Sich in einem neuen Land zurechtzufinden bringt eine Vielzahl an Herausforderungen mit sich. Unterstützend wirken die Integrationskurse in dieser Phase einer Erstintegration. Doch entscheidend für den weiteren Verlauf der Integration sind der Spracherwerb und der Einstieg in den Arbeitsmarkt, propagieren Soziologen, dicht gefolgt vom Ausbau sozialer Kontakte und gesellschaftlicher Teilhabe. Ein Einstieg in den Arbeitsmarkt gilt als wichtiger Faktor, erfolgt aber mit einer zeitlichen Verzögerung aufgrund bestehender Zugangsbarrieren. Besonders bei der nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt stehen viele der Neuzugewanderten, insbesondere Frauen, vor einschneidenden Hürden.
Die regelmäßige Erhebung der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten hat ergeben, dass zwei Drittel der Geflüchteten sehr positiv gestimmt waren, innerhalb von zwei Jahren eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. DIW-Wochenbericht, 34/2020: S. 573). Die Beschäftigungserwartung und Bereitschaft sind vorhanden, doch woran scheitert eine breitere und zügige Integration in den Arbeitsmarkt?
Verbände kritisieren seit langem, dass Barrieren die Aufnahme einer Beschäftigung durch Geflüchtete erschweren. Dabei werden Hindernisse benannt, die eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt erschweren, wie beispielsweise die langen Anerkennungsverfahren und die Verwertbarkeit der ausländischen Abschlüsse, einhergehend mit fehlender Möglichkeit zur Berufsanerkennung. Es besteht ein Mangel an zusätzlichen Angeboten zur ergänzenden Qualifizierung und zum Erwerb einer Berufsanerkennung in Deutschland. Die Unterschiede zu den Berufssystemen im Herkunftsland führen zu einer Entwertung der Berufsqualifikation (vgl. IAB-Kurzbericht, 8/2021, S. 3).
Die stets auf kurze Dauer angelegte Verlängerung der Duldung und die langen Wartezeiten in den Ausländerbehörden tragen nicht zu einer Beschäftigungsförderung bei. Arbeitgeber nehmen oft Abstand davon, Bewerber einzustellen, die nur über eine Aufenthaltsdauer von drei Monaten verfügen. Nicht selten sind dann nur noch prekäre Beschäftigungen im Niedriglohnsektor in Aussicht. Im Jahr 2018 waren etwa 67 Prozent der beschäftigten Asylsuchenden im Niedriglohnsektor tätig (vgl. Arbeitsmarktaktuell, 3/2019, S. 8). In diesen Fällen können Aufstockungen mit Transferleistungen notwendig sein. Dies bedeutet für die Betroffenen, dass eine Erwerbsarbeit nicht ausreicht, um finanziell sichergestellt zu sein, sondern dass sie weiterhin von staatlichen Leistungen abhängig sind, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Eine weitere Hürde stellt die Wohnsitzauflage dar, die die Bewegungsfreiheit der Geflüchteten einschränkt, ihre Arbeitssuche räumlich eingrenzt und eine künstliche Abhängigkeit vom lokalen Arbeitsmarkt schafft.
Im Regelfall ist der Erwerb der Sprache eine Voraussetzung für den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse sind oft nur prekäre Tätigkeiten möglich, nicht selten einhergehend mit befristeten Verträgen. Die Tätigkeitsfelder, in denen ohne ausreichende Sprachkenntnisse eine Beschäftigung möglich wäre, sind eingegrenzt. In politischen Talkshows wurde in den letzten Monaten ausreichend diskutiert und bemängelt, dass etwa 20 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine eine Beschäftigung aufgenommen haben. Es werden selten Erklärungen dafür geliefert, wodurch der Eindruck erweckt werden könnte, dass Geflüchtete aus der Ukraine keine Erwerbstätigkeit anstreben. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist der Zugang zum Arbeitsmarkt stark eingeschränkt, da Arbeitgeber Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Einstellung betrachten. Das funktioniert in den Niederlanden und Dänemark besser, da in diesen Ländern im Beruf die englische Sprache ebenfalls akzeptiert wird.
Der Mangel an Kinderbetreuungsangeboten stellt insbesondere für die Geflüchteten aus der Ukraine, das sind überwiegend Frauen, eine bedeutende Herausforderung dar. Dies äußert sich bereits beim Spracherwerb, da kaum Integrationskurse mit einer Kinderbetreuung angeboten werden. Eine breitere Einbindung in die Erwerbsarbeit ist nach Abschluss der Integrationskurse zu erwarten. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung steigt mit jedem Jahr Aufenthalt die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbstätigkeit bei den Geflüchteten (vgl. IAB-Kurzbericht, 8/2021, S. 2). Dies belegen auch die Zahlen einer Studie des Instituts. Im Oktober 2023 startete die Bundesagentur für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Job-Turbo, um Geflüchtete mit abgeschlossenem Integrationskurs schneller und nachhaltiger in den Arbeitsmarkt anzubinden. Die genannten Hürden bleiben aber weiterhin unberührt. Die Integration wird in der Sozialforschung als Prozess verstanden, der zeitlich nicht eindeutig eingegrenzt wird und individuell unterschiedlich ausfallen kann. Für einen schnelleren und adäquaten Zugang zum Arbeitsmarkt sind strukturelle Anpassungen notwendig.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2024.