Aus der Mitte der Vielfalt

Der Come­dian Kha­lid Boun­ouar im Gespräch

In der deut­schen Comedy ist das Ensem­ble Rebell­Co­medy eine feste Größe. Kha­lid Boun­ouar ist seit vie­len Jah­ren fes­tes Mit­glied und prägt mit sei­nem poin­tier­ten Stand-up nicht nur Rebell­Co­medy, son­dern auch die gesamte Comedy-Land­schaft in Deutsch­land. The­resa Brüh­eim spricht am Rande der Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion zum Thema „Zusam­men­halt gegen Ras­sis­mus“ mit ihm über sei­nen Weg zur Comedy, die Ent­wick­lung von Ethno-Comedy zu Stand-up und Ras­sis­mus in der deut­schen Comedy-Branche.

The­resa Brüh­eim: Seit der Kind­heit ste­hen Sie auf der Bühne. Zuerst waren es Tanz, Thea­ter, Musik, Poe­sie. Spä­ter kam Comedy dazu. Wie haben Sie den Weg in die Stand-up-Comedy gefunden?
Kha­lid Boun­ouar: Stand-up-Comedy kam sehr spon­tan. Rebell­Co­medy kannte ich, da mein Bru­der mit ihnen gear­bei­tet hat, und auch wei­tere Freunde hat­ten damit zu tun. Ein­mal wurde das Mikro­fon durch­ge­ge­ben und ich habe spon­tan aus dem Publi­kum her­aus eine wahre Geschichte erzählt. Das fan­den die gut. So gut, dass, als kurz dar­auf einer aus­ge­fal­len ist, ich gefragt wurde, ob ich Lust habe, auf die Bühne zu gehen. Das habe ich gemacht. Seit­dem bin ich Stand-up-Come­dian – und ich
mache nur noch das.

Was ist für Sie das Beson­dere an die­ser künst­le­ri­schen Ausdrucksform?
Bei Stand-up-Comedy ist das Schöne, dass du ein breit­ge­fä­cher­tes Spek­trum hast. Du kannst viel machen. Du bist der Stand-up-Come­dian, der das alles darf. Wenn du hin­ge­gen z. B. Schau­spie­ler im deut­schen Fern­se­hen bist und dann anfängst, Musik zu machen, dann bist du auf ein­mal der Schau­spie­ler, der Musik macht. Wenn du aber Stand-up-Come­dian bist, dann ist es erstaun­li­cher­weise so, dass, wenn du in einem Film mit­spielst, du Schau­spie­ler bist – und nicht mehr der Stand-up-Come­dian. Wenn du Musik machst als Stand-up-Come­dian, dann wird das als Musik wahr­ge­nom­men. Wenn du ein Buch schreibst als Stand-up-Come­dian, dann bist du der Autor die­ses Buches. Das ist eine Sache, die wir in den USA schon seit zig Jah­ren so sehen. Jim Carrey, Jamie Foxx, Chris Rock, Kevin James … Das sind alles Stand-up-Come­di­ans, die auch als Schau­spie­ler wahr­ge­nom­men werden.

Woran liegt es, dass das so anders wahr­ge­nom­men wird?
Der Come­dian darf ein­fach mehr. Man erlaubt ihm mehr als jemand anderem.

Sie sind Teil von Rebell­Co­medy. Was macht Rebell­Co­medy aus, was ist das Besondere?
Rebell­Co­medy macht vor allem aus, dass wir Kin­der der glei­chen Kul­tur sind. Und damit ist nicht geo­gra­fi­sche Kul­tur gemeint, son­dern es geht eher um demo­gra­fi­sche Kul­tur. Also um die MTV-Kul­tur, Hip-Hop-Kul­tur, Pop-Kul­tur. Wir tei­len das. Wir haben z. B. einen ähn­li­chen Geschmack, was Filme oder Musik angeht. Das ver­bin­det uns. Und wir haben ein glei­ches Ver­ständ­nis von Respekt, Tole­ranz und Vielfalt.

Wofür steht das Comedy-Ensemble?
Rebell­Co­medy steht für Viel­falt. Wenn man bei uns in der Show sitzt, dann lacht man erst mal über sich, dann noch über jeden ande­ren und schluss­end­lich lacht man auch gemeinsam.

Wel­che Rolle spielt die­ses Selbst­ver­ständ­nis für Ihre Comedy?
Es ist so selbst­ver­ständ­lich, dass wir nicht mehr so sehr dar­auf ach­ten. Es pas­siert natür­lich. Und dann, in dem Pro­zess des natür­li­chen Pas­sie­rens, fan­gen wir an, drauf zu ach­ten. Also dann ist es eher so: Mir ist etwas pas­siert, ich erzähle es, es ist eine natür­li­che Story und dann merke ich: Das ist voll das Thema. Das müs­sen wir ansprechen.

Wir sind heute auf der Jah­res­ta­gung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion zum Thema „Zusam­men­halt gegen Ras­sis­mus“. Seit vie­len Jah­ren sind Sie Teil des Kul­tur­be­reichs in Deutsch­land. Wie ist es Ihres Erach­tens um Ras­sis­mus in die­sem Bereich bestellt?
Lei­der wird auch der Kul­tur­be­reich immer noch sehr stark von Ras­sis­mus beherrscht. In der Ver­an­stal­tungs­bran­che und in der Kaba­rett­szene wer­den die gro­ßen Agen­tu­ren von wei­ßen Struk­tu­ren gelei­tet. Das führt natür­lich dazu, dass, wenn mal einer ein­ge­la­den wird, der einen „Migra­ti­ons­hin­ter­grund“ hat, er dann der Token ist. Das erle­ben wir immer wie­der. Es ist auch schon vor­ge­kom­men, dass wir zu einer Show ein­ge­la­den wer­den und plötz­lich ein ande­rer Come­dian aus­fällt. Dann schla­gen wir einen Come­dian als Ersatz vor, aber dann lau­tete auch schon mal die Ant­wort: „Nein, nein, einer von euch reicht.“ Dann wird immer ver­sucht zu begrün­den, dass gemeint sei, einer von Rebell­Co­medy würde rei­chen. Aber wir wis­sen genau, was sie wirk­lich mei­nen. Das ist in die­sen Agen­tur­struk­tu­ren lei­der immer noch gang und gäbe. Und es ist lei­der auch immer noch so, dass sie dann ver­su­chen, den Come­dian oder die Come­di­enne mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund zu neh­men, die das auch aus­spie­len, also die voll auf Ethno gehen und sich dar­über lus­tig machen. Oft ist es heute auch so, dass der eigene Kul­tur­kreis dann nichts mehr damit zu tun haben will.

Sie sind seit über zehn Jah­ren im Kul­tur­be­reich tätig. Wel­che Ent­wick­lun­gen haben Sie in der Zeit beobachtet?
Es hat sich von star­ker Ethno-Comedy zu ech­ter Stand-up-Comedy ent­wi­ckelt. Diese Ethno-Comedy war aber nötig, damit über­haupt eine Tür auf­ge­macht wer­den konnte. Bevor es Rebell­Co­medy gab, war es eben nur Ethno-Comedy, wenn der Come­dian einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund hatte. Zu Beginn konn­ten kaum Leute mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund dar­über lachen. Denn es diente eher zur Belus­ti­gung ande­rer. Als dann Rebell­Comedy begann, lach­ten die Come­di­ans vor allem über sich selbst und ihre Erfah­run­gen. Diese Selbst­iro­nie führte dazu, dass viele sich damit iden­ti­fi­zie­ren konn­ten und somit drü­ber lachen konn­ten. Jahre spä­ter gelangte diese Art von Comedy mehr in den Main­stream und wurde somit popu­lä­rer und gene­rell als Stand-up-Comedy wahr­ge­nom­men. Es ist egal, ob das jetzt was mit Kul­tur oder mit Ethno zu tun hat. Es ist ein­fach nur Stand-up.

Im letz­ten Jahr haben Sie die WDR-Talk­show „Wie redest du?“ mode­riert. Thema war der Umgang mit Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus im All­tag. Ins­be­son­dere die Spra­che, die deut­lich macht, wie ver­wur­zelt Ras­sis­mus in der Gesell­schaft ist, stand im Fokus. Was haben Sie aus der Sen­dung mitgenommen?
Ich habe sehr viel gelernt. In der Sen­dung bin ich ja der­je­nige – gemein­sam mit den ande­ren Come­di­ans, die in den zuge­hö­ri­gen Videos vor­kom­men –, der das nicht ver­steht. Wir ver­ste­hen die­sen Akti­vis­ten­jar­gon nicht. Und des­halb brau­chen wir Leute in der Sen­dung, die uns das näher­brin­gen kön­nen. Daher habe ich sehr viel dar­aus gelernt und ich habe viele Leute aus die­ser Szene ken­nen­ge­lernt. Als Come­dian habe ich sonst keine Berüh­rung mit bzw. kei­nen Kon­takt zu Akti­vis­ten. Und wie gesagt, als Come­dian auf der Bühne erlaubst du dir ein biss­chen mehr. Und auf ein­mal merkst du, wie Leute extrem auf etwas, z. B. auf Spra­che, ach­ten. Und das ist auch sehr inter­es­sant zu sehen. Da kann man noch viel von­ein­an­der ler­nen. Man kann den Wan­del unse­rer Spra­che natür­lich auch auf die Bühne brin­gen und so zei­gen, was da gerade passiert.

Zum Schluss: Was muss jetzt in unse­rer Gesell­schaft pas­sie­ren gegen Dis­kri­mi­nie­rung und Rassismus?
Ich erhoffe mir, dass die Ent­schei­dungs­trä­ger in die­sen Struk­tu­ren end­lich mal den Stuhl abge­ben und mal Leute da sit­zen las­sen, die ent­we­der viel­fäl­ti­ger den­ken oder sogar aus der Mitte der Viel­falt kom­men. Diese Leute müs­sen dahin, und sie müs­sen die Ent­schei­dungs­trä­ger sein.

Vie­len Dank.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 07-08/2022.

Von |2022-08-05T10:03:12+02:00Juli 4th, 2022|Rassismus|Kommentare deaktiviert für

Aus der Mitte der Vielfalt

Der Come­dian Kha­lid Boun­ouar im Gespräch

Khalid Bounouar ist Stand-up-Comedian und Ensemblemitglied von RebellComedy. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.