Leyla Yag­ba­san

Leyla Yag­ba­san ist Geschäfts­füh­re­rin des Multi-Kulti Gesund­heits- und Pfle­ge­diensts. Als Kran­ken­schwes­ter mit Wur­zeln in der Tür­kei merkte sie im kli­ni­schen All­tag in Ham­burg schnell, dass es Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund an Ver­sor­gungs­ba­sis und Fein­ge­fühl fehlte. Seit nun mehr als 25 Jah­ren ver­sor­gen mitt­ler­weile über 80 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter in 17 ver­schie­de­nen Spra­chen hun­derte hilfs­be­dürf­tige Men­schen unter­schied­li­cher Her­kunft im medi­zi­nisch-pfle­ge­ri­schen Bereich. Der Multi-Kulti Gesund­heits- und Pfle­ge­dienst legt im Rah­men der „Kul­tur­sen­si­blen Pflege“ hohen Wert dar­auf, die Men­schen, die sie pfle­gen, zum einen auf umfang­rei­che Weise medi­zi­nisch zu ver­sor­gen und zum ande­ren ein Gefühl des Ver­trau­ens und der Sicher­heit zu ver­mit­teln. Dies kann nur auf Basis von Ach­tung, Huma­ni­tät und Ein­füh­lungs­ver­mö­gen geschehen.

Was war Ihre Moti­va­tion den Multi-Kulti Gesund­heits- und Pfle­ge­dienst in Ham­burg auf­zu­bauen und was bedeu­tet für Sie kul­tur­sen­si­ble Pflege?

Als ich 1998 unse­ren Gesund­heits- und Pfle­ge­dienst als eine der ers­ten Kran­ken­schwes­tern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in Ham­burg gegrün­det habe, war die Begeis­te­rung und Lei­den­schaft dafür, ande­ren Men­schen zu hel­fen und sie zu unter­stüt­zen, der maß­geb­li­che Anstoß mei­nes Vor­ha­bens. Die pfle­ge­ri­sche Pra­xis, die ich erlebt und vor­ge­fun­den habe, waren die Anfangs­bau­steine, die mich dazu gebracht haben, Men­schen mit ihren indi­vi­du­el­len bio­gra­fi­schen und kul­tu­rel­len Hin­ter­grün­den zu sehen und diese als Res­sour­cen wahr­zu­neh­men. Eben diese Lei­den­schaft ist es, die uns als Fami­li­en­un­ter­neh­men bis heute tag­täg­lich anspornt. Zen­tral in der kul­tur­sen­si­blen Pflege ist für uns dabei eine ein­fühl­same und respekt­volle Kom­mu­ni­ka­tion sowie Denk- und Hand­lungs­weise Pati­en­ten gegenüber.

Die Ach­tung der Würde eines jeden Men­schen ist unsere höchste Prio­ri­tät und die Basis allen Han­delns, unge­ach­tet der kul­tu­rel­len oder reli­giö­sen Her­kunft. Es wer­den daher Her­kunft, Spra­che, Reli­gion, Geschlecht, Lebens­bio­gra­fie sowie die per­sön­li­chen Nei­gun­gen und Inter­es­sen, Essens­ge­wohn­hei­ten, Tra­di­tio­nen, Sit­ten und Gebräu­che des ein­zel­nen Kun­den mit ein­be­zo­gen und angepasst.

Kul­tu­rel­les Fein­ge­fühl, im Sinne eines kul­tur­sen­si­blen Umgangs, in der Begeg­nung mit ande­ren Men­schen ist auch im Hin­blick auf ver­schie­denste Aus­prä­gun­gen inner­halb des west­li­chen bzw. euro­päi­schen Kul­tur­krei­ses von Bedeu­tung. Mir per­sön­lich ist es ein Anlie­gen, hilfs- und pfle­ge­be­dürf­tige Men­schen und ihre Ange­hö­ri­gen unab­hän­gig von ihrer Natio­na­li­tät, kul­tu­rel­len oder reli­giö­sen Zuge­hö­rig­keit und Welt­an­schau­ung qua­li­ta­tiv und kul­tur­sen­si­bel zu versorgen.

Wel­che Rolle spielt die kul­tur­sen­si­ble Pflege in Hin­blick auf Inte­gra­tion und kul­tu­relle Viel­falt? Inwie­fern ist dafür die Ver­net­zung über den Pfle­ge­be­reich hin­aus bedeu­tend für die zu Betreu­en­den und Mit­ar­bei­ten­den? Errei­chen Sie auch Men­schen, die sich ehren­amt­lich bei Ihnen enga­gie­ren und in wel­cher Form?

Die kul­tur­sen­si­ble Pflege, gepaart mit Pro­fes­sio­na­li­tät und lang­jäh­ri­ger Erfah­rung, erlaubt es, fle­xi­bel auch und gerade in Zei­ten gesell­schaft­li­cher Ver­än­de­run­gen und Her­aus­for­de­run­gen zu agieren.

Dem­zu­folge denke ich, dass die kul­tur­sen­si­ble Pflege einen gro­ßen Teil zu der Viel­falt und Akzep­tanz in unse­rem Land bei­trägt. Die Sprach­kennt­nisse unse­res Teams, ins­ge­samt spre­chen wir 17 ver­schie­dene Spra­chen, sind oft­mals von hoher Bedeu­tung in Bezug auf Ver­net­zung, Offen­heit und kul­tu­relle Sensibilität.

Wir haben immer wie­der ehren­amt­li­che Mit­hel­fe­rIn­nen, aber auch wir spü­ren den Umbruch im Ehren­amt und, dass sich das ehren­amt­li­che Enga­ge­ment ver­än­dert. Es wird situa­ti­ons­be­zo­ge­ner, punk­tu­el­ler und krisenangepasster.

Was braucht es in Deutsch­land damit Pfle­ge­ar­beit wie Ihre wei­ter­hin so erfolg­reich funk­tio­nie­ren kann?

Bil­dungs­struk­tu­ren, die diese wich­ti­gen The­men wei­ter­hin stär­ken und vor allem die Offen­heit für Ver­än­de­rung – inter­kul­tu­relle Ver­tre­tung auf Lei­tungs­ebe­nen, dazu zählt auch die Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit –Anders muss halt nicht immer schlecht sein.

Den Multi-Kulti-Gesund­heits- und Pfle­ge­dienst gibt es seit mitt­ler­weile über 25 Jah­ren. Er ist mehr­fach aus­ge­zeich­ne­ter Preis­trä­ger, unter ande­rem des Deut­schen Alters­prei­ses der Robert Bosch Stif­tung und für her­aus­ra­gen­des Enga­ge­ment in der Inte­gra­ti­ons­ar­beit des Bezirks­amts Ham­burg Mitte. Wel­che Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen sehen Sie für die wei­tere Ent­wick­lung und Zukunft Ihres Pflegedienstes?

Diese Aus­zeich­nun­gen sind eine tolle Bestä­ti­gung für alle Betei­lig­ten – expli­zit für unser Team, das mit größ­ter Leis­tungs­be­reit­schaft und Moti­va­tion stets sein Bes­tes gibt, um pfle­ge­be­dürf­tige Men­schen ein­fühl­sam und ver­ant­wor­tungs­voll zu ver­sor­gen und Ange­hö­rige indi­vi­du­ell zu beglei­ten. Durch unsere Viel­falt in den Leis­tungs­be­rei­chen, die häus­li­che Kran­ken­pflege, Tages­pflege, eine ambu­lant betreute Demenz Wohn-Pfle­ge­ge­mein­schaft und Betreu­tes Woh­nen umfasst, sehe ich die große Stärke, alle Men­schen nach ihren Bedürf­nis­sen zu pfle­gen, betreuen und versorgen.

In einem Stadt­teil, der durch Viel­falt geprägt ist, sind kul­tur­sen­si­ble Wohn- und Ver­sor­gungs­an­ge­bote für Senio­ren näm­lich unab­ding­bar. Eine große Her­aus­for­de­rung wird wei­ter­hin sein, dem Pfle­ge­kräf­te­man­gel ent­ge­gen­zu­wir­ken und den Beruf attrak­ti­ver zu gestal­ten. Wir set­zen uns schon seit lan­ger Zeit für eine Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen und eine stär­kere gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung der Pflege ein.

Die 15 The­sen der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion tra­gen den Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt“. Was bedeu­tet für Sie „Zusam­men­halt in Viel­falt“ und wel­che der 15 The­sen ist Ihre „Lieb­lings­these“?

Alle The­sen sind abso­lut wert­voll und decken sich auch mit der Phi­lo­so­phie unse­rer Ein­rich­tun­gen. Ich per­sön­lich würde aber die These 15 „Kul­tu­relle Viel­falt ist eine Stärke“ und These 4 „Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit ist ein Eck­pfei­ler unse­res Zusam­men­le­bens“ weit oben ansetz­ten. Ich bin die Gene­ra­tion Gleich­stel­lung: Frau­en­rechte auf allen Ebe­nen realisieren.

Obwohl inzwi­schen seit über hun­dert Jah­ren für die Gleich­stel­lung der Geschlech­ter gekämpft wird, sind wir lei­der immer noch als Gesell­schaft von vol­ler Gleich­be­rech­ti­gung und Chan­cen­gleich­heit ent­fernt. Jede Per­son die­ser Gesell­schaft muss auf diese Pro­bleme hin­wei­sen und sie sicht­bar machen. Jede und Jeder hat eigene Talente, Fähig­kei­ten, Qua­li­tä­ten, Geschich­ten und Hin­ter­gründe. Diese Viel­falt berei­chert unsere Gesell­schaft und gehört in allen Berei­chen aner­kannt und geför­dert. Dem­zu­folge ist mein Anlie­gen, die Wich­tig­keit der Gleich­be­hand­lung aller Geschlech­ter zu jedem Zeit­punkt zu unterstreichen.

Vie­len Dank!

Von |2024-04-24T11:50:47+02:00April 1st, 2024|Menschen|Kommentare deaktiviert für Leyla Yag­ba­san