Anti­se­mi­tis­mus in deut­schen Kultureinrichtungen

Refle­xio­nen und Handlungsempfehlungen

Seit Jah­ren bele­gen sowohl ein­schlä­gige Stu­dien, wie z. B. Zick et al. (2017), Schwarz-Frie­sel (2019) oder auch Zick et al. (2022), wie auch die jähr­li­chen Sta­tis­ti­ken des Innen­mi­nis­te­ri­ums und der RIAS-Mel­de­stel­len, dass Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land bestän­dig zunimmt. Beson­ders dra­ma­tisch ist der Anstieg seit dem 7. Okto­ber 2023, dem Mas­sa­ker von Hamas im Süden Isra­els, und dem dar­auf fol­gen­den israe­li­schen Luft- sowie Boden­krieg im Gaza-Strei­fen. – Laut RIAS haben sich die anti­se­mi­ti­schen Äuße­run­gen und Über­griffe seit­her ver­vier­facht. – Mitt­ler­weile kommt es bun­des­weit, ins­be­son­dere in Ber­lin, regel­mä­ßig zu anti­se­mi­ti­schen Zuschrif­ten, ver­ba­ler Gewalt und phy­si­scher Bedro­hung, ja tät­li­chen Über­grif­fen auf Jüdin­nen und Juden sowie als sol­chen wahr­ge­nom­me­nen Men­schen, auf Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes Israel sowie auf isra­els­o­li­da­ri­sche Per­so­nen in den Uni­ver­si­tä­ten und Kunst­hoch­schu­len sowie in den Kunst- und Kul­tur­ein­rich­tun­gen. Ich selbst war das Ziel eines eben­sol­chen Angriffs, mit dem die Gruppe „Young Struggle Ber­lin“ meine Lesung eines Tex­tes am 10. Februar 2024 im Ham­bur­ger Bahn­hof – Natio­nal­ga­le­rie der Gegen­wart unter­brach, weil ich eine „Zio­nis­tin“ und „Ras­sis­tin“ sei, der man keine Platt­form bie­ten dürfe. Das Vor­komm­nis folgte auf eine Woche, in der der in Israel gebo­rene Stu­dent an der Freien Uni­ver­si­tät Ber­lin, Lahav Shapira, kran­ken­haus­reif geschla­gen und ein Gespräch mit der israe­li­schen Ver­fas­sungs­rich­te­rin und enga­gier­ten Kri­ti­ke­rin der der­zei­ti­gen israe­li­schen Regie­rung, Daphne Barak Erez, an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät von Stu­die­ren­den mit „Stop the Genozide“-Rufen nie­der­ge­brüllt wor­den war. Bei allen genann­ten Vor­fäl­len han­delt es sich um israel­be­zo­ge­nen Anti­se­mi­tis­mus, der zur­zeit die domi­nante Form von Anti­se­mi­tis­mus an deut­schen Kul­tur- und Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen darstellt.

Seit der Ver­ab­schie­dung der BDS-Reso­lu­tion des Bun­des­tags im Jahr 2019 wird inten­siv über die Frage debat­tiert, was der Unter­schied zwi­schen israel­be­zo­ge­nem Anti­se­mi­tis­mus und Kri­tik an der israe­li­schen Regie­rung, zwi­schen Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus, zwi­schen der Schoah und ande­ren Geno­zi­den sei. Die Debat­ten began­nen nach dem Rück­tritt von Peter Schä­fer als Direk­tor des Jüdi­schen Muse­ums Ber­lin, spitz­ten sich mit der Ein­la­dung an Achille Mbembe als Eröff­nungs­red­ner der Ruhr-Tri­en­nale zu, beglei­te­ten die mediale Wahr­neh­mung der Initia­tive GG 5.3 Welt­of­fen­heit, die Kri­tik an den Fol­gen des BDS-Beschlus­ses übte, und kul­mi­nier­ten in dem Anti­se­mi­tis­mus-Skan­dal der docu­menta 15. Das Gut­ach­ten, wel­ches Chris­toph Möl­lers im Nach­gang zur docu­menta ver­fasste, gebot die­sen Debat­ten einen vor­läu­fi­gen Ein­halt, weil es grund­le­gend erör­terte, worin das demo­kra­ti­sche Grund­recht auf Kunst­frei­heit, die Ver­ant­wor­tung der Lei­tun­gen von Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen bei der Prä­sen­ta­tion strit­ti­ger Posi­tio­nen und die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten von Zuwen­dungs­ge­bern und der Kul­tur­po­li­tik bestehen (Möl­lers 2023).

Mit Blick auf die Zunahme anti­se­mi­ti­scher Vor­komm­nisse im Kunst- und Wis­sen­schafts­be­reich seit dem 7. Okto­ber 2023 und vor dem Hin­ter­grund der pola­ri­sier­ten Debatte um israel­be­zo­ge­nen Anti­se­mi­tis­mus wid­mete der Aus­schuss für Kul­tur und Medien des Deut­schen Bun­des­tags seine Sit­zung am 21. Februar 2024 der Frage, was geeig­nete Maß­nah­men zur Prä­ven­tion und Ein­däm­mung von Anti­se­mi­tis­mus im Kul­tur­be­reich seien. Die fünf ein­ge­la­de­nen Exper­tin­nen Daniel Bot­man, Marina Cher­ni­vsky, Stella Leder, Meron Men­del sowie ich selbst haben im Rah­men der Sit­zung ein­hel­lig dafür votiert, diese Frage in einem gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­hang zu betrachten.

Die ver­schie­de­nen Erschei­nungs­for­men und Tra­di­tio­nen von Anti­se­mi­tis­mus in Deutschland

Ver­schwö­rungs­my­then, die Jüdin­nen und Juden eine geheime, ver­netzte Macht zuschrei­ben und sie mit Kapi­tal, Pro­fit und „den Medien“ asso­zi­ie­ren, haben eine lange Tra­di­tion und im Zuge von Des­in­for­ma­tion und Fake-News in den letz­ten Jah­ren bedeu­tend zuge­nom­men. Sie bil­den den struk­tu­rel­len Kern des Anti­se­mi­tis­mus, der den Cha­rak­ter des „Gerüchts über die Juden“ (Adorno 1951) hat, also pathi­sche Pro­jek­tion auf alles ist, was als „jüdisch“ gilt oder wahr­ge­nom­men wird. Der Ver­schwö­rungs­an­ti­se­mi­tis­mus hat eine lange Geschichte, die über die erfun­dene Erzäh­lung der „Pro­to­kolle der Wei­sen von Zion“ zu Beginn des Zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts bis zu mit­tel­al­ter­li­chen Ritu­al­mord-Legen­den zurück­reicht. Er ist heute unter ande­rem auch in der popu­lä­ren Jugend­kul­tur, also im Deutschrap und Hip Hop zu fin­den, und beflü­gelt die Vor­stel­lung, Israel führe mit sei­nem Krieg gegen Hamas einen Plan zur Ver­nich­tung des paläs­ti­nen­si­schen Vol­kes aus.

Laut Poli­zei­sta­tis­tik hängt die bei Wei­tem gewalt­tä­tigste Form des Anti­se­mi­tis­mus mit rechts­extre­men Ein­stel­lun­gen zusam­men, in denen Juden per se als „Volks­fremde“ und „Glo­ba­lis­ten“ gel­ten, die Deutsch­land Scha­den zufü­gen wol­len. Die Liste des rechts­extre­men „Ter­rors gegen Juden“, die Ronen Stein­kes (2020) gleich­na­mi­ges Buch ent­hält, ist lang und die geziel­ten Mord­an­schläge – wie etwa in Frank­furt auf die Holo­caust-Über­le­bende Bianca Zmi­grod im Jahr 1992 – wur­den lange nicht als sol­che aner­kannt und erin­nert. Der rechts­extreme Anti­se­mi­tis­mus spielt an den Kul­tur- und Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen in Deutsch­land bis­lang noch keine auf­fal­lend große Rolle, was sich jedoch ändern könnte, wenn die AfD wei­te­ren Zulauf erhält und ihre Vor­stel­lun­gen von einer natio­na­len Kul­tur des deut­schen Vol­kes durch­set­zen kann. Dies zumin­dest legen die Ent­wick­lun­gen in Polen und Ungarn nahe, wo mit dem Abbau demo­kra­ti­scher Prin­zi­pien und dem Ein­set­zen von macht­kon­for­men Lei­tun­gen in Kul­tur- und Wis­sen­schafts­in­sti­tu­tio­nen auch anti­se­mi­ti­sche Ver­schwö­rungs­my­then all­ge­mein zunah­men (Ino­tai, Cio­banu 2020). Rechts­po­pu­lis­ti­sche und rechts­extreme Par­teien beför­dern mit dem natio­na­len Kanon, den sie an Uni­ver­si­tä­ten und Kul­tur­ein­rich­tun­gen imple­men­tie­ren, zumeist auch tra­dierte juden­feind­li­che Vor­stel­lun­gen, die Bestand­teil kano­ni­scher Texte und Bil­der sind, ohne sie als sol­che zu dechif­frie­ren. Wer in Deutsch­land etwa for­dert, dass die deut­sche Roman­tik oder die deut­sche Frei­heits- und Ein­heits­be­we­gung von 1848 einen grö­ße­ren Stel­len­wert im kul­tu­rel­len Kanon ein­neh­men solle, ver­nach­läs­sigt zumeist den juden­feind­li­chen Cha­rak­ter der Christ­lich-Deut­schen Tisch­ge­sell­schaft, die Achim von Arnim unter Aus­schluss mög­li­cher jüdi­scher Mit­glie­der grün­dete, sowie die anti­se­mi­ti­schen Ein­stel­lun­gen der Pauls­kir­chen-Par­la­men­ta­rier und Vor­bil­der der stu­den­ti­schen Natio­nal­be­we­gung, Ernst Moritz Arndt und Turn­va­ter Jahn. Auch fin­det das erste Pogrom in den Län­dern des Deut­schen Bunds nach der euro­päi­schen Auf­klä­rung, die so genann­ten Hep-Hep-Kra­walle von 1819, in der­ar­ti­gen kul­tur­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen, ja in der all­ge­mei­nen deut­schen Geschichts­kul­tur zumeist nur wenig Erwäh­nung. Der Schlacht­ruf des dama­li­gen Auf­ruhrs lau­tete: „Jude, Jude, fei­ges Schwein – komm her­aus und kämpf’ allein!“ Er kehrte 2014 auf den Demons­tra­tio­nen gegen den Gaza-Krieg wie­der. Micha Brum­lik (2014) kom­men­tierte damals: „[E]s ist eine ganz unhei­lige Alli­anz, die sich da zusam­men­fin­det, aus links­ra­di­ka­len Anti­im­pe­ria­lis­ten, durch­aus nicht weni­gen Anhän­gern der radi­ka­len Rech­ten, migran­ti­schen Jugend­li­chen, sala­fis­ti­schen Grup­pen und nicht zuletzt einem neuen natio­nal-neu­tra­lis­ti­schen Bünd­nis, der so genann­ten Quer­front, die ver­sucht, links und rechts zusam­men­zu­füh­ren, um gegen Israel, die USA und den Wes­ten zu agi­tie­ren“. Seine Aus­füh­run­gen sind frap­pie­rend aktuell.

Zum israel­be­zo­ge­nen Antisemitismus

Der israel­be­zo­gene Anti­se­mi­tis­mus stellt heute die umstrit­tenste Form anti­se­mi­ti­scher Äuße­run­gen und Gewalt­ta­ten gegen Jüdin­nen und Juden sowie als jüdisch wahr­ge­nom­mene Men­schen und Ein­rich­tun­gen und zugleich die am meis­ten ver­brei­tete Form von Anti­se­mi­tis­mus im Kul­tur- und Wis­sen­schafts­be­reich dar. Er trat in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land im Rah­men der 1968er-Stu­den­ten­be­we­gung zutage und rich­tete sich schon damals unmit­tel­bar gegen die jüdi­sche Gemein­schaft selbst, wie etwa die von einer Gruppe namens tupa­ra­mos West-Ber­lin plat­zierte Bombe am Gemein­de­haus in der Fasa­nen­straße (1969) und der bis heute unge­ahn­dete Brand­an­schlag gegen das jüdi­sche Alters­heim in Mün­chen (1970) zei­gen, bei dem sie­ben Men­schen star­ben. In den GUS-Staa­ten, mit­hin auch der DDR galt Israel als „Speer­spitze des Impe­ria­lis­mus“ und Jüdin­nen und Juden lie­fen daher ins­be­son­dere wäh­rend der Stu­den­ten­un­ru­hen im Jahr 1968, dem so genann­ten Pra­ger Früh­ling Gefahr, als „Zio­nis­ten“ gebrannt­markt, staat­li­chen Repres­sio­nen aus­ge­setzt und aus­ge­grenzt zu wer­den. Israel-bezo­ge­ner Anti­se­mi­tis­mus wurde viel­fach unter­sucht und ins­be­son­dere als sekun­dä­rer oder Schuld­ab­wehr-Anti­se­mi­tis­mus der zwei­ten Gene­ra­tion von Täter­nach­fah­ren ana­ly­siert (Höt­te­mann 2022). Er tritt aller­dings nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in den Iden­ti­täts- und Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­de­bat­ten auf, die im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Raum und den BRICS-Staa­ten geführt wer­den (Bad­diel 2021). In den letz­ten zehn Jah­ren spielt die kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung des euro­päi­schen Kolo­nia­lis­mus eine immer grö­ßere Rolle in den inter­na­tio­nal ver­netz­ten Geis­tes- und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten ebenso wie in den Kunst- und Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen. Wäh­rend der „Black Lives Matter“-Bewegung gewann in dem post­ko­lo­nia­len Dis­kurs, der diese Ent­wick­lung beglei­tet, die Wahr­neh­mung zuneh­mend an Popu­la­ri­tät, dass Israel der letzte ver­blie­bene „Sied­ler-Kolo­ni­al­staat“ euro­päi­scher Pro­ve­ni­enz sei. Auf der docu­menta 15 wurde diese Wahr­neh­mung als Per­spek­tive des Glo­ba­len Südens prä­sen­tiert und durch den Aus­schluss israe­li­scher Künst­ler, die juden­feind­li­chen Bil­der auf dem „People’s Justice“-Banner von Taring Padi und den ter­ror­ver­herr­li­chen­den „Tokyo Reels“ als israel­be­zo­ge­ner Anti­se­mi­tis­mus sicht­bar. Seit­her besteht eine tiefe Kluft zwi­schen der poli­tisch-akti­vis­ti­schen inter­na­tio­na­len Kunst­szene auf der einen und jüdi­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Ein­rich­tun­gen auf der ande­ren Seite. Diese Kluft droht ange­sichts des Kriegs in Gaza zu einem Riss zu wer­den, der nicht mehr zu kit­ten ist. „Strike Ger­many“ heißt der Trend unter inter­na­tio­na­len Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­den ebenso wie Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern, die dezi­diert pro­pa­läs­ti­nen­si­sche Posi­tio­nen ver­tre­ten und ein Enga­ge­ment in Deutsch­land auf­grund der außen­po­li­ti­schen Bezie­hun­gen zu Israel und der Gefahr mei­den, sich Anti­se­mi­tis­mus­vor­wür­fen aus­zu­set­zen. „Strike Ger­many“ nimmt sich das BDS-Netz­werk zum Modell und erwei­tert den Kul­tur- und Wis­sen­schafts­boy­kott auf Deutsch­land. Es ist frag­lich, ob die vie­len Absa­gen, die inter­na­tio­nale Fes­ti­vals und Aus­stel­lun­gen in den letz­ten Wochen erreicht haben, mit Ende des Kriegs in Gaza auf­hö­ren wer­den. Der deut­schen Kul­tur- und Wis­sen­schafts­land­schaft droht auf­grund die­ser Ent­wick­lung also eine gewisse Iso­la­tion von inter­na­tio­na­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Positionen.

Hand­lungs­emp­feh­lun­gen an die bun­des­deut­sche Kulturpolitik

Im Rah­men der Aus­schuss­sit­zung wur­den vor dem Hin­ter­grund der geschil­der­ten Zusam­men­hänge fol­gende Hand­lungs­emp­feh­lun­gen an die bun­des­deut­sche Kul­tur­po­li­tik formuliert:

Ers­tens: Die Ver­tei­lung der För­de­rungs­mög­lich­kei­ten von anti­se­mi­tis­mus­kri­ti­scher Bil­dungs­ar­beit auf ver­schie­dene Bun­des­mi­nis­te­rien (BMI, BMBF, BMFSJ, AA, BKM) ist hin­der­lich für die Ent­wick­lung einer koor­di­nier­ten Prä­ven­ti­ons-, Inter­ven­ti­ons- und Bil­dungs­stra­te­gie gegen Anti­se­mi­tis­mus. Es erscheint daher sinn­voll, die ver­schie­de­nen Initia­ti­ven des Bun­des stär­ker mit­ein­an­der zu koor­di­nie­ren. Zwei­tens: Die so genannte „Anti­se­mi­tis­mus­klau­sel“, die der Ber­li­ner Kul­tur­se­na­tor Joe Chialo in die För­der­zu­sa­gen der Ber­li­ner Senats­ver­wal­tung auf­neh­men wollte, wurde von Kul­tur­schaf­fen­den weit­ge­hend abge­lehnt. Eine Mehr­heit der Exper­tin­nen und Exper­ten votierte daher dafür, den gestie­ge­nen Anti­se­mi­tis­mus im Kul­tur­be­reich nicht mit zusätz­li­chen admi­nis­tra­ti­ven Maß­nah­men ein­zu­däm­men, son­dern mit dem Bereit­stel­len zusätz­li­cher Mit­tel für die Fort­bil­dung des lei­ten­den Per­so­nals von Kul­tur­ein­rich­tun­gen zur Stär­kung ihres anti­se­mi­tis­mus­kri­ti­schen Urteils­ver­mö­gens. Drit­tens: Ange­sichts des gestie­ge­nen Anti­se­mi­tis­mus und der Über­for­de­rung vie­ler Lei­tun­gen von Kul­tur- und Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen mit der Auf­gabe, den Ent­wick­lun­gen Ein­halt zu gebie­ten, sind Fort­bil­dungs- und Bera­tungs­maß­nah­men zur Sen­si­bi­li­sie­rung gegen Anti­se­mi­tis­mus in sei­nen ver­schie­de­nen Erschei­nungs­for­men sinn­voll, die fol­gende Aspekte umfas­sen könnten:

 

  • eine Beglei­tung in der Ent­wick­lung von anti­se­mi­tis­mus­kri­ti­schen Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men sowie von Inter­ven­ti­ons- und Not­fall­kon­zep­ten und Leit­fä­den, etwa nach dem Modell der bereits weit­ge­hend erar­bei­te­ten Not­fall­pläne von Museen zum Schutz von Kul­tur­gü­tern im Katastrophenfall;
  • eine Betei­li­gung von Per­so­nen mit anti­se­mi­tis­mus­kri­ti­scher Kom­pe­tenz an Aus­wahl- und Besetzungsverfahren;
  • finan­zi­elle Anrei­zen für Pro­zesse zur Auf­ar­bei­tung der Geschichte von Kul­tur- und Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus bis in die 1970er Jahre unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung per­so­nel­ler Kon­ti­nui­tä­ten, sys­te­ma­ti­scher Ver­schleie­rung der Betei­li­gung am natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Raub von Kul­tur­gü­tern sowie des Fort­be­stehens von juden­feind­li­chen Einstellungen;
  • eine umfas­sende Infor­ma­tion über ord­nungs- und straf­recht­li­ches Vor­ge­hen gegen anti­se­mi­ti­sche, volks­ver­het­zende Inhalte – sei es in Form von Publi­ka­tio­nen, Social-Media-Posts oder Inter­ven­tio­nen in Ver­an­stal­tun­gen – sowie über recht­li­che Unterstützungsmöglichkeiten.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 03/2024.

Von |2024-03-22T15:23:25+01:00März 22nd, 2024|Antisemitismus|Kommentare deaktiviert für

Anti­se­mi­tis­mus in deut­schen Kultureinrichtungen

Refle­xio­nen und Handlungsempfehlungen

Mirjam Wenzel ist Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt.