Weib­li­che Füh­rungs­kräfte sind bescheiden …

… und männ­li­che grei­fen nach der Macht!

1975 wurde von der UNO zum Inter­na­tio­na­len Jahr der Frau aus­ge­ru­fen. Und auch fast 50 Jahre spä­ter gibt es die Gleich­be­rech­ti­gung der Frau nur auf dem Papier. Frauen sind in Füh­rungs­po­si­tio­nen unter­re­prä­sen­tiert und ver­die­nen im Durch­schnitt weni­ger. Dies gilt auch für den Kul­tur­be­reich. 2017 setzte der Deut­sche Kul­tur­rat das Ziel, „bei der geschlech­ter­ge­rech­ten Beset­zung von Jurys und Aus­wahl­gre­mien sowie Vor­stän­den bzw. Prä­si­dien mit gutem Bei­spiel vor­an­zu­ge­hen.“ Ist heute alles auf einem guten Weg? Die aktu­elle Pra­xis zeigt, dass wir immer noch weit ent­fernt sind von Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit. Dies zei­gen uns zahl­rei­che Bei­spiele aus dem All­tag und den Medien klar und deut­lich. Da wird die Klei­dung von Poli­ti­ke­rin­nen in Spit­zen­po­si­tio­nen kri­ti­siert, die Frage auf­ge­wor­fen: Kann sie das über­haupt mit drei Kin­dern? Eine Frage, die bei Poli­ti­kern nie dis­ku­tiert wird! Oder auch über ängst­li­che Gesichts­aus­drü­cke im Kampf­an­zug spe­ku­liert! Frauen in Füh­rungs­po­si­tio­nen sind viel stär­ker Kri­tik aus­ge­setzt als ihre männ­li­chen Kol­le­gen. Dies ver­wun­dert ange­sichts vie­ler Stu­dien, wie bei­spiels­weise die der Ari­zona State Uni­ver­sity 2020, die die gute und fach­li­che Qua­li­fi­zie­rung der Frauen und zugleich ihr Under­state­ment her­vor­he­ben, wäh­rend „die männ­li­chen Bewer­ber in ihrer Selbst­ein­schät­zung eher über­trie­ben und prahl­ten“. Auch der Geschäfts­füh­rer des Deut­schen Kul­tur­ra­tes berich­tete in der Publi­ka­tion „Frauen in Kul­tur und Medien“ von 2016, dass seine „Per­so­nal­ent­schei­dung meist zuguns­ten von Frauen aus(fällt), weil ihre männ­li­chen Mit­be­wer­ber oft­mals weni­ger qua­li­fi­ziert seien und zugleich mit einem unan­ge­mes­se­nen Selbst­be­wusst­sein auf­tre­ten wür­den“. Doch viel­leicht liegt genau in die­sem Wider­spruch, über­mä­ßi­ges Lob auf der einen Seite, über­mä­ßi­ger Tadel auf der ande­ren Seite, des Pudels Kern. Denn genau sol­che Ste­reo­ty­pen tra­gen zu posi­ti­ven Dis­kri­mi­nie­run­gen bei, die Män­nern erlau­ben, durch­set­zungs­fä­hig zu sein und Frauen vor­ge­ben, beschei­den und fach­lich zu agie­ren und hal­ten so letzt­lich das bestehende Sys­tem der Geschlech­te­run­ge­rech­tig­kei­ten am Leben. Selbst eine Angela Mer­kel, die 16 Jahre als Bun­des­kanz­le­rin an der Spitze der deut­schen und welt­wei­ten Poli­tik stand, hat sich in ihrer Außen­dar­stel­lung an die­ses Kor­sett gehal­ten. So heben Medien, wie der Tages­spie­gel, als ihre zen­tra­len Eigen­schaf­ten Beschei­den­heit, „lei­sen Humor“ und kri­tisch ihre Zöger­lich­keit bei Ent­schei­dun­gen her­vor, dass sie „manch­mal zu spät ent­scheide“, „um das Rich­tige vom Fal­schen zu schei­den“. Wäre eine Bun­des­kanz­le­rin, die sich macht­be­wusst und unbe­schei­den zeigt, über­haupt denk­bar? Wäre eine Angela
Mer­kel als Bun­des­kanz­le­rin akzep­tiert wor­den, wenn sie sich bei­spiels­weise so ver­hal­ten hätte wie Ger­hard Schrö­der? Macht­be­wusst „Klar­text“ gespro­chen hätte mit einem gele­gent­li­chen „Basta“? Doch wenn der weib­li­che Füh­rungs­stil sich durch Beschei­den­heit und Fach­lich­keit aus­zeich­nen soll, wie ist es dann mit dem Umkehr­schluss? Ist ein männ­li­cher Füh­rungs­stil unbe­schei­den, macht­ori­en­tiert, selbst­be­wusst und unfach­lich? Eben „Basta“!? Nein, auch Frauen kön­nen „unan­ge­mes­se­nes Selbst­be­wusst­sein“ haben, ihre Macht nut­zen und sich durch­set­zen. Aber warum wird dies im öffent­li­chen Dis­kurs dann nicht glei­cher­ma­ßen tole­riert? Ja, um Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit her­zu­stel­len, bedarf es mehr Frauen in Füh­rungs­po­si­tio­nen, zugleich aber auch einer Befrei­ung von den männ­li­chen Fes­seln ste­reo­ty­per weib­li­cher Füh­rungs­stile. Oder bes­ser noch: Männ­li­che Seil­schaf­ten, „unan­ge­mes­se­nes Selbst­be­wusst­sein“ und Macht­do­mi­nanz soll­ten ebenso wenig bei Män­nern wie bei Frauen tole­riert wer­den. Ansons­ten wird wei­ter gel­ten: Alle Füh­rungs­kräfte sind gleich, aber männ­li­che Füh­rungs­kräfte sind gleicher.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 03/2022.

Von |2022-03-24T10:34:27+01:00März 4th, 2022|Arbeitsmarkt, Grundgesetz|Kommentare deaktiviert für

Weib­li­che Füh­rungs­kräfte sind bescheiden …

… und männ­li­che grei­fen nach der Macht!

Susanne Keuchel ist Präsidentin des Deutschen Kulturrates.