlichen Wert der Stätte bedrohen, können zum Verlust des Status führen.
Auch im Bereich des IKE machen wir die Erfahrung, dass der Bewerbungsprozess als fordernd und langwierig empfunden wird – insbesondere für Trägergruppen ohne institutionelle Anbindung. Einige Bundesländer – wie wir in Sachsen – haben deshalb eigene Beratungsstellen eingerichtet, die die Trägergruppen bei der Bewerbung unterstützen und auch nach der Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Die Pflege der bereits gelisteten Kulturformen ist ein Thema, das uns aktuell besonders beschäftigt. Denn Erhaltung im Sinne der Konvention meint eben gerade nicht Musealisierung, sondern die kulturellen Ausdrucksformen lebendig zu halten. Das heißt, eine fortwährende Weiterentwicklung und Weitergabe muss gewährleistet sein.
Wie sehen Sie die Zukunft der Stätten in Deutschland – brauchen wir immer mehr, oder geht es eher darum, sich um die bestehenden zu kümmern?
Der Welterbetitel darf natürlich nicht inflationär vergeben werden. Das gemeinsame Ziel der Vertragsstaaten der Welterbekonvention ist eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Welterbeliste, insbesondere durch die Identifizierung und Nominierung von Stätten in den nicht- und unterrepräsentierten Ländern. Die UNESCO hat durch die 1994 verabschiedete globale Strategie hierfür strategische Zielsetzungen definiert. Deutschland trägt mit derzeit 54 Welterbestätten eine besondere Verantwortung in der Umsetzung der Strategie. Das bedeutet auch: bestehende Stätten bestmöglich zu pflegen und neue Bewerbungen fachlich fundiert zu platzieren.
Durch eine sorgfältige Auswahl neuer Welterbe-Kandidaten leisten wir einen Beitrag. Die deutsche Tentativliste, die als Basis für zukünftige Nominierungen dient, wurde daher regelmäßig gemäß internationalen Standards aktualisiert. Analog zum vorangegangenen Verfahren (2012-2014) erfolgte die aktuelle Auswahl in einem sorgfältigen und strukturierten Verfahren durch einen international besetzten Fachbeirat.
Das Verfahren hat gezeigt, dass es auch in Deutschland noch Stätten gibt, die die Welterbeliste sinnvoll erweitern könnten. Entscheidend wird sein, dass auch künftige Nominierungen im Einklang mit der globalen Strategie der UNESCO stehen, um die Vielfalt, Repräsentativität und das Gleichgewicht der Welterbeliste zu sichern. Neben der Nominierung neuer Stätten sind in Deutschland der Schutz, die Erhaltung und das effektive Management bereits anerkannter Welterbestätten von hervorgehobener Bedeutung.
Eine Evaluierung zehn Jahre nach dem deutschen Beitritt zum UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Immateriellen Kulturerbes hat gezeigt, dass die Ausgewogenheit des Bundesweiten Verzeichnisses verbessert werden kann. Unser Ziel ist es außerdem, ein dialogisches Monitoring-Verfahren für bestehende Einträge zu entwickeln, welches auch Konzepte für Aktualisierungen, Veränderungen und Streichungen von Einträgen beinhalten sollte. Ziel muss es sein, dass ein Verzeichnis der gelebten Traditionen selbst nicht starr, sondern reaktiv ist und Veränderungen abbilden kann.
Wie steht es um die Finanzierung hinsichtlich der Anträge und der Pflege?
Die Verantwortung liegt zunächst bei den jeweiligen Antragstellerinnen und Antragstellern – oft also bei Kommunen oder Landesbehörden. Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung im Antragsprozess können im individuellen Verfahren gefunden werden. Aussagen zur Höhe der Kosten lassen sich nicht pauschal treffen und sind abhängig von der Art der Bewerbung – eine transnationale Bewerbung zum Beispiel erfordert sicher einen höheren personellen Aufwand.
Wichtig ist, dass von Anfang an eine nachhaltige Finanzierung mitgedacht wird, welche auch die Verwaltung des Welterbes mit seinem Managementsystem nach einer erfolgreichen Anerkennung umfasst und sicherstellt. Die Pflege der Welterbestätten liegt in Deutschland primär bei den Stätten selbst. Unterstützung kann zusätzlich durch Bundes- und Landesmittel sowie durch EU-Förderprogramme erfolgen.
Im Bereich des IKE ist mit einer Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis keine direkte finanzielle Unterstützung verbunden. Die Anerkennung kann aber genutzt werden, um Ressourcen zu akquirieren. Für nicht-kommerzielle Aktivitäten können die Träger der Kulturformen im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes ein entsprechendes Logo nutzen.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2025.