Gemein­sam die Demo­kra­tie schützen

Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Integration

Wie kann das gesell­schaft­li­che Mit­ein­an­der gesi­chert wer­den gegen Hass, Hetze und die zuneh­mende Sprach­lo­sig­keit? Dar­über dis­ku­tier­ten Exper­ten auf der sechs­ten Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Integration

Die Demo­kra­tie ist so bedroht wie nie zuvor. Nicht nur durch auto­kra­ti­sche Regime und auto­ri­täre Par­teien, durch Ras­sis­mus und den seit dem Ter­ror­an­griff der Hamas gras­sie­ren­den Anti­se­mi­tis­mus, son­dern vor allem durch wach­sende Pola­ri­sie­rung und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­fä­hig­keit. Darin bestand große Einig­keit auf der Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion, die unter dem Titel „Demo­kra­tie sichern: Zusam­men­halt in Viel­falt leben“ kurz vor dem 75. Geburts­tag des Grund­ge­set­zes und der Euro­pa­wahl in Ber­lin statt­fand. Einig war man sich auch, was es dage­gen braucht: breite demo­kra­ti­sche Gegen­wehr und eine neue Debattenkultur.

Olaf Zim­mer­mann, Spre­cher der Initia­tive und Geschäfts­füh­rer des Deut­schen Kul­tur­ra­tes, sagte zur Eröff­nung, kaum ein Tag ver­gehe ohne Angriffe auf Ver­tre­ter und Ver­tre­te­rin­nen der Demo­kra­tie. „Mehr als je zuvor bedarf es der Siche­rung unse­rer Demo­kra­tie auf Basis unse­rer Grund­werte und des Grund­ge­set­zes.“ Dafür brau­che es wehr­hafte Demo­kra­ten. Der Medien- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­ler Bern­hard Pörk­sen stellte in sei­nem Eröff­nungs­vor­trag die Frage, wie man die­je­ni­gen errei­chen könne, die sich von der Demo­kra­tie abge­wandt haben. Er emp­fahl „öff­nende Wert­schät­zung“ auch für Geg­ner und eine „respekt­volle Kon­fron­ta­tion“. In der anschlie­ßen­den Debatte äußer­ten sich Ver­tre­ter der Medien und Jour­na­lis­ten auch selbst­kri­tisch. Die sozia­len Medien hät­ten die Pola­ri­sie­rung ver­stärkt. Es brau­che aber auch eine Viel­falt an The­men und Mei­nun­gen, sagte die Gene­ral­se­kre­tä­rin der ARD, Susanne Pfab. Mika Beus­ter, Vor­sit­zen­der des Deut­schen Jour­na­lis­ten-Ver­bands, führte aus, Jour­na­lis­ten müss­ten Debat­ten orga­ni­sie­ren. Prä­lat Karl Jüs­ten vom Kom­mis­sa­riat der katho­li­schen Bischöfe mahnte, Sprech­ver­bote ver­un­si­cher­ten Men­schen. Er riet zu einer neue Dia­log­kul­tur, „damit die, die ‚Fal­sches‘ reden, sich nicht abwen­den“. Anna-Lena von Hoden­berg, Geschäfts­füh­re­rin von Hate­Aid, for­derte, das Design der Netz-Platt­for­men so zu ändern, dass sie zu Räu­men für kon­struk­ti­ven Aus­tausch würden.

In einem Panel über Arbeit als wesent­li­chen Fak­tor der Inte­gra­tion waren sich alle Red­ner einig, dass Deutsch­land hier zu büro­kra­tisch ist, vor allem bei der Aner­ken­nung von aus­län­di­schen Berufs­ab­schlüs­sen. DGB-Vor­stands­mit­glied Ste­fan Kör­zell sagte, Migran­ten begegne oft Ableh­nung und Hass. Das schre­cke gesuchte aus­län­di­sche Fach­kräfte ab. Yan Ugod­ni­kov, Spre­cher der Migran­tin­nen und Migran­ten im Pari­tä­ti­schen, kri­ti­sierte, Deutsch­land sei im Kampf gegen Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus nur Mit­tel­maß in Europa.

In einer Runde zum Umgang mit dem erstar­ken­den Rechts­extre­mis­mus kon­sta­tierte der Sozio­loge Mat­thias Quent von der Hoch­schule Mag­de­burg-Stendal, die­ser sei Aus­druck wider­sprüch­li­cher Ent­wick­lun­gen: einer­seits von sozia­len Ungleich­hei­ten, ande­rer­seits von Geg­ner­schaft zum demo­kra­ti­schen Anspruch auf Gleich­heit. Dage­gen hel­fen, so Quent, Pro­teste wie zu Beginn des Jah­res, poli­ti­sche und kul­tu­relle Bil­dung und Prä­ven­tion. Prä­la­tin Anne Gid­ion, Bevoll­mäch­tigte des Rats der EKD, for­derte, Räume zu öff­nen für ganz unter­schied­li­che Mei­nun­gen, auch sol­chen, „denen man sonst aus dem Weg gehen würde“.

Olaf Zim­mer­mann pro­phe­zeite, die AfD werde bei den bevor­ste­hen­den Kom­mu­nal­wah­len vor allem im Osten viele Pos­ten erobern. Kul­tur­ein­rich­tun­gen müss­ten dann gezwun­ge­ner­ma­ßen auch mit deren Ver­tre­tern reden. Michaela Röhr­bein vom Vor­stand des Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bun­des berich­tete, dass die AfD Sport­ver­eine auch im Wes­ten unter­wan­dere. Und die Dresd­ner Bür­ger­meis­te­rin Anne­kat­rin Klepsch fragte: „Was machen Pas­to­ren, wenn die Hälfte des Kir­chen­vor­stands für die AfD ist?“

In der Abschluss­runde warnte die Inte­gra­ti­ons- und Anti­ras­sis­mus­be­auf­tragte der Bun­des­re­gie­rung, Reem Ala­bali-Rado­van, Deutsch­land erlebe „eine neue Dimen­sion von Gewalt gegen die Demo­kra­tie und gegen Men­schen, die sie ver­tei­di­gen“. Es brau­che ein „neues Wir“.

In der Dis­kus­sion danach ging es kon­tro­vers zu. Daniel Bot­mann, Geschäfts­füh­rer des Zen­tral­rats der Juden in Deutsch­land, sagte, der 7. Okto­ber sei eine „krasse Zäsur“. Er habe Grund­le­gen­des geän­dert für die Sicher­heit von Jüdin­nen und Juden und gefähr­li­che Kräfte frei­ge­setzt, auch im Kul­tur­be­reich. Aiman Mazyek, Vor­sit­zen­der des Zen­tral­rats der Mus­lime, ent­geg­nete, als Reak­tion habe auch der anti­mus­li­mi­sche Ras­sis­mus einen neuen Höhe­punkt erreicht. Sanem Kleff, Vor­sit­zende von Aktion Cou­rage, erklärte, die Empa­thie- und Soli­da­ri­täts­lo­sig­keit unter Mus­li­men nach dem 7. Okto­ber habe sie erschreckt. Karim El-Helaifi, Vor­sit­zen­der der neuen deut­schen Orga­ni­sa­tio­nen, beklagte eine ver­ein­fachte Debatte auf allen Sei­ten. So wür­den Min­der­hei­ten pau­scha­li­siert und gegen­ein­an­der ausgespielt.

Aus den Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen konn­ten die Teil­neh­men­den der Tagung viele Impulse mit­neh­men: Anre­gun­gen zum Nach- und Wei­ter­den­ken – und die Erkennt­nis, dass das Ver­ständ­nis für­ein­an­der nur durch Kom­mu­ni­ka­tion auf Augen­höhe gelin­gen kann. Die Dis­kus­sion geht weiter.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 06/2024.

Von |2024-06-06T15:22:13+02:00Mai 31st, 2024|Grundgesetz|Kommentare deaktiviert für

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Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Von ihm stammt das Buch "Die Skandal-Republik. Eine Gesellschaft in Dauererregung" (2015).