Essen­zi­elle Tools

Zwei Fra­gen an Karim El-Helaifi

Im Rah­men der Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion dis­ku­tier­ten Panel-Teil­neh­mer über den Bei­trag, den kul­tu­relle Inte­gra­tion im Kampf gegen Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus leis­ten kann. Teil­neh­men­den des Panels haben wir jeweils zwei Fra­gen gestellt.

Wo sehen Sie aus Sicht der ndo aktu­ell die größ­ten Gefähr­dun­gen der Demo­kra­tie in Deutschland?

Natür­lich beob­achte ich mit Sorge eine Nor­ma­li­sie­rung rechts­po­pu­lis­ti­scher Dis­kurse in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten, die eine gesell­schaft­li­che Atmo­sphäre schafft, in der es oft zu gewalt­tä­ti­gen Über­grif­fen auf migran­ti­sierte Men­schen kommt. Die Gren­zen des Sag­ba­ren ver­schie­ben sich ste­tig zuguns­ten einer Rhe­to­rik, die Tabu­brü­che bewusst setzt, um die­sen Tabu­bruch dann zur neuen Nor­ma­li­tät zu dekla­rie­ren. Im Übri­gen lie­fern auch häu­fig Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der Mitte der Gesell­schaft das Rüst­zeug für teil­weise undif­fe­ren­zierte, ste­reo­ty­pi­sie­rende und oft­mals hass­erfüllte Debat­ten, die zur Spal­tung der Gesell­schaft und damit zur Gefähr­dung der Demo­kra­tie bei­tra­gen. Rechts­po­pu­lis­ten bedie­nen sich mit ihren inhalt­lich ver­kürz­ten und radi­ka­len Bot­schaf­ten aus­ge­spro­chen erfolg­reich sozia­ler Medien. Im Februar die­ses Jah­res ver­öf­fent­lichte der Poli­tik­be­ra­ter Johan­nes Hillje Zah­len einer Stu­die, wonach Tik­Tok-Videos des offi­zi­el­len Kanals der AfD-Bun­des­tags­frak­tion zwi­schen Januar 2022 und Dezem­ber 2023 im Schnitt 430.000 Impres­sio­nen pro Video erziel­ten. Die FDP kam auf rund 53.000; die rest­li­chen Par­teien lagen noch wei­ter zurück. Diese digi­tale Über­le­gen­heit der AfD trifft auch bei ande­ren Kanä­len wie Insta­gram oder Face­book zu. Hillje bezeich­nete die Social-Media-Kom­mu­ni­ka­tion der AfD als „die effek­tivste“ unter den Par­teien. Die Wahl­er­geb­nisse in Bay­ern und Hes­sen, bei denen die AfD in der Gruppe der Erst­wäh­le­rin­nen und -wäh­ler 16 bzw. 15 Pro­zent ein­ho­len konnte, sind erschre­ckend. Die Stra­te­gie der AfD geht auf – und ich frage mich, wieso demo­kra­ti­sche Par­teien die­ser Ent­wick­lung der­art wenig ent­ge­gen­zu­set­zen haben? Sollte man nicht alles dar­an­set­zen, diese digi­ta­len poli­ti­schen Räume, in denen sich junge Men­schen tag­täg­lich meh­rere Stun­den auf­hal­ten, zurückzuerobern?

Was kön­nen Kunst und Kul­tur im Kampf gegen Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und grup­pen­be­zo­gene Men­schen­feind­lich­keit bewirken?

Kunst und Kul­tur sind essen­zi­elle, demo­kra­ti­sche Tools, mit denen sich posi­tive Visio­nen einer dis­kri­mi­nie­rungs­freien Gesell­schaft ent­wer­fen las­sen, auch im digi­ta­len Raum. Gesell­schaft­lich gesetzte Stan­dards und Nor­men las­sen sich erwei­tern oder gar erneu­ern, Res­sen­ti­ments oft­mals abbauen. Aspekte wie gesell­schaft­li­che Teil­habe von Men­schen kön­nen abge­bil­det und neu ver­mit­telt wer­den. Die poli­ti­sche Wirk­sam­keit von Kunst und Kul­tur im Sinne einer posi­ti­ven Auf­klä­rung und der Ver­mitt­lung demo­kra­ti­scher Werte ist nach­hal­tig. Wer erin­nert sich nicht gern an den Bau des „Holo­caust-Mahn­mals“ 2017 vor Björn Höckes Haus? Diese Aktion des Zen­trums für Poli­ti­sche Schön­heit bewies ein­mal mehr, mit wie viel ele­gan­ter Schlag­kraft man sich mit­tels Kunst gegen das faschis­ti­sche Grauen stel­len kann.

Im Februar die­ses Jah­res wurde ich auf die Foto-Aus­stel­lung „Black in Ber­lin“ auf­merk­sam. Der in Äthio­pien gebo­rene und in Ber­lin lebende Künst­ler und Foto­graf Yero Adugna Eticha hat seit 2020 mehr als 500 Por­träts von Afro-Deut­schen und der afri­ka­ni­schen Dia­spora in Ber­lin erstellt. Bewegt von Black Lives Mat­ter, ver­teilte er Flyer an Schwarze Men­schen in Ber­lin mit dem Appell, sich von ihm foto­gra­fie­ren zu las­sen. Im Mit­tel­punkt der Arbeit stand eine Aus­ein­an­der­set­zung mit Kul­tur und Geschichte des Kolo­nia­lis­mus, ein wei­te­rer Blick­win­kel auf gesell­schaft­li­che Teil­habe in Deutsch­land und Ver­kör­pe­run­gen Schwar­zer Iden­ti­tät in Deutsch­land. „Black in Ber­lin“ stellte mei­nes Erach­tens sehr gut dar, welch signi­fi­kante Rolle die Kunst auch in der Anti­ras­sis­mus-Arbeit spie­len kann und muss.

Die­ser Test ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 06/2024.

Von |2024-06-06T15:08:44+02:00Juni 6th, 2024|Rassismus|Kommentare deaktiviert für

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Zwei Fra­gen an Karim El-Helaifi

Karim El-Helaifi ist Vorstandsvorsitzender der neuen deutschen organisationen – das postmigrantische.