Resi­li­enz ent­wi­ckeln mit­hilfe von Kunst

Zwei Fra­gen an Sanem Kleff

Im Rah­men der Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion dis­ku­tier­ten Panel-Teil­neh­mer über den Bei­trag, den kul­tu­relle Inte­gra­tion im Kampf gegen Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus leis­ten kann. Teil­neh­men­den des Panels haben wir jeweils zwei Fra­gen gestellt.

Wo sehen Sie aus Sicht der Schu­len aktu­ell die größ­ten Gefähr­dun­gen der Demo­kra­tie in Deutschland?

Schule ist die ein­zige Insti­tu­tion, die alle Mit­glie­der unse­rer Gesell­schaft durch­lau­fen müs­sen. Sie bie­tet die Chance, viel­fäl­tige Lebens­um­stände ken­nen­zu­ler­nen, Respekt vor dem Ein­zel­nen zu erle­ben, gemein­same Werte zu ent­wi­ckeln. Somit hat Schule ein­zig­ar­tige Mög­lich­kei­ten, sozia­les Ler­nen, fried­li­che Kon­flikt­lö­sung und demo­kra­ti­schen Umgang mit Min­der­hei­ten ein­zu­üben. Lei­der wird die­ses wert­volle Poten­zial nicht opti­mal genutzt. Allent­hal­ben fehlt es an Fach­per­so­nal, Regel­un­ter­richt fällt aus, für soziale Anlie­gen und indi­vi­du­elle Zuwen­dung ist keine Zeit. Zugleich steht, wenn es um Schule geht, zu oft nur ein bestimm­ter Aus­schnitt wie die schwa­chen Lese- und Mathe­ma­tik­kom­pe­ten­zen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Fokus.

Dabei neh­men auch die sozia­len Kom­pe­ten­zen jun­ger Men­schen ab. Zugleich ent­wi­ckeln diese eine zuneh­mend pes­si­mis­ti­sche Sicht auf ihre Zukunfts­chan­cen. Die Kumu­la­tion von gesell­schaft­li­chen und glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen wie das Coro­nat­rauma, der Krieg Russ­lands gegen die Ukraine, der Angriff der Hamas auf Israel, der Kli­ma­wan­del und öko­no­mi­sche Unsi­cher­hei­ten schü­ren Ängste.

Feh­lende Per­spek­ti­ven und Ängste zie­hen die Suche nach Lösungs­vor­schlä­gen nach sich. Tota­li­täre Ideo­lo­gien machen ein­fa­che und schnelle Ange­bote. Instant-Lösun­gen wer­den den jun­gen Men­schen schmack­haft gemacht: auf Tik­Tok, Insta­gram und You­Tube rund um die Uhr. Ganz ana­log ste­hen die Anhän­ger der klei­nen rechts­extre­men Par­tei „Der III. Weg“ vor Schu­len. Auch wenn geschichts­re­vi­sio­nis­ti­sche Slo­gans wie „Natio­nal, Revo­lu­tio­när, Sozia­lis­tisch“ nicht bei allen Jugend­li­chen gut ankom­men – die Begriffe wer­den trotz­dem verbreitet.

Die Offen­heit jun­ger Men­schen für die The­men und Begriffe der Rechts­extre­men wird auch bei ihrer Par­tei­en­prä­fe­renz deut­lich. Für die Stu­die „Jugend in Deutsch­land 2024“ (Hurrelmann/Schnetzer) befragte 14- bis 29-Jäh­rige wür­den mit 22 Pro­zent am häu­figs­ten die AfD wäh­len. Noch vor zwei Jah­ren konn­ten sich das erst 9 Pro­zent vor­stel­len. Wei­tere 20 Pro­zent wür­den die CDU/CSU, 18 Pro­zent Bünd­nis 90/Die Grü­nen, 12 Pro­zent die SPD, 7 Pro­zent die Linke wählen.

Die gute Nach­richt: Jugend­li­che kön­nen Resi­li­enz ent­wi­ckeln gegen Men­schen­feind­lich­keit in ihren diver­sen Erschei­nungs­for­men wie Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Homo­pho­bie oder Sexis­mus, deren Schnitt­menge die Ideo­lo­gie der Ungleich­wer­tig­keit von Men­schen ist. Das Netz­werk „Schule ohne Ras­sis­mus –Schule mit Cou­rage“ setzt hier mit sei­nem Motto „Lern­ziel: Gleich­wer­tig­keit“ einen Kon­tra­punkt. Dass alle Men­schen gleich­wer­tig sind, muss prak­tisch erfah­ren wer­den. Erst wenn Schü­le­rin­nen und Schü­ler im All­tag erle­ben: „Alle Mit­glie­der der Gruppe sind gleich wert, unter­schied­li­che Inter­es­sen kön­nen zu guten Kom­pro­mis­sen füh­ren, meine Bedürf­nisse und Gefühle wer­den wahr­ge­nom­men, ich werde ernst­ge­nom­men, ich kann mit­wir­ken“, – erst dann kön­nen sie Selbst­ver­trauen ent­wi­ckeln. Dem brei­ten Spek­trum der kunst­päd­ago­gi­schen Metho­den kommt in die­sem Zusam­men­hang eine her­aus­ra­gende Rolle zu.

Was kön­nen Kunst und Kul­tur im Kampf gegen Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und grup­pen­be­zo­gene Men­schen­feind­lich­keit bewirken?

Dar­stel­len­des Spiel ermög­licht es, auf der Bühne in fremde Rol­len zu schlüp­fen, andere Sicht­wei­sen zu erle­ben oder auch unter dem Schutz einer Maske Ängste und Träume dar­zu­stel­len. Im Rol­len­spiel oder auch in Argu­men­ta­ti­ons­trai­nings ler­nen Jugend­li­che, gegen men­schen­feind­li­che Posi­tio­nen auf­zu­tre­ten. Gemein­sa­mes Musi­zie­ren hilft dabei, Auf­merk­sam­keit auf die Gruppe zu rich­ten, gemein­schaft­li­ches Han­deln wert­zu­schät­zen und die eige­nen Gefühle aus­zu­drü­cken. Und mit einem Graf­fiti kann die Visua­li­sie­rung auch von kon­tro­ver­sen The­men und kom­ple­xen Anlie­gen gelin­gen. So wer­den diese in der Gruppe besprech­bar, und Lösun­gen kön­nen gemein­sam ent­wi­ckelt werden.

Kurz gesagt: Krea­tive, künst­le­ri­sche Metho­den hel­fen, Kom­pe­ten­zen zu ent­wi­ckeln, die eine soli­da­ri­sche, demo­kra­ti­sche Gesell­schaft zusam­men­hal­ten. Jede Kunst- und Musik­stunde, die nicht aus­fällt, stärkt eine men­schen­freund­li­che, soli­da­ri­sche Gesellschaft.

Die­ser Test ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 06/2024.

Von |2024-06-06T14:44:46+02:00Mai 31st, 2024|Rassismus|Kommentare deaktiviert für

Resi­li­enz ent­wi­ckeln mit­hilfe von Kunst

Zwei Fra­gen an Sanem Kleff

Sanem Kleff ist Direktorin von der Bundeskoordination Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage und Vorsitzende von Aktion Courage.